Sonntag21. Dezember 2025

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Forum von Mandy MinellaBewegung statt Bildschirm: Brauchen unsere Grundschulkinder neue Schulzeiten?

Forum von Mandy Minella / Bewegung statt Bildschirm: Brauchen unsere Grundschulkinder neue Schulzeiten?
 Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

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Bewegung statt Bildschirm: Brauchen unsere Grundschulkinder neue Schulzeiten? Die Zahlen sind besorgniserregend: Fast jeder fünfte Jugendliche (zwischen 11 und 18 Jahren) in Luxemburg hatte 2011 erhebliches, krank machendes Übergewicht. Sollten wir unsern Lebensstil nicht ändern, prognostiziert die WHO uns bis 2050 eine Bevölkerung, die bis zur Hälfte übergewichtig sein wird. Das bedeutet nicht nur gesundheitliche Probleme wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch enorme Kosten für unser Gesundheitssystem. Vor einigen Wochen bin ich in meiner parlamentarischen Interpellation über außerschulische Aktivitäten in der Grundschule auf dieses Phänomen eingegangen – und ich denke, wir sind uns einig, dass unsere Kinder dringend mehr Bewegung benötigen.

Mandy Minella ist DP-Abgeordnete und ehemalige Profi-Tennisspielerin
Mandy Minella ist DP-Abgeordnete und ehemalige Profi-Tennisspielerin Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Warum bewegen sich unsere Kinder so wenig? Ein Grund ist offensichtlich: Sie verbringen zu viel Zeit vor Bildschirmen und haben zu wenig Möglichkeiten, sich richtig auszupowern. Deshalb unterstütze ich die „Screen-Life-Balance“-Initiative des Unterrichtsministeriums sowie das Handyverbot in Grundschulen und Tagesstätten („Maisons relais“). Denn echte soziale Interaktionen und der emotionale Austausch von Mensch zu Mensch sind für Kinder und Jugendliche unverzichtbar. Sie müssen lernen, sich auszutauschen, Konflikte zu lösen und ihre Grenzen auszuloten. Dazu benötigen sie weniger Touchscreen, sondern mehr gemeinsamen Sport und Bewegung.

Schulzeiten aus den 60ern – noch zeitgemäß?

Ein Blick auf den Alltag unserer Grundschulkinder zeigt schnell: Zeit für Sport und Bewegung bleibt kaum. Montags, mittwochs und freitags sind die Kinder oft bis 16.00 Uhr in der Schule. Anschließend sind sie erschöpft, müssen Hausaufgaben machen, schnell mit der Familie essen und früh ins Bett – am nächsten Morgen geht’s wieder in die Schule. In den kalten und dunklen Wintermonaten ist es dann besonders schwer, sich nach einem langen Schultag noch für außerschulischen Sport zu motivieren. Dienstags und donnerstags hingegen endet der Unterricht oft schon um 11.45 Uhr. Klingt verlockend?

Nicht wirklich! Denn wie viele Eltern schaffen es schon, ihre Kinder um diese Zeit abzuholen, selbst für jene, die in Teilzeit arbeiten. Die freien Nachmittage sind meistens gut gefüllt. Für die Kinder heißt das, dass sie alle Aktivitäten, Arzttermine, Musikstunden, Pfadfinder, Sport und Geburtstagsfeiern in diese Stunden reinquetschen müssen. Viel Spielraum bleibt da nicht, um Hobbys auszuprobieren und herauszufinden, was ihnen am besten gefällt.

Die aktuellen Schulzeiten stammen übrigens aus dem Jahr 1968. Bei meinen Unterredungen mit Lehrergewerkschaften, Elternvertretern, „Maison relais“, Direktoren, Lasep und Stiftungen aus dem Bildungsbereich konnte mir niemand erklären, welche Vorteile dieses Modell heute noch hat. Unser Leben hat sich in nahezu 60 Jahren drastisch verändert – nur die Schulzeiten nicht. Und da stellt sich die Frage, ob sie wirklich noch zeitgemäß sind.

Ein geregelter Tagesrhythmus – eine Win-win-Situation für alle

Mein Vorschlag: Warum nicht einen täglichen Unterricht von 8.00 bis 14.30 Uhr einführen? Die Wochenstundenzahl würde sich damit nicht verändern, die Schulstunden wären hingegen gleichmäßig über die Woche verteilt. Die Kinder hätten jeden Nachmittag Zeit, sich zu bewegen, Hobbys nachzugehen oder einfach mit der Familie zusammen zu sein. Dies würde mehr Ruhe und Ausgeglichenheit in den Alltag bringen – und für die Eltern eine bessere Planbarkeit. Zudem könnten die Vereine ihre Trainingseinheiten gleichmäßiger verteilen und so dem großen Ansturm an den Nachmittagen entgehen. Nebenbei wären die Einrichtungen für Sport, Musik und Kunst gleichmäßiger ausgelastet.

Für die Kinder in den Tagesstätten wäre ein ausgeglichener Stundenplan ebenfalls von Vorteil. Dort könnten gezielte Konzepte und Aktivitäten ausgearbeitet und umgesetzt werden, um die tägliche Stunde Bewegung, die das Ministerium angekündigt hat, sinnvoll umzusetzen. So könnte diese politische Vorgabe endlich in die Praxis umgesetzt werden.

Mehr als nur Bewegung – Sport als Lebensschule

Ich habe mich während meiner Sportlerkarriere weltweit mit Menschen über Bewegung im Alltag ausgetauscht. Dabei hat sich immer wieder bestätigt, dass Bewegung ein entscheidender Bestandteil eines gesunden und ausgeglichenen Lebens ist.

Sport ist aber weit mehr als nur körperliche Betätigung. Sport lehrt die Kinder Teamgeist, Disziplin, den Umgang mit Druck und Konflikten. Die Kinder erfahren, wie es ist, Erfolge zu feiern und Niederlagen zu verarbeiten – und das unabhängig von Herkunft und Sprache.

Doch wie sollen Kinder das alles lernen, wenn sie kaum Zeit für Sport haben? Der starre Stundenplan in den Schulen lässt oft nicht mehr als ein Hobby zu. Ein geregelter Tagesablauf mit gleichmäßig über die Woche verteilten Schulzeiten könnte aber genau das ermöglichen – und würde auch das Vereinsleben stärken. Denn wenn Kinder mehr Zeit für Sport haben, gibt es auch mehr Nachwuchs für Vereine und damit mehr Engagement im Ehrenamt.

Zeit für ein Umdenken!

Deshalb rufe ich die Gemeinden dazu auf, über ausgeglichenere Schulzeiten in der Grundschule nachzudenken. Warum nicht Pilotprojekte starten und die Eltern und das Lehrpersonal dabei mit einbinden? Die kommunale Autonomie erlaubt es jeder Gemeinde, eigene Schulzeiten festzulegen – warum also nicht mutig neue Wege beschreiten? Ich bin der festen Überzeugung, dass alle davon profitieren würden: die Kinder, die Eltern, die Lehrkräfte und die Vereine!

Unsere Kinder müssen keine Profisportler werden, aber sie sollten die Zeit und die Möglichkeit haben, ihrem natürlichen Bewegungsdrang nachzugehen. Ein vollgestopfter Alltag mit Smartphone und Touchscreen wird noch früh genug auf sie zukommen – lassen wir sie vorher einfach Kind sein.