Sonntag9. November 2025

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AustralienTrump im Kopf – und China vor der Küste: Wahlkampf im Schatten der Geopolitik

Australien / Trump im Kopf – und China vor der Küste: Wahlkampf im Schatten der Geopolitik
Australiens Premierminister Anthony Albanese (l.) im Gespräch mit Oppositionsführer Peter Dutton im November vergangenen Jahres im Parliament House in Canberra Foto: AFP/Tracey Nearmy

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Der wirtschaftliche Schock aus Washington, geopolitische Spannungen mit China und zwei Kandidaten ohne echte Visionen – Australien wählt in unruhigen Zeiten.

Australien wählt am 3. Mai ein neues Parlament. Premierminister Anthony Albanese von der Labor Party und Oppositionsführer Peter Dutton von den Liberalkonservativen liefern sich ein Rennen, das von Pannen und Provokationen begleitet wird. Albanese stolperte bei einer Konferenz und stürzte von der Bühne, Dutton traf bei einem PR-Termin versehentlich einen Kameramann mit einem Australian-Rules-Football. Beide Spitzenkandidaten werden zudem von Klimaaktivisten immer wieder heftig kritisiert.

Insgesamt spielt der Kampf gegen den Klimawandel, bei der letzten Wahl noch dominierendes Thema, diesmal nur eine Nebenrolle. Im Vordergrund stehen für viele Australierinnen und Australier die Belastung durch hohe Lebenshaltungskosten, teuren Wohnraum und zunehmende wirtschaftliche Unsicherheit. Der Aktienindex stürzte dramatisch ab, der australische Dollar fiel auf ein Fünfjahrestief. Verantwortlich dafür ist weniger die Politik im Inneren als vielmehr US-Präsident Donald Trump, der mit neuen Zollmaßnahmen die Weltwirtschaft erschüttert – und damit auch den Verbündeten Australien kurz vor der Wahl aufwühlt, obwohl dieser mit einem Zollsatz von zehn Prozent noch vergleichsweise glimpflich davonkam.

Trotzdem reagierte Premier Albanese ungewöhnlich scharf: Die Zölle seien „nicht die Tat eines Freundes“, sagte er. Oppositionsführer Dutton kommentierte, dass weder die US-Regierung noch der Präsident die spezielle Beziehung zu Australien „mit Respekt behandelt“ hätten. Außerdem stellte er offen die Führungsstärke Albaneses infrage. In einer ersten öffentlichen Debatte zwischen den Parteiführern am Dienstag sagte er, ein Politiker müsse sich „gegen Tyrannen und gegen diejenigen zur Wehr setzen, die uns Schaden zufügen wollen“.

Der „Trump-Faktor“ als Wahlkampf-Achse

Der Einfluss des US-Präsidenten ist allgegenwärtig. Wirtschaftlich setzt er alte Allianzen aufs Spiel, politisch beeinflusst er die Debatten am anderen Ende der Welt. Rebecca Strating, Direktorin von La Trobe Asia, bringt es auf den Punkt: „Wir sollten die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass Trump nicht viel über Australien nachdenkt – und genau das könnte unsere bilateralen Beziehungen langfristig prägen.“ Zur Verunsicherung in Australien trägt bei, dass auch China mit militärischen Übungen vor der australischen Küste zuletzt seine Muskeln spielen ließ. Die Entwicklungen lenken die Aufmerksamkeit auf Australiens geopolitische Gratwanderung zwischen den USA als militärischem Verbündeten und China als größtem Wirtschaftspartner – und auf die Frage, welche politische Führung diese Balance langfristig sichern kann.

Obwohl Akademiker wie australische Medien diese Punkte intensiv diskutieren, glauben politische Beobachter jedoch nicht, dass sie die anstehende Wahl wesentlich beeinflussen werden. „Außenpolitik verändert in diesem Land die Stimmabgabe nicht“, betont Mark Kenny, Direktor des Australian Studies Institute an der Australian National University in Canberra. Australien sei auch in einer völlig anderen Position als Kanada, obwohl er sehen könne, dass es künftig verstärkt eine Rolle spielen könnte, welcher der Parteivorsitzenden „mehr die Muskeln spielen lassen“ könne, wenn er sich für Australien einsetze.

Albanese setzt auf Sozialpolitik – Dutton auf Steuersenkungen

Im Wahlkampf selbst dominiert dann auch immer noch die Innenpolitik. Hier versucht Albanese mit konkreten Vorhaben zu punkten. Im Fokus stehen eine Zwei-Milliarden-Dollar-Investition (1,08 Milliarden Euro) in die Modernisierung eines Infrastrukturprojekts in Melbourne, ein Schuldenerlass für Studierende sowie eine Milliarde Dollar für psychische Gesundheit. Er setzt sich für die staatliche Krankenversicherung Medicare ein und pocht auf ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige.

Dutton kontert mit wirtschaftsfreundlichen Maßnahmen wie der Halbierung der Kraftstoffsteuer oder der Möglichkeit für kleine Unternehmen, Geschäftsessen steuerlich abzusetzen. Er plädiert für die Einführung von Atomenergie und will sieben Atomkraftwerke bauen. Geplante Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst hat er nach deutlicher öffentlicher Kritik wieder zurückgenommen, aber trotzdem eine Stelle angekündigt, die an Elon Musks Effizienz-Initiativen in den USA angelehnt ist. Seine zentrale Botschaft: Labor habe das Land wirtschaftlich in die Sackgasse geführt. Seine Partei wolle „Australien wieder auf Kurs bringen“.

Innenpolitische Zerreißprobe

Eine globale Krise, die tatsächlich direkten Einfluss auf das Wahlergebnis nehmen könnte, ist jedoch der Krieg in Gaza. Denn dieser hat die Wählerschaft der Labor-Partei gespalten. Sowohl muslimische als auch jüdische Gemeinschaften in Australien äußerten Kritik am Kurs der Regierung. In zahlreichen multikulturellen Wahlkreisen könnte sich dadurch das politische Kräfteverhältnis verschieben. In einigen Wahlkreisen treten sogar unabhängige muslimische Kandidaten an, die als Parlamentarier ihrer Stimme mehr Gewicht verleihen wollen. Insgesamt könnte die Zunahme von unabhängigen Parlamentarierinnen und Parlamentariern („Teal Independents“) – meist zentrumsnahe, klimabewusste Kandidatinnen und Kandidaten – zum Zünglein an der Waage werden. Dieser Trend könnte laut Wahlanalyst Ben Raue dazu führen, dass keine der großen Parteien bei dieser Wahl eine eigene Mehrheit erreichen wird, obwohl Labor derzeit in den Umfragen leicht in Führung gegangen ist. „Es besteht eine größere Wahrscheinlichkeit auf ein Patt im Parlament als in früheren Jahren“, sagt er.

Trotz wirtschaftlicher Sorgen und geopolitischer Spannungen sollte es Australien aber erneut gelingen, eine gemäßigte Regierung aufzustellen, sei sie eher rechts- oder eher linksorientiert. Extremere Parteien aus dem Links- oder Rechtsaußen-Spektrum spielen in Australien eine deutlich geringere Rolle als in vielen europäischen Ländern. Letzteres führen Wahlbeobachter in großen Teilen auf das Präferenzwahlsystem zurück, bei dem die Stimmen nach Präferenzen verteilt werden, sowie auf die Wahlpflicht des Landes. Eine Wahlpflicht zwinge die Politiker dazu, sich an die Mitte zu wenden, wo die überwiegende Mehrheit der Wähler angesiedelt sei, sagte der frühere australische Premierminister Scott Morrison einst. Sie sei wichtig, um „die Extreme sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite in Schach zu halten“.