Tageblatt: 26 Jahre ist es her, dass Sie Luxemburg in Richtung Norwegen verlassen haben. Seit Ihrer Unterschrift beim Progrès Niederkorn wohnen Sie jetzt wieder hierzulande. Wie sind die ersten Eindrücke?
Lars Gerson: Das Wetter ist schon sehr angenehm, das gefällt mir sehr gut. In Norwegen müsste ich jetzt noch mit dicken Schuhen herumlaufen und könnte nicht in kurzen Hosen trainieren. Luxemburg und seine schönen Seiten entdecke ich neu für mich. Als ich nach Norwegen gezogen bin, war ich neun Jahre alt. Wir haben in Peppingen gewohnt und meine Großmutter in Rümelingen. Die Erinnerungen an diese Zeit sind teilweise verblasst. Als Nationalspieler habe ich vor allem den Flughafen, das Hotel, das Stadion und das Trainingsgelände gesehen. Wirklich Zeit, um mich mit dem Land zu beschäftigen, hatte ich eigentlich nie. Jetzt kann ich all die Orte besuchen, die ich nur von Instagram kannte. Das macht schon Spaß. Derzeit wohne ich noch bei meinem Vater in der Nähe von Longwy, aber schon bald werde ich dann endgültig nach Luxemburg ziehen.
Die BGL Ligue ist auch eine neue Meisterschaft für Sie. Wie fällt Ihre erste Meinung aus?
Das erste Spiel gegen Differdingen kam vielleicht etwas zu früh für mich, aber ich konnte sehen, dass dieser Gegner sehr viel Qualität besitzt und gute Arbeit in den vergangenen Jahren geleistet hat. Ich unterschätze das Niveau hier keinesfalls. Es gibt eine ganze Reihe guter Spieler. Die europäischen Plätze zu erreichen, wird nicht einfach für uns. Ich freue mich auf die Zukunft. Die Richtung des Projekts ist gut, jetzt müssen wir dies noch auf dem Platz umgesetzt bekommen.
Für die Länderspiele gegen Schweden und die Schweiz wurden Sie nachnominiert, nachdem Vahid Selimovic verletzt passen musste. Wird das Erreichen der 100 Länderspiele (aktuell 97) ein hartes Stück Arbeit?
Einfach wird es mit Sicherheit nicht. Ich versuche, alles zu geben, damit ich eine Option bleibe, der Mannschaft weiterhelfen kann und diese Marke erreichen kann. Ich bin froh, wieder dabei zu sein. Besonders interessant ist es für mich, die beiden jungen Spieler Enzo Duarte und Brian Madjo zu sehen. Beide sind hochgradig talentiert und es macht mir Spaß, zwei 16-Jährige zu sehen, die auf dem Weg in den Profibereich sind.
Mit Ihren 35 Jahren sind Sie mittlerweile der älteste Nationalspieler. Haben Sie das Gefühl, dass die Zeit sehr schnell vergangen ist?
Ich hatte die Chance, diese riesige Entwicklung der vergangenen Jahre mitzuerleben. Als ich anfing, waren nur Mario Mutsch, Jeff Strasser und ich Profis. Heute bin ich der einzige Spieler, der in Luxemburg unter Vertrag steht. Die Zeit ist schon sehr schnell vergangen. Damals haben wir gespielt, um nicht zu hoch zu verlieren, heute spielen wir guten Fußball und haben dazu noch Erfolg. Die Spieler sind besser geworden und der Trainerstab und das Drumherum sind professioneller geworden.
Am Samstag treffen Sie mit der FLF-Auswahl auf Schweden. Ist die 0:8-Niederlage aus dem Jahr 2017 noch ein Thema?
Ich denke nicht. Glücklicherweise stand ich damals nicht auf dem Platz. Ich hatte mich verletzt, habe mir die Partie aber in Solna angesehen. Beim Stand von 0:6 habe ich das Stadion verlassen. Nicht weil ich meine Kollegen nicht unterstützen wollte, sondern weil ich nicht in den Stau kommen wollte. Da es eh nicht vorgesehen war, nach dem Spiel in die Kabine zu gehen, war bestimmt keiner mir böse, dass ich die letzten zwei Gegentore nicht live gesehen habe. Damals hat alles für Schweden geklappt und bei uns lief alles schief. Auch deshalb müssen wir am Samstag eine Art Revanche nehmen. Die Tage nach dieser Niederlage waren nicht schön. Ich musste bei meinem damaligen Verein GIF Sundsvall so einiges an Spott ertragen.
Vom Potenzial her kann es eine außergewöhnlich gute und erfolgreiche Generation werden
In Ihrer 17-jährigen Nationalmannschaftskarriere haben Sie kurioserweise nie gegen Norwegen oder Schweden gespielt. Ist es ein besonderer Moment, jetzt endlich gegen Ihre alte Wahlheimat antreten zu dürfen?
In all den Jahren habe ich gehofft, entweder gegen Norwegen oder Schweden antreten zu können. Als es dann so weit war, habe ich mir eine Verletzung zugezogen und deshalb die beiden Duelle in der WM-Quali 2017 gegen Schweden verpasst. Deshalb freut es mich umso mehr, bei diesem Testspiel dabei sein zu dürfen. Es gibt so einige Spieler, mit denen ich in meiner Laufbahn zu tun hatte. Ken Sema war zu meiner Zeit in Norrköping noch jung und konnte sich nicht durchsetzen. Später ist er dann explodiert und hat den Sprung nach England und Italien geschafft. Den Torwart- und den Mentaltrainer der schwedischen Nationalmannschaft kenne ich auch noch aus meiner Zeit bei Norrköping. Ich werde am Samstag mit Sicherheit vielen bekannten Gesichtern begegnen.
Ihre Frau kommt aus Schweden, Ihre beiden Töchter haben die schwedische und norwegische Staatsangehörigkeit. Wem drückt die Gerson-Familie am Samstagabend die Daumen?
Ich denke, ich habe sehr gute Chancen, dass sie mir die Daumen drücken. Meine Frau hat ja italienische Wurzeln und ist deshalb keine so große Schweden-Fanatikerin.
Mit Topstürmer Viktor Gyökeres und Offensivkraft Dejan Kulusevski fallen zwei Hochkaräter bei Schweden aus. Macht das einen Unterschied?
Ich hoffe es. Neben Alexander Isak sind diese beiden Spieler die Topstars der Mannschaft. Schweden ist noch nicht auf dem Level wie andere Nationen und kann nicht einfach mal ihre besten Leute eins zu eins ersetzen. Auch Frankfurts Mittelfeldspieler Hugo Larsson wird ausfallen und Trainer Jon Dahl Tomasson will wahrscheinlich einige jüngere Spieler testen. Aber es gibt noch eine ganze Reihe anderer Spieler, die in Europa bei Spitzenvereinen unter Vertrag stehen. Lucas Bergvall hat sich zum Beispiel bei Tottenham Hotspurs auf Anhieb durchgesetzt. Uns erwartet ein sehr schwerer Gegner.
Viel wird am Samstag auf das luxemburgische Mittelfeld ankommen. Haben Sie den Eindruck, dass vor allem Leandro Barreiro und Christopher Martins noch einen Schritt nach vorne gemacht haben?
Es wird ein Match im Match. Schweden hat ein starkes Mittelfeld und bei uns ist die Zentrale der am besten besetzte Teil der Mannschaft. Es wird interessant zu sehen, wie Leo (Barreiro), Kiki (Martins) und Mathias Olesen sich gegen Schweden schlagen werden. Obwohl ich im Trainingslager erst einmal mit ihnen trainiert habe, kann ich sagen, dass alle diese Spieler sich eigentlich in jedem Jahr gesteigert haben. Leo spielt mittlerweile Champions League und Kiki hat das Toreschießen für sich entdeckt.
Ist die aktuelle Generation der „Tre Kronor“ eine der stärksten der vergangenen Jahre?
Sie müssen sich bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft beweisen. Diese Möglichkeit hatten sie bisher noch nicht. Vom Potenzial her kann es aber eine außergewöhnlich gute und erfolgreiche Generation werden. Isak und Gyökeres gehören derzeit zu den besten Stürmern Europas. Bergvall und Larsson sind große Talente, die sich bereits auf höchstem Niveau durchgesetzt haben.
Bis 2023 war Ihr ehemaliger Trainer Janne Andersson Auswahltrainer der Schweden. Was hat sich unter seinem Nachfolger Jon Dahl Tomasson verändert?
Unter Janne Andersson war alles etwas konservativer. Er hat fast immer auf ein 4-4-2-System gesetzt. Das war eine Zeit lang aber auch sehr erfolgreich. Danach wurde es vielen jedoch zu langweilig. Die neue Generation an schwedischen Spielern brauchte etwas Neues. Seit Jon Dahl Tomasson die Mannschaft übernommen hat, wird offensiver und intensiver gespielt. Er setzt auf hohes Pressing und schnelle Spieler. Dies wird uns mit Sicherheit Probleme bereiten.
Der Däne ist der erste Nationaltrainer, der nicht aus Schweden stammt. Wie wird das in Ihrer ehemaligen Wahlheimat wahrgenommen?
Er hat frischen Wind reingebracht, gibt den jungen Spielern eine Chance und hat auch Erfolg. Tomasson traut sich was und scheut sich nicht davor, auch mal erfahrenere Spieler zu Hause zu lassen. Während seiner Zeit als Trainer von Malmö hat er sich einen Namen gemacht. Ich finde es allerdings schade, dass er seine Pressekonferenzen weiter auf Englisch abhält. Als Däne kann man schwedisch eigentlich relativ schnell lernen. Aber so lange er Erfolg hat, wird sich keiner darüber beschweren.
Die Testspiele jetzt im März und im Juni gegen Slowenien und die Schweiz gelten als Vorbereitung auf die anstehende WM-Qualifikation. Wollen Sie diese noch in Angriff nehmen?
Das muss man sehen. Aktuell denke ich in kleinen Etappen. Das hilft mir auch persönlich, um mich bestmöglich vorzubereiten. Momentan versuche ich, in Niederkorn Fuß zu fassen und fit zu bleiben. Für mich wird es weiterhin eine Freude sein, Teil der Nationalmannschaft zu sein. Im kommenden Herbst wird man dann sehen, ob der Trainer mich noch braucht.
Steckbrief
Vollständiger Name: Lars Christian Krogh Gerson
Geboren am 5. Februar 1990
Position: Innenverteidiger
Bisherige Vereine: SC Bettemburg, Kongsvinger IL (NOR), IFK Norrköping, GIF Sundsvall, IFK Norrköping (beide SWE), Racing Santander (ESP), Brann Bergen, Kongsvinger IL (beide NOR), Progrès Niederkorn (seit Januar 2025)
Länderspiele: 97 A-Länderspiele für Luxemburg (4 Tore), Debüt 2008 gegen Wales
De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können