Donnerstag6. November 2025

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ÖsterreichWarnsignal für Austro-Ampel: Sozial- und Christdemokraten bei Wiener Landtagswahl abgestraft

Österreich / Warnsignal für Austro-Ampel: Sozial- und Christdemokraten bei Wiener Landtagswahl abgestraft
Der Alte bleibt wohl der Neue: Wiens sozialdemokratischer Bürgermeister Michael Ludwig Foto: AFP

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Österreichs seit acht Wochen amtierende Ampelkoalition hat den ersten Test vermasselt: Bei den Wiener Landtags- und Gemeinderatswahlen am Sonntag verloren ÖVP und SPÖ stark. NEOS legte zwar leicht zu, droht aber aus der Wiener Stadtregierung zu fliegen. Die rechtspopulistische FPÖ setzt ihren Höhenflug fort, umwirbt die SPÖ aber wohl vergeblich.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig bleibt fest im Sattel sitzen, auch wenn seine SPÖ gestern ihr bisher schlechtestes Ergebnis eingefahren hat. Mit knapp 39 Prozent der Stimmen bleiben die Genossen laut letzten Hochrechnungen trotz einem Minus von 2,3 Prozentpunkten gegenüber der Wahl vor fünf Jahren unangefochten die Nummer eins der Bundeshauptstadt. Ludwig regierte bisher mit der liberalen NEOS-Partei, die auf Bundesebene in der Ampel gemeinsam mit SPÖ und ÖVP regiert. Gestern Abend stand die Koalition auf der Kippe, denn das NEOS-Plus von 7,5 auf 9,5 Prozent kann das rote Minus möglicherweise nicht ganz ausgleichen. Ob die beiden Parteien im Landtag doch noch eine Mini-Mehrheit haben werden, wird möglicherweise erst heute feststehen.

Viel härter als die SPÖ hat es die ÖVP erwischt: Die Christdemokraten von Bundeskanzler Christian Stocker stürzen um fast elf Prozentpunkte auf nur noch knapp 10 Prozent, allerdings nicht zwingend in die politische Bedeutungslosigkeit ab. Da Bürgermeister Ludwig möglicherweise einen neuen Koalitionspartner braucht, weil es sich mit NEOS nicht mehr ausgeht oder es die ÖVP billiger gibt, macht sich der glück- und farblose Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer Hoffnung auf einen Aufstieg. Zwar könnten die Grünen mit ihren wie 2020 knapp 15 Prozent sogar eine breitere Mehrheit liefern, doch gerade in Wien ist ein rot-grüner Honeymoon auszuschließen. Die Öko-Partei hat sich nämlich auf Wiener Straßenbauprojekte eingeschossen, die der Bürgermeister für unverzichtbar erklärt hat. Solche Probleme wird Ludwig mit der ÖVP nicht haben, weshalb ein Zusammengehen der beiden Parteien sehr wahrscheinlich ist, zumal da Mahrer heftig um die Gunst der Genossen wirbt. Ob allerdings tatsächlich der Wahlverlierer die ÖVP in eine solche Koalition führen wird, hängt davon ab, ob Mahrer von seiner Partei nicht doch in den nächsten Tagen in die Wüste geschickt wird.

FPÖ im Höhenflug – doch ohne Hoffnung 

Theoretisch wäre auch eine SPÖ-FPÖ-Koalition möglich, die zudem über eine satte 60-Prozent-Mehrheit verfügen würde, nachdem die Rechtspopulisten am Sonntag ihren Höhenflug fortsetzen konnten. Die FPÖ hat sich mit ihrem fast ausschließlich auf die hohe Zuwanderung und die damit verbundenen Kosten fokussierten Spitzenkandidaten Dominik Nepp fast verdreifacht – von 7,5 auf 20,5 Prozent. Dieser Sprung ist allerdings zu relativieren: Die letzten Wiener Wahlen fanden eineinhalb Jahre nach dem Ibiza-Skandal statt, welcher im Mai 2019 die türkis-grüne Regierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) in die Luft gesprengt und die FPÖ 2020 bei der Wien-Wahl ins Bodenlose – von 31 auf sieben Prozent – stürzen lassen hatte. Diesen Verlust konnte Nepp am Sonntag also bei weitem nicht wettmachen. Vor allem aber wird der gestrige Zuwachs keinerlei Machtgewinn bedeuten: Bürgermeister Ludwig lehnt eine Koalition mit der FPÖ kategorisch ab. Ein Umfaller ist so gut wie auszuschließen, auch wenn es in der SPÖ nach jeder Wahl vereinzelte Stimmen für ein solches Bündnis gibt. Nichtsdestotrotz startete die FPÖ-Spitze am Wahlabend eine Werbeoffensive für eine rot-blaue Koalition. Realistischerweise dient sie wohl nur dem Ziel, sich nach der absehbaren Zurückweisung einmal mehr als Ausgrenzungsopfer zu inszenieren.

Weiter keine Rolle spielt auch der Auslöser des Ibiza-Skandals: Nur ein Prozent der Wiener Wähler wollte Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der bei einem heimlich aufgezeichneten Treffen mit einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte auf Ibiza in korrupten Fantasien geschwelgt hatte und deshalb nach Bekanntwerden des Videomitschnittes 2019 als Parteichef und Vizekanzler zurücktreten hatte müssen, wieder im Gemeinderat sehen. Der Comeback-Versuch scheiterte somit klar an der Vier-Prozent-Hürde.