Dienstag23. Dezember 2025

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SerieLuxemburgische Musikerinnen im Mittelpunkt: Erna Hennicot-Schoepges

Serie / Luxemburgische Musikerinnen im Mittelpunkt: Erna Hennicot-Schoepges
Erna Hennicot-Schoepges (l.) und Madga Tagliaferro Foto: Philippe Vaisseau. Privatarchiv

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Spotlight auf Musikerinnen aus Luxemburg: Das Tageblatt präsentiert in Zusammenarbeit mit „Musik und Gender in Luxemburg“ jeden Monat Frauen aus der nationalen Musikwelt und ihre Werke. Das neueste Porträt der neunteiligen Serie gilt Erna Hennicot-Schoepges.

Erna Hennicot-Schoepges ist eine der bekanntesten Luxemburger Politiker:innen der letzten Jahrzehnte. Als Bürgermeisterin von Walferdingen, CSV-Abgeordnete und Parteipräsidentin, Parlamentspräsidentin, Ministerin und Europaabgeordnete hat sie viel bewegt. Besonders in Erinnerung bleiben die Großprojekte, die sie ab 1999 durchsetzen konnte, als sie gleichzeitig Ministerin für Kultur und Ministerin für Öffentliche Bauten war: Philharmonie, Rockhal, Neimënster, Casino-Forum d’art contemporain, Mudam sowie die Gründung der Universität Luxemburg. Auch ihre Unterstützung der künstlerischen Freiheit im Rahmen der „Lady Rosa of Luxembourg“ (Gëlle Fra 2)-Affäre von 2001 ist vielen im Gedächtnis geblieben.

„La culture: luxe ou nécessité?“ fragt Erna Hennicot-Schoepges in einem Online-Beitrag von 2013, der auch auf dem mugi.lu Webportal (unter „Schriftstücke“) nachzulesen ist. Sie schreibt: „Ayant été professeur au Conservatoire de la Ville de Luxembourg avant de m’engager en politique, la non-considération pour le travail de mes confrères, ces profs de musique qui ne font que jouer (!) m’est apparu comme le symptôme d’une attitude qu’il fallait changer. J’avais donc deux bons arguments pour m’engager politiquement, la cause des femmes et la culture.“ Ihr politisches Engagement begründet sich also unter anderem auf den Erfahrungen, die sie als Musikerin machte. Auch wenn sie nicht militant im Sinne der 1968er-Bewegung war oder dem 1972 gegründeten MLF („Mouvement de la libération des femmes“) nahestand, so wurde sie doch genau zu der Zeit (1972) politisch aktiv, wie sie rezent in einem RTL-Afterwork-Gespräch erzählte. Anders als damals üblich, behielt sie auch nach ihrer Heirat im Jahr 1966 und nach der Geburt ihrer Kinder ihre Anstellung bei Radio Luxemburg, wo sie bis 1979 unter dem radiofreundlichen Vornamen Colette Schoepges Sendungen moderierte. Zeitgleich war sie Professorin für Klavier am Conservatoire und trat als Konzertpianistin auf.

Pianistin und Parlamentarierin

Geboren im Juli 1941 in Düdelingen, fing Erna Schoepges mit sechs Jahren an Klavier zu spielen. Der Organist Norbert Thill entdeckte und förderte ihr Talent. Schon mit zehn Jahren bestand sie das Klavierexamen des „Jury supérieur de Belgique“ mit „la plus grande distinction“. Während ihrer Schulzeit am Escher Mädchenlyzeum fuhr sie jeden Montag mit dem Zug nach Brüssel und zurück, um am Königlichen Konservatorium Brüssel zu studieren. Später erlernte sie in Paris die sogenannte „Tagliaferro Technique“ (Körperhaltung und -einsatz am Klavier). Ihre Lehrerin, Madga Tagliaferro, vermittelte ihr vielleicht dabei auch die Einstellung, nie aufzugeben und sich Ellbogenfreiheit zu verschaffen – sowohl in der Musik als auch im Leben und in der Politik.

1963 wurde Erna Schoepges Sprecherin bei Radio Luxemburg und moderierte später auch eigene Sendungen. Besonders beliebt war ihre Sendung „Wonschconcert“. Dank der Sendung „Musique de chambre“ verschaffte sie auch luxemburgischen Musiker:innen eine Plattform und Aufnahmemöglichkeiten. In den Archiven des „Centre national de l’audiovisuel“ (CNA) schlummern wahre Schätze an Studioaufnahmen der Villa Louvigny, also der „Compagnie luxembourgeoise de télédiffusion“ (CLT). MuGi.lu konnte das öffentliche Archiv dankenswerterweise einsehen, bevor es aus Umstrukturierungsgründen temporär für die Forschung schwer zugänglich wurde. Beispiele dieses Kulturguts sind auf unserem Webportal nachzuhören (unter der Rubrik „Musik“). Auf diesen Aufnahmen begleitet Erna Schoepges am Klavier u. a. die Sänger:innen Eugène Bley, Venant Arend, Fernand Koenig, Danielle Koenig, Béby Kohl-Thommes und Marie-Jeanne Klein sowie den Klarinettisten Auber Stradaroli. Schoepges’ Repertoire ist sehr breit aufgestellt und umfasst auch viele Stücke Luxemburger Komponisten – aber nur von einer Komponistin: Lou Koster. Ausgewählte Konzertaufnahmen u. a. mit dem RTL-Orchester und dem RTB-Kammerorchester wurden 2014 auf der CD „J’ai souvent plus écouté mon coeur“ veröffentlicht.

Auch wenn der Traum, professionelle Konzertpianistin zu werden, nicht in Erfüllung gehen sollte, war Erna Hennicot-Schoepges in den 1970er Jahren sehr viel unterwegs und gab Konzerte in Luxemburg, Paris, Brüssel und auf Tournee in der Touraine. In der Presse rezipiert wurden v. a. ihre Konzerte mit den Sopranistinnen Hilda Van Heel Van Mulders, Yvette Sunnen, Carmen Welter-Jander und der Altistin Marie-Jeanne Klein. Mit dem RTL-Symphonieorchester unter der Leitung von Pierre Cao spielte Erna Hennicot-Schoepges 1979 in Schifflingen Werke von Felix Mendelssohn, César Franck und Antonin Dvořák.

Unique récital à Paris: Journées musicales des PTT (26.04.1974)
Unique récital à Paris: Journées musicales des PTT (26.04.1974) Foto: Privatarchiv
 
  Quelle: MuGi.lu

Als Liedbegleiterin unterstrich Erna Hennicot-Schoepges die enge Zusammenarbeit zwischen Klavierspiel und Gesang. In einem Radiogespräch mit Raymond Tholl von 1996 erläuterte sie, das Klavier spiele die Rolle eines Pinsels, der die Farben eines Lieds gestalte. Die Zusammenarbeit mit der Solistin Marie-Jeanne Klein gipfelte in der gemeinsamen CD „Récital“ (1995) mit Liedern von Peter Tschaikowsky, Sergej Rachmaninoff, Edvard Grieg, Enrique Granados und Fernando J. Obradors. Im folgenden Jahr erschien auch die CD „Der Wanderer“ mit Liedern von Franz Schubert, gesungen von dem Bassbariton Ionel Pantea. Den rumänischen Sänger hatte Erna Hennicot-Schoepges 1980 kennengelernt, als sie ihn bei Konzerten am Klavier begleitete. Es entwickelte sich eine jahrelange Zusammenarbeit mit Konzerten in Clerf, Bourglinster, Daun (in der Eifel) und – nach dem Ende der Diktatur – auch in Rumänien: 1992 im Konservatorium von Târgu Mureş und dem Salzbergwerk von Praid; 1993 im Rumänischen Athenäum in Bukarest. Ihre enge Verbindung zu Rumänien – die musikalisch auf die Begegnung mit Ionel Pantea zurückgeführt werden kann – wird in den Erzählungen „Leseproben einer Seelenverwandtschaft“ offensichtlich. Die drei Bände (2011, 2016 und 2020) wurden gemeinsam mit Beatrice Ungar im Honterus Verlag veröffentlicht.

Über MuGi.lu

MuGi.lu (Musik und Gender in Luxemburg) ist ein Projekt der Universität Luxemburg, das 2022 in Zusammenarbeit mit dem CID | Fraen an Gender ins Leben gerufen wurde. MuGi.lu erforscht, sammelt und vermittelt Wissen über Musikschaffen mit besonderem Fokus auf Geschlechterverhältnisse und umfasst mittlerweile neun digitale Portale (www.mugi.lu). Das Portal zu Erna Hennicot-Schoepges wurde von Sonja Kmec mit der Unterstützung von Danielle Roster, Anne Schiltz, Cristina Sobral und Cathy Collard eingerichtet. Es enthält u.a. Musikaufnahmen, Fotografien, Konzertprogramme, Radio- und Fernsehmitschnitte, Presseartikel und Ausschnitte aus gefilmten Interviews von Anne Schiltz (Kontakt: [email protected]).

Sowohl mit Ionel Pantea wie mit Georges Mallach, dem ersten Cellisten des RTL-Orchesters – mit dem sie nach dessen Pensionierung Kammermusik aufführte –, trat die Pianistin Mitte der 1990er Jahre in der Vertretung des Saarlandes in Berlin auf. Erna Hennicot-Schoepges arbeitete auch mit vielen Musiker:innen des Konservatoriums der Stadt Luxemburg zusammen. Mit dem Basssänger Pierre Lentz organisierte sie zudem jährliche Konzerte im Walferdinger Kulturzentrum. Nach 2013 bildete Erna Hennicot-Schoepges gemeinsam mit Tomoko Wirrbach-Kiba (Geige) und Dietrich Wirrbach (Cello) Le Trio; so noch 2018 im Casino Luxembourg – Forum d’art contemporain. In ihrer Unermüdlichkeit ist wohl weiterhin Madga Tagliaferro, die noch mit 92 Jahren Claude Debussys „Poissons d’Or“ aufnahm, ein Vorbild.

 
  Quelle: Uni.lu

Erna Hennicot-Schoepges war auch publizistisch sehr produktiv. In ihrer Zeit als Abgeordnete des Europäischen Parlaments von 2004 bis 2009 und darüber hinaus schrieb sie mehr als 200 politische Kolumnen in der Wochenzeitschrift Le Jeudi und veröffentlichte ihre Beobachtungen mit dem Titel „Le Parlement Européen vu à distance“ online. Von 2005 bis 2019 verfasste sie zudem mehr als 540 Meinungsartikel auf ihrem Online-Blog „Wenn ich das Wort ergreifen dürfte“ – vielleicht eine Anspielung auf das Buch mit dem Titel „Wenn nun wir Frauen auch das Wort ergreifen. Frauen in Luxemburg 1880-1950“, dessen Veröffentlichung sie als Kulturministerin 1997 unterstützt hatte.

Über die Autorin

Sonja Kmec ist Professorin für Kulturgeschichte an der Universität Luxemburg. Ihre Publikationen behandeln u.a. Geschlechtergeschichte, Populärkultur und Erinnerungspolitik.