Sonntag21. Dezember 2025

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ForumÜber den  Eisernen KI-Vorhang der USA von Soňa Muzikárová

Forum / Über den  Eisernen KI-Vorhang der USA von Soňa Muzikárová
Ein humanoider Roboter auf der Hannover-Messe, der per 3D-Printer gedruckt werden kann. Trumps neue „KI-Verbreitungsregel“ könnte weitreichende Folgen haben. Symbolfoto: AFP/Ronny Hartmann

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In der zweiten Hälfte der 2020er Jahre werden KI-Fähigkeiten zunehmend zum entscheidenden Faktor für wirtschaftliche und militärische Macht. Nach Jahren der Verschärfung der US-Kontrollen für den Export fortschrittlicher Halbleiter nach China erließ die Biden-Regierung als eine ihrer letzten Amtshandlungen eine „vorläufige abschließende Regelung“ zur Schaffung eines Rahmens für die Verbreitung Künstlicher Intelligenz. Wenn diese sogenannte „KI-Verbreitungsregel“ intakt bleibt, werden die zur Entwicklung hochmoderner KI-Modelle benötigten US-Vorleistungen nur einem engen Kreis von Verbündeten zugänglich sein.

Tatsächlich würden sogar die meisten NATO- und EU-Mitglieder von der KI-Entwicklung ausgeschlossen – eine Aussicht, die letztlich die strategischen Ziele der USA selbst untergraben könnte. So braucht etwa Europas industrielles Kraftzentrum Mittel- und Osteuropa Zugang zu KI-Chips, um für das nächste Jahrzehnt seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und militärische Sicherheit zu gewährleisten. Wenn die USA jedoch als verlässlicher Partner und Lieferant ausfallen, könnten sich die Volkswirtschaften der Region China zuwenden.

Dreistufige Zugangshierarchie

Die KI-Verbreitungsregel sieht eine dreistufige Zugangshierarchie vor. Die unterste Stufe umfasst China, Russland und die sonstigen üblichen Verdächtigen, die faktisch vom Markt ausgeschlossen sind. Die privilegierteste Stufe umfasst 18 vertrauenswürdige Verbündete und Handelspartner, darunter die anderen Mitglieder der sogenannten Five Eyes – dem Bündnis der USA zum Austausch von Geheimdienstinformationen mit Australien, Kanada, Neuseeland und dem Vereinigten Königreich – sowie asiatische Technologiestaaten wie Taiwan und Südkorea.

Bleibt noch die mittlere Ebene, zu der die meisten NATO- und EU-Mitglieder gehören. Obwohl sie enge Verbündete der USA sind, gelten für sie strenge Beschränkungen, darunter eine Obergrenze für die Einfuhr hochwertiger KI-Chips (50.000 pro Land bis 2027). Zudem geht die Regelung über die Hardware hinaus und umfasst auch Dinge wie Modellgewichtungen (die die erlernten Fähigkeiten einer KI verkörpern). Jedes Land, das Zugang zu derartigen Ressourcen erhalten möchte, muss strenge, aufwändige Sicherheitsprotokolle durchlaufen.

Ohne diese Hürden wäre Mitteleuropa gut aufgestellt, um auf seiner robusten industriellen Basis aufzubauen und den technologischen Fortschritt in ganz Europa voranzutreiben. Polen, eine der am besten kapitalisierten Volkswirtschaften der Region, hat kürzlich eine 240-Millionen-Dollar-Initiative gestartet, um die Entwicklung des ersten polnischen großen Sprachmodells voranzutreiben. Nur wenige Tage bevor die USA ihre Beschränkungen für KI-Chips verschärften, hatte die polnische Regierung Pläne angekündigt, in diesem Jahr fast 1,2 Milliarden Dollar in KI-basierte Technologien zu investieren. Und im Februar unterzeichneten der polnische Premierminister Donald Tusk und der CEO von Alphabet (Google), Sundar Pichai, eine Absichtserklärung, um die Einführung von KI in den Bereichen Cybersicherheit, Gesundheit, Energie und anderen Sektoren zu beschleunigen.

Indem die USA Mittel- und Osteuropa in die zweite Reihe verwiesen haben, bedrohen sie die wirtschaftliche Zukunft der Region in mindestens dreifacher Hinsicht. Erstens wird es durch die Beschränkungen schwieriger, alte Industrien wie die Autoindustrie zu modernisieren – und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Europäer autonome und selbstfahrende Fahrzeuge, KI-gestützte Fertigung und vorausschauende Wartungstechnologien vorantreiben müssen.

Zweitens sind nun, da die KI-Bestrebungen der Region von den Launen der politischen Entscheidungsträger in Washington abhängen, langfristige Planungen und viele neue Investitionen auf Eis gelegt. Wie auch die importabhängigen US-Unternehmen erkennen, gibt es nichts Schlimmeres für die Wirtschaft als anhaltende politische Unsicherheit.

Drittens könnte das mittel- und osteuropäische Ökosystem aufstrebender KI-Start-ups, wenn leistungsstarke Chips nicht zu bekommen sind, gezwungen sein, in Länder der ersten Ebene abzuwandern. Das würde einen strategischen Sektor beschädigen, bevor er die Chance hat, zur Reife zu gelangen. Wenn die Start-ups abwandern oder verkümmern, wird das die Region um mindestens ein Jahrzehnt zurückwerfen. Kein Wunder, dass sich in den europäischen Hauptstädten von Brüssel und Prag bis Riga und Warschau öffentliche Unzufriedenheit breitgemacht hat.

Zusammenhalt der NATO in Gefahr

Natürlich würden die US-Politiker sagen, dass sie einen kalkulierten Kompromiss eingehen: Sie wollen den technologischen Vorsprung und die nationalen Sicherheitsinteressen der USA schützen, auch wenn das bedeutet, sich mit langjährigen Verbündeten anzulegen. Die Beschränkungen für KI-Chips bergen jedoch auch die Gefahr, den Zusammenhalt der NATO zu schwächen und ihre militärische Modernisierung zu verzögern. Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass sich der Kampf zunehmend um KI-Fähigkeiten dreht – von der Cyberabwehr bis hin zu Drohnen. Angesichts der Aufforderung der Trump-Regierung an die europäischen NATO-Mitglieder, mehr zu tun, ergibt es keinen Sinn, die Fähigkeiten Mittel- und Osteuropas zur Entwicklung dieser Technologien zu beschränken.

Zwar können die meisten Länder in der Region die von der KI-Verbreitungsregel auferlegte Quote aufgrund mangelnder Rechenleistung und anderer Anforderungen bisher ohnehin nicht ausschöpfen. Aber wenn ihre Kapazitäten wachsen, werden sie sich womöglich nach anderen Partnern umsehen. Im Jahr 2023 hat Ungarn allein 44 Prozent der chinesischen Direktinvestitionen in Europa absorbiert und damit mehr als Frankreich, Deutschland und Großbritannien zusammen. In ähnlicher Weise ist China trotz der starken westlichen Orientierung Polens bereits einer seiner größten Handelspartner, und der mittel- und osteuropäische Automobilcluster insgesamt unterhält robuste indirekte Lieferbeziehungen zu China.

Angesichts der Tatsache, dass diese Verbindungen eine umfassendere geopolitische Neuausrichtung erleichtern könnten, täten die USA gut daran, einen gezielteren Ansatz zu entwickeln. Letztlich geht es bei der KI-Führung nicht nur um die Kontrolle über Hardware und Software. Es geht auch darum, globale Standards dafür zu setzen, wie die Technologie entwickelt, eingesetzt und verwaltet wird. Wenn die USA ihre Verbündeten im neuen Bereich der KI ausgrenzen, riskieren sie, ihren Einfluss auf die Entwicklung der Technologie zu verlieren. Das kann unmöglich in ihrem Sinne sein.

* Soňa Muzikárová ist Non-Resident Senior Fellow beim Atlantic Council und Mason Fellow an der Harvard Kennedy School. Sie war als Ökonomin bei der Europäischen Zentralbank tätig, als Diplomatin bei der OECD und ist ehemalige Beraterin des stellvertretenden Außenministers der Slowakischen Republik.

Aus dem Englischen von Jan Doolan.

Copyright: Project Syndicate, 2025.

www.project-syndicate.org

Luxmann
12. April 2025 - 15.00

Ohnehin wird in einem jahrzehnt die KI aus China der made in.US haushoch ueberlegen sein.
Europa muss sich also eher um gute beziehungen zu China bemuehen.