Am Mittwoch startete offiziell das Sommersemester an der Universität zu Köln. Einer der Erstsemestler ist Jan-Aaron Goergen, ein gehörloser Student aus Luxemburg. Seit zwei Jahren ist es sein Traum, Lehramt für Sonderpädagogische Förderung im Bachelor zu studieren, um späterhin als erster gehörloser Lehrer in Luxemburg zu arbeiten. Das Problem: Um an den Kursen teilnehmen zu können, braucht der 23-Jährige eigentlich zwei Schrift- und Gebärdendolmetscher, die für ihn das Hören übernehmen.
Jan-Aaron leidet seit seiner Geburt an einer sogenannten Mondini-Dysplasie, sprich einer Fehlbildung der Cochlea, also der „Hörschnecke“ im rechten Innenohr. Mit zwei Jahren erkrankte er zudem an einer Meningitis, die ihn komplett ertauben ließ. „Ich lese von den Lippen ab, dadurch verstehe ich aber nicht immer alles und mein Gehirn braucht viel Zeit, um die Informationen zu verarbeiten“, erklärt der Student. Jan-Aaron besitzt zwei Cochlea-Implantate, die ihm dabei helfen, gesprochene Sprache wenigstens ein Stück weit zu verstehen. Aufgrund seiner Erkrankung werden die Impulse von außen jedoch gestört, sodass er vor allem in lärmreichen Kontexten auf Hilfe angewiesen ist, sprich einen Dolmetscher.
Keine Kostenübernahme seitens des Ministeriums
Als Kind war der Luxemburger deshalb im „Centre de logopédie“ eingeschult, danach ging es für ihn nach Trier in eine Gehörlosenschule, in der er seinen Realschulabschluss absolvierte. Aufgrund seiner guten schulischen Leistung versuchte sich Jan-Aaron am Abi und meisterte dieses erfolgreich an einer Schule nahe Stuttgart – mit Dolmetscher. Die Kosten wurden damals von der „Commission nationale d’inclusion“ getragen, diese ist nach Abschluss der Sekundarschule jedoch nicht mehr für eine Finanzierung zuständig.
Da die Arbeit für Professionelle anspruchsvoll ist, wechseln sich in der Regel zwei Gebärdensprachdolmetscher ab: Jeder übernimmt 15 Minuten, dann wird gewechselt. Der Kostenpunkt liegt dabei bei 58 Euro pro Stunde, bei rund 750 Stunden pro Semester werden daraus also locker mal über 80.000 Euro Dolmetscher-Kosten pro Jahr – eine Sache der Unmöglichkeit für einen Studenten, der außer der normalen Studienbeihilfe keine finanzielle Unterstützung bezieht. Seit zwei Jahren kämpft Jan-Aaron nun schon für sich, aber auch für andere Gehörlose, die ihre schulische Ausbildung an einer Uni fortführen möchten, jedoch bislang ohne Erfolg. „Sowohl das Ministerium für Hochschulbildung als das Ministerium für Familie und Integration haben meine Anfrage für finanzielle Unterstützung abgelehnt, da diese nicht im Gesetz vorgesehen ist“, erklärt der 23-Jährige.
Ich will Lehrer werden, um ein Vorbild für andere Kinder zu sein, die ebenfalls gehörlos sind
Auf Nachfrage des Tageblatt bestätigt sich dieser Befund. Zwar hat Luxemburg bereits 2007 die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet und das entsprechende Gesetz 2011 angenommen, außer einem Zuschlag bestehend aus 1.000 Euro Stipendium und 1.000 Euro Darlehen für Studenten mit einer Behinderung sieht dieses allerdings keine weitere finanzielle Hilfe für Betroffene vor. Der Luxemburger Staat verpflichtet sich also einerseits, Studierenden mit Behinderung „angemessene Vorkehrungen“ etwa in Form technischer Hilfsmittel bereitzustellen, letztere beschränken sich allerdings auf Luxemburger Angebote. Wer also im Ausland studieren will, muss selbst für anfallende Kosten aufkommen.
Barrierefreiheit mit Barrieren
„Leider existieren im Allgemeinen hin und wieder, sowohl für Studenten mit oder ohne Behinderung, faktuelle Elemente, die es unmöglich machen, dass ein Student einen spezifischen Studiengang verfolgen kann […]. Man muss also klar sagen, dass die Studienbeihilfe sowie die oben genannten angemessenen Vorkehrungen Studenten immer nur unterstützen können, dies aber nicht bedeutet, dass dadurch jedem Student Zugang zu jedem Studiengang garantiert werden kann“, heißt es vonseiten des Ministeriums für Hochschulbildung.

Jan-Aaron empfindet diese Antwort als Ungerechtigkeit gegenüber Gehörlosen: „Wo bleibt die Inklusion?“ Seit 2018 ist die Gebärdensprache in Luxemburg offiziell anerkannt. Kinder und Jugendliche, die also eine Hörschädigung besitzen, haben Recht auf die schulische Begleitung durch einen Dolmetscher – nach Abschluss der Sekundarschule hört dieses Recht einfach auf. „Wir ermöglichen betroffenen Personen also einen barrierefreien Zugang zu Bildung bis zur Première und danach fallen sie unter keinen Zuständigkeitsbereich mehr und sind auf sich alleine gestellt“, lautet ebenfalls die Feststellung von Anja Sowa, Professorin für Logopädie im entsprechenden Kompetenzzentrum.
Es fehle an Übergangsmaßnahmen, so als habe der Staat den Inklusionsgedanken nicht bis zum Schluss gedacht. „Nicht jeder Studiengang wird hier an der Uni.lu angeboten, wir verschließen hörgeschädigten und gehörlosen Studenten also Türen für ihre Zukunft“, so die Professorin. Zwar sei das Gebärdensprache-Gesetz noch jung und bis auf Jan-Aaron kein anderer Fall in Luxemburg bekannt, dies bedeute jedoch nicht, dass die Kinder, die nun im Kompetenzzentrum zur Schule gehen, nicht auch in einigen Jahren studieren wollen. „Wir brauchen wenigstens Überlegungen dazu, wie wir Betroffenen helfen können, aber diese Hilfe auch umsetzbar ist“, betont Sowa.
Aufgeben ist keine Option
Zudem sei es wichtig, auch gehörlose Lehrkräfte einzustellen, denn als normal hörende Person könne man Gebärden nie so anwenden, wie ein Muttersprachler: „Wir haben die Sprache erst im Erwachsenenalter gelernt und benutzen sie weniger intuitiv, als jemand wie Jan-Aaron, dessen Erstsprache die Gebärdensprache ist.“ Dadurch, dass diese in Luxemburg erst vor knapp sieben Jahren anerkannt wurde – zum Vergleich: in Deutschland geschah dies bereits 2002 – gebe es hierzulande einen Rückstand, der nun aufgeholt werden muss.
Jan-Aaron steht jedenfalls am ersten Tag seines Studiums immer noch ohne Lösung da, will sich davon aber nicht entmutigen lassen. „Ich will Lehrer werden, um ein Vorbild für andere Kinder zu sein, die ebenfalls gehörlos sind. Viele wissen nicht, was sie alles schaffen können, da sie im Alltag immer wieder merken, dass ihr Leben beschränkt ist. Ich will beweisen, dass man mit Mut, Offenheit und Stärke auch als Gehörloser viele Chancen und Zukunftsmöglichkeiten hat, deshalb gebe ich nicht auf.“
@Araujo José
Nee hie muss keng 80.000e bezuele vir ze studéieren. Hien muss dat Geld bezuele vir eppes Bestëmmtes ze studéieren. Mee do ginn et 100nten Studiefächer wou ee muss extrem vill bezuele vir dat ze léieren.An déi Leit kréien och keng zousätzlech Hëllefe just wëll kee Geld do ass dat ze bezuelen. Frot eemol no wivill US Elite Universitéitsstudenten no hire Studie Scholden an 100.000nden héicht hunn
Inclusion does not mean that everybody can become what he wants, and the state has to pay for that.
Könnte man erfahren wie viele im selben Falle sind? Hatte ähnlich gelagerten Fall Ende der 60-ger. Wegen Mangel an Geld wurde nichts draus. Damals standen 20000 DM/Jahr im Raum. Man hatte uns vorgeschlagen einen Kredit aufzunehmen. Eltern wollten nicht.
Et ass schlëmm wann een vun esou engem Handicap betraff ass. Mä esou traureg wéi et och ass, muss een sech och bewosst sin, dass een net all Tätegkeet an Aarbecht kann ausüben. E Blannen kann och net Pilot gin, egal wéi héich seng Stipendien sin.
Also eng Persoun, déi Daaf ass, muss all Joer 80.000€ aus der eegener Täsch bezuelen, just fir iwwerhaapt kënnen ze studéieren – an weder de Staat nach d’Leit gesinn an, dass dat komplett ongerecht ass?! Dat ass wierklech traureg. Si hu schonn däitlech manner Chancen wéinst de finanzielle Schwieregkeete fir en Dolmetscher ze bezuelen, an nach ëmmer ginn se net als Deel vun eiser Gesellschaft ugekënnt.
80 000€ ass awer och keen Pappestill !!