Spione sind im Kino oftmals ganz entleerte Gestalten, sie besitzen kein psychologisches Profil, 007 ist ein Codename, keine wahre Identität. Spione haben kein „vitales“ Programm, kein Privatleben, keine emotionellen Beziehungen, keine romantischen Liebschaften. Der Mission, dem Vaterland gilt die absolute Treue, wird diese Grenze überschritten, ist die Katastrophe unabwendbar – davon erzählen Spionagefilme immer wieder in unterschiedlichen Facetten, der Regisseur Steven Soderbergh greift diese Leitlinie auf, versucht sie aber positiver aufzuladen.
Aus ebendiesem Spannungsverhältnis erwächst zunächst der ganze Konflikt in „Black Bag“: Im Mittelpunkt stehen George Woodhouse (Michael Fassbender) und seine geliebte Frau Kathryn (Cate Blanchett), beide sind anerkannte britische Geheimdienstagenten. Als Kathryn des Landesverrats verdächtigt wird, steht George vor der ultimativen Prüfung: Loyalität zu seiner Ehe oder zu seinem Land? In nur einer Woche soll George klären, wie es zum Leck in einem streng geheimen Softwareprogramm mit dem Codenamen „Severus“ kommen konnte. Neben einer Reihe von Verdächtigen rückt auch seine Frau immer mehr in den Fokus seiner Untersuchungen.
Katz-und-Maus-Spiel
Das klug konstruierte Drehbuch von Michael Koepp wartet mit all den Wendungen und Überraschungen auf, die für den Spionagethriller bedeutsam sind und ist weniger über die Action inszeniert, fernab der berühmten „James Bond“-Reihe. Pierce Brosnans Kurzauftritte als zwielichtiger Stieglitz sind in dieser Hinsicht vielsagend, er gibt hier einen routinierten, gealterten Agenten, der im Hintergrund die Geschicke zu leiten versucht, die gefährlichen Einsätze liegen hinter ihm. Viel eher also ist „Black Bag“ eine Art Katz-und-Maus-Spiel, das über die geschliffenen Dialoge konzipiert ist, im Stil von Agatha Christie.
Als George seine Verdächtigen einzeln aufspürt und besonders durch eine in den Müll geworfene Kinokarte beunruhigt wird, dass Kathryn ihm etwas verheimlicht, wird er auf die Probe gestellt: Sein Urteilsvermögen wirkt getrübt, seine Loyalität beeinträchtigt, immer geht es ihm um die Deutungshoheit, um die absolute Informationsgewinnung, die mit dem Privaten zu kollidieren scheint. Soderbergh inszeniert diese Geschichte um die Dilemmata eines Agentenpaars mit viel Gespür für Rhythmus: Ein jazzartiger Soundtrack treibt die vielen Ortswechsel, die Szenenübergänge an, die Achsensprünge und verkantete Einstellungen dominieren in den Gesprächen, die mehr spritzige Wortgefechte sind, mal werden sie über dem heimischen Esstisch ausgetragen, mal im Verhörzimmer. Michael Fassbender und Cate Blanchett spielen die Hauptrollen in diesem Thriller, beide spielen in der Zurückhaltung, überwiegend ohne Gefühlsregungen, mit klarer Determination zur Aufdeckung des Komplotts.
Anspielungen
Es ist die dritte Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur Steven Soderbergh und dem Drehbuchautor David Koepp nach „Kafka“ (1991) und „The Good German“ (2006), deren kreative Einfälle sich in „Black Bag“ mitunter ganz rasch vollziehen, etwa wenn George ein informelles Verhör in seinem heimischen Esszimmer organisiert. Im Handumdrehen wird der Film so zu einer boshaft-komischen Umsetzung, die an Edward Albees Theaterstück „Who is Afraid of Virginia Woolf?“ (1962) erinnert, tatsächlich gibt es sogar eine spitzfindige Anspielung auf den berühmten Satz aus diesem Vorbild. In seiner finalen Auflösung, der Entwirrung der doppelten Spiele, der Täuschungsmanöver wird diese Szene am Esstisch wieder gespiegelt, jedoch unter anderen Voraussetzungen. Es ist die überaus positive Aufladung, dass jede Ehe, auch die der Geheimdienstler in Extremsituationen, die im Gewerbe der Lüge und des Verrats operieren, bestehen kann, ist das Fundament des gegenseitigen Vertrauens nur stark genug.
De Maart
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