Freitag7. November 2025

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BelgienOsterabkommen beschlossen: Regierung einigt sich auf umfassende Reformen

Belgien / Osterabkommen beschlossen: Regierung einigt sich auf umfassende Reformen
Belgiens Premierminister Bart De Wever spricht von einem „historischen Abkommen“ Foto: AFP/Belga/Hatim Kaghat

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Nach rund 14 Stunden Verhandlungen hat sich die belgische Bundesregierung auf ihren Haushalt für das Jahr 2025 und ein ausführliches Reformpaket geeignet, das weitreichende Veränderungen in den Bereichen Arbeitsmarkt, Renten, Migration, Justiz, Gesundheit und Verteidigung vorsieht. Laut „L’Echo“ sprach Premierminister Bart De Wever (N-VA) von einem „historischen Abkommen“, in dem alle Regierungsparteien zentrale Forderungen durchsetzen konnten.

Reform der Arbeitslosenhilfe: Neue Bezugsdauer und ergänzende Maßnahmen

Ein zentraler Bestandteil des sogenannten „Osterabkommens“ ist die zeitliche Begrenzung der Arbeitslosengelder auf zwei Jahre, die ab dem 1. Januar 2026 gelten soll. Personen, die zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre oder länger arbeitslos sind, verlieren ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld und müssen entweder eine Beschäftigung aufnehmen oder auf Sozialhilfe (CPAS) zurückgreifen. Ausnahmen gelten für jene, die sich in einer Ausbildung in einem anerkannten Mangelberuf, beispielsweise im Gesundheitsbereich, befinden.

Als Ausgleich wird das Arbeitslosengeld in den ersten Monaten der Arbeitslosigkeit erhöht. Zudem wird ein sogenanntes „Recht auf Neustart“ eingeführt, das es ermöglicht, unter bestimmten Bedingungen nach einer freiwilligen Kündigung Arbeitslosengeld zu beziehen.

Renten: Begrenzte Indexierung für hohe Pensionen und neue Besteuerung

Bei den Pensionen setzt die Vereinbarung auf gezielte Einsparungen im oberen Segment. Renten über 5.250 Euro monatlich werden künftig nur noch um einen fixen Betrag von 36 Euro pro Indexrunde erhöht. Dies wurde bislang nur bei Mindestpensionen angewendet. Eine vollständige Abschaffung der Indexierung konnte nicht durchgesetzt werden.

Zusätzlich wird die Besteuerung von hohen Zusatzpensionen verschärft: Kapitalbeträge über 150.000 Euro unterliegen künftig einer Solidaritätsabgabe von bis zu 4%. Auch die sogenannte Wijninckx-Abgabe wird auf bis zu 12,5% ab 2026 erhöht.

Der bislang großzügige Pensionsbonus für längeres Arbeiten wird stark eingeschränkt. Künftig können nur noch jene davon profitieren, die über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten.

Migration und Asyl: Verschärfte Regelungen

Im Bereich der Migration hat sich die N-VA mit ihrer konservativen Linie durchgesetzt. Familienzusammenführungen werden durch höhere Einkommensgrenzen und längere Wartezeiten erschwert. Um Zwangs- oder Kinderehen zu vermeiden, hat die Regierung das Mindestalter für Ehepartner auf 21 Jahre festgelegt. Die Regierung hat im Abkommen entschieden, dass Personen, die bereits Schutzstatus in einem anderen EU-Staat besitzen, keinen Anspruch mehr auf eine Aufnahme in Belgien haben. Wer keinen Platz in einer Aufnahmeeinrichtung erhält, verliert auch das Anrecht auf Sozialhilfe.

Wirtschaft und Unternehmen: Ansporn für Selbstständige und Flexi-Jobs

Die Sozialbeiträge für Unternehmen werden insgesamt um eine Milliarde Euro gesenkt. Damit soll die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Gleichzeitig wird das Modell der Flexi-Jobs ausgeweitet: Das steuerfreie Jahreslimit steigt von 12.000 auf 18.000 Euro und wird künftig indexiert. Für Selbstständige will die Regierung bestehende Steuergutschriften verdoppeln.

Gesundheit: Kontrolle bei Krankmeldungen und mehr Budget bis 2029

Zur Bekämpfung der Langzeiterkrankungen sollen Ärzte künftig strenger kontrolliert werden, damit sie nicht überdurchschnittlich viele Krankschreibungen ausstellen. Hinzu kommt, dass Unternehmen neuerdings verpflichtet werden, sich an den Kosten der ersten zwei Krankheitsmonate zu beteiligen.

Justiz: Investitionen gegen Überbelegung in den Gefängnissen

Justizministerin Annelies Verlinden (CD&V) enthält das Osterabkommen zusätzliche 150 Millionen Euro, mit denen der Ausbau der Gefängnisse vorangetrieben werden soll. Die Regierung will künftig vermehrt Häftlinge ohne regulären Aufenthaltsstatus abschieben.

Verteidigung: Ausgaben steigen auf 2% des BIP

Wie von der NATO gefordert, wird Belgien seine Verteidigungsausgaben bereits 2025 auf 2  Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben. Zur Finanzierung greift der Staat auf eingefrorene russische Vermögen, staatliche Dividenden und europäische Sonderregelungen zurück. Eine langfristige Budgetstruktur soll ab 2026 geschaffen werden.

Fazit

Das „Osterabkommen“ trägt in mehreren zentralen Bereichen, insbesondere in dem Arbeitsmarkt, Migration und Haushaltspolitik deutlich die Handschrift der N-VA. Vooruit setzte durch, dass Ausnahmen bei der Arbeitslosenunterstützung für Pflegeberufe gelten, ein Kernanliegen im Gesundheitsbereich.

Obwohl das Abkommen von der De-Wever-Regierung als bedeutender Meilenstein bezeichnet wird, stoßen zahlreiche Maßnahmen auf Kritik. Kritiker weisen darauf hin, dass zum Beispiel die Reform der Arbeitslosigkeit zwar kurzfristig Einsparungen bringen könne, jedoch neue Belastungen für die kommunalen Sozialdienste (CPAS) mit sich bringt. Laut l’Echo warnt der Ökonom Philippe Defeyt, man unterschätze die zusätzliche Arbeitsbelastung für die CPAS.