„Ich weiß noch nicht, was ich nach der Schließung des Möbelhauses tun werde. Wahrscheinlich das, was alle Rentner tun: erstmal zu Hause aufräumen.“ Seit 37 Jahren steht Camille Mich an der Spitze von Meubles Mich-Gillen. Das blaue Gebäude mit der Rundung war jedoch schon lange davor sein zweites Zuhause, denn bereits als kleiner Junge half der heutige Geschäftsführer im Familienunternehmen mit. „Ich war immer während der Schulferien hier und habe bei der Auslieferung und Montage der Möbel geholfen“, erinnert er sich. Unsicherheiten zu seiner beruflichen Zukunft habe es nie gegeben – „es war von Anfang an klar, dass ich den Betrieb übernehmen würde“.
1923 gründeten seine Großeltern, Jos Mich und Justine Gillen, eine Möbelbauschreinerei in Hollerich. 1950 wurde diese zur Firma Jos Mich-Gillen & Fils: die drei Söhne des Gründers stiegen mit in den Betrieb ein. Während zu Beginn Schlafzimmer-Möbel und Co. im hauseigenen Schreiner-Atelier selbst hergestellt wurden, stellte das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg die Produktion ein und wechselte zum Verkauf. „Es hat sich einfach nicht mehr gelohnt, Möbel selbst herzustellen. Es wurde interessanter, mit großen Möbelherstellern zusammenzuarbeiten und diese hier zu vertreten“, so Mich. Er habe seine Großeltern zwar selbst nie kennengelernt, die Spuren ihrer Arbeit zeichnen aber noch heute, über 100 Jahre später, das Möbelhaus in der Straßburger Straße, an der Ecke zum Boulevard Dr Charles Marx.
Der Möbelmarkt hat sich verändert
„Das Holzgeländer hier ist noch original und hier oben hat sich die Raumaufteilung kaum verändert“, erklärt Mich beim Gang durch den alten Teil des Gebäudes. Anfang der 1950er wurde das Erdgeschoss als Ausstellungsraum und Verkaufsfläche eingerichtet, knappe zehn Jahre später folgten dann die Obergeschosse. Das Originalgebäude, in dem Michs Großeltern ebenfalls lebten, steht noch genau so, wie es war, denn das Haus ist denkmalgeschützt. Im ersten Stockwerk befanden sich früher die Schlafzimmer der Familie. Auch einer von Michs Onkeln wohnte hier. „Das hatte aber nicht nur Vorteile, denn sobald die Kunden und Lieferanten dies wussten, kamen sie auch noch abends um 9, so dass nie Feierabend war.“
Heute befindet sich hinter dem Bogen aus Stein, der den Übergang zwischen altem und „neuem“ Teil markiert, weitere Verkaufsfläche, denn insgesamt erstreckt sich Meubles Mich-Gillen – Lager inklusive – über 3.500 Quadratmeter, verteilt auf vier Stockwerke. Die Entscheidung, all dies zu verkaufen, fällt Mich nicht leicht, ist jedoch unumgänglich, hat sich der Markt für Möbel in den vergangenen Jahren doch stark verändert und eine mögliche Nachfolge innerhalb der Familie besteht nicht. „Meine Kinder haben andere Berufe gewählt und jemanden zu finden, der das Ganze übernimmt, ist schwierig bis unmöglich“, meint der Geschäftsführer. Es mangele an Parkplätzen, das Garer Viertel habe einen immer schlechter werdenden Ruf, Möbelkäufe wickeln sich mittlerweile eher online ab als vor Ort, so die Diagnose.
Jene Kunden, die dem Möbelhaus seit Jahren treu geblieben sind, bereiten zwar Freude, können jedoch nicht die negativen Trends kompensieren. Und doch: „Viele sind wirkliche Stammkunden und kommen vorbei, um sich zu verabschieden. Wir waren ganz überrascht darüber, dass manche schon Kinder von ehemaligen Kunden sind und nun selbst mit ihren Kindern kommen, also ebenfalls in dritter Generation.“
Ein Haus voller Erinnerungen
Wie schwer es Mich fallen wird, das Geschäft definitiv zu schließen, das nicht nur Hollerich, sondern auch das Leben einer ganzen Familie geprägt hat, kann er noch nicht einschätzen: „Das werde ich sehen, wenn es soweit ist.“ Ein festes Datum für die definitive Schließung gibt es nicht, hier ist man flexibel. Mindestens bis Sommer wird es aber dauern, bis die restlichen Möbel- und Dekostücke verkauft sind, dann nochmal bis Oktober oder November, bis alles ausgeliefert ist. Was danach mit dem Gebäude geschieht, weiß Mich nicht.
Die Überlegung, aufzuhören, steht schon seit Längerem im Raum. Anfang des Jahres dann fiel der Entschluss. Für die fünf Mitarbeiter natürlich ein harter Schlag, den man jedoch kommen sah: „Es war uns allen bewusst, dass wir nicht unendlich weitermachen können, wenn keine Nachfolge besteht.“ Er habe zwar immer Spaß am Beruf gehabt, den Kontakt zu den Kunden, die Beratung und Planung, nun sei es jedoch Zeit, zu gehen. Die Erinnerungen aber bleiben, denn die Zeit bei Meubles Mich-Gillen sei stets eine schöne gewesen, sei es zusammen mit seinem Vater oder später mit seiner Frau.
Einer, der fast schon länger im Betrieb ist, als Mich selbst, ist der XXL-Gummibaum direkt am Eingang: „Der hat bestimmt schon 60 Jahre und wurde meinen Eltern vom damaligen Maler geschenkt.“ Anekdoten wie diese gibt es zur Genüge, verraten will der Geschäftsführer aber nur diese: „Mein Vater hat anfangs erzählt, wie damals fast 30 Mann halfen, als die Schreinerei noch existierte und der Betrieb Schulbänke anfertigte, die bis zu einem gewissen Datum fertig sein mussten. Das war aber vor meiner Zeit.“ An die Karteikarten, die alte Schreibmaschine und die vielen Messen im Ausland kann sich Mich hingegen selbst erinnern – und hofft, dass durch das Gebäude wenigstens noch ein Stück Familiengeschichte erhalten bleibt, „das wäre schön“.

De Maart

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