Sonntag21. Dezember 2025

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Forum von Robert GoebbelsKlinisch tote NATO, zu erpressbare EU: Zur Selbstbehauptung benötigen die Europäer eine Koalition der Willigen

Forum von Robert Goebbels / Klinisch tote NATO, zu erpressbare EU: Zur Selbstbehauptung benötigen die Europäer eine Koalition der Willigen
  Foto: AFP/Mandel Ngan

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Die Welt steht kopf und die Europäer erschauern in Selbstzweifeln. Der erneute US-Präsident Donald Trump erschüttert alte Gewissheiten. Erpresst seine „Freunde“ und huldigt seinen „Feinden“. In einer medialen Show im „Oval Office“, in Präsenz von NATO-Generalsekretär Mark Rutte, schilderte der selbstverliebte Egoman seine guten Beziehungen zu Russlands Putin, Chinas Xi und Nordkoreas Kim. Anscheinend in Trumps Augen keine „Diktatoren“. Im Gegensatz zum ukrainischen Präsidenten Selenskyj.

Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter
Robert Goebbels ist ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Der theoretische NATO-Chef Rutte duckte sich devot und schwieg arschkriecherisch, während Trump ungeniert seine Annexionspläne von Grönland erklärte. Immerhin völkerrechtlich dem NATO-Mitglied Dänemark zugehörend. Die USA, so Trump, unterhalten Militär-Basen auf Grönland. Könnten dort ihre militärische Präsenz schnell verstärken. Die Vereinnahmung von Grönland sei im Interesse der Verteidigung des freien Westens gegen die zunehmenden Aktivitäten von russischen Eisbrechern und chinesischen Handelsschiffen um den Nordpol.

Was auch den verstärkten Druck Trumps auf Kanada erklärt, geträumter zukünftiger „51. Bundesstaat“ der USA, die – in Selbstüberschätzung – „indispensable nation“. Welche angeblich allein weltweit für „Recht und Ordnung“ sorgt.

Weshalb aus Gaza und aus West-Jordan die Palästinenser zu verschwinden haben. Derweilen Gaza zur neuen „Atlantic City“ des früheren Casino-Moguls umgestaltet werden soll, übernehmen Trumps Oligarchen die „Reconquista“ des Panamakanals. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat eine US-Finanzgruppe bereits zwei Häfen gekauft, die an beiden Enden des Panamakanals liegen. Diesen somit kontrollieren. Trump, der Friedensfürst, muss keine Soldaten schicken. Mit genügend Dollar kann man ganze Länder kaufen.

Nach dem Überfall Putins auf die Ukraine sprach Bundeskanzler Olaf Scholz von einer „Zeitenwende“. Nunmehr vertieft durch die Zickzack-Politik Trumps um die gleiche Ukraine. Sowie durch die Abkehr der USA des Donald Trumps von ihren NATO-Verpflichtungen. Die europäischen „Verbündeten“ sollen bloß immer mehr Geld in ihre (Selbst)-Verteidigung investieren. Durch den Kauf von amerikanischem Kriegsmaterial. Immerhin heute schon über 60% aller Rüstungsausgaben der Europäer.

Bundeskanzler in spe Friedrich Merz schlussfolgerte, die NATO könne in ihrer derzeitigen Form nicht weiter bestehen. Die Europäer müssten ihre eigene Verteidigung organisieren. Donald Tusk, polnischer Ministerpräsident, ist noch deutlicher: „Ich weiß, es klingt niederschmetternd, vor allem für die jüngere Generation, aber wir müssen uns daran gewöhnen, dass eine neue Ära begonnen hat: die Vorkriegszeit!“

Die Illusion der Sicherheit

Die NATO wurde am 4. April 1949 in Washington gegründet als „Werte-Gemeinschaft“ zur „kollektiven Selbstverteidigung“ der zwölf Gründerstaaten. Das Verteidigungsbündnis war gegen Stalins Sowjetunion gerichtet, dem vormaligen „Alliierten“ gegen Hitler-Deutschland. Stalin hatte hinter dem von Churchill ausgemachten „Eisernen Vorhang“ in Osteuropa immer mehr kommunistische Vasallen-Staaten eingerichtet. Die sich 1955 im Warschauer Pakt als Gegenbündnis zur NATO zusammenschlossen.

Artikel 5 des NATO-Vertrags gilt als „Bündnisgarantie“. Im Falle eines „bewaffneten Angriffes“ auf einen oder mehrere der derzeit 32 Mitgliedsstaaten des Nordatlantik-Paktes fände ein „Angriff auf alle“ statt, der zu einer gemeinsamen Verteidigung führte.

In Wirklichkeit ist keine Automatizität garantiert. Während der Jahrzehnte des „Kalten Krieges“ wähnten sich die Westeuropäer unter dem Schutz des nuklearen Schirmes der USA. Im Falle eines Angriffes der Sowjetunion und ihrer Verbündeten sollten die „Amis“ notfalls die Gegenseite mit ihrer nuklearen Übermacht vernichten.

Solange die USA das Monopol der Atombombe besaßen, deren zerstörerische Kraft in Hiroshima und Nagasaki zur Kapitulation Japans führte, war die NATO-Doktrin sehr simpel: Bei einem Angriffskrieg der Sowjets sei eine „massive retaliation“ fällig, eine atomare Ausradierung des Gegners.

Doch das Monopol der Amerikaner war nicht von Dauer. Am 29. August 1949 zündete die Sowjetunion in einer entlegenen Steppe Kasachstans ihre erste Atombombe. Der atomare Wettlauf begann. 1950 verfügten die USA über 370 Atombomben, die UdSSR über fünf Bomben. 1990 war der „Overkill“ garantiert, mit über 21.000 Nuklear-Geschossen der Amerikaner und über 33.000 der Russen. Zusätzlich waren nach Großbritannien und Frankreich noch andere Atom-Mächte angetreten, darunter China, Indien, Pakistan, Nordkorea, Südafrika und Israel. Südafrika ist bis heute das einzige Land, das nach Ende der Apartheid und dem Amtsantritt von Nelson Mandela auf Atomwaffen verzichtete.

„Mutual Assured Destruction“

In dem Maße, wie sich ein „Gleichgewicht des Schreckens“ einpendelte, wandelte sich die Doktrin der „massiven Vergeltung“ der NATO. Zuerst galt die „gegenseitig versicherte Zerstörung“, mit dem Kürzel „mad“ („verrückt“), ein endzeitlicher atomarer Schlagabtausch zwischen Ost und West. Danach setzten die maßgebenden US-Strategen in der NATO eine „flexible Antwort“ durch, ergänzt durch „forward defense“, eine Vorwärts-Verteidigung, die einen Angriffskrieg nicht ausschloss.

Der Wissenschaftler an der Universität Regensburg, Jonas Tögel, belegt in seinem Buch „Kriegsspiele“, wie die NATO während Jahrzehnten Manöver durchführte, um den Einfall des ungenannten Gegners (die „rote Gefahr“) notfalls mit atomaren Schlägen zu kontern. Die „tödlichen Planspiele“ der NATO unter den schönen Code-Namen wie „Wintex“ oder „Able Archer“ übten nicht allein „fähiges Bogenschießen“, sondern regelmäßig den Einsatz von Atomwaffen.

Von den europäischen NATO-Mitgliedern verschwiegen und verdrängt, beschränkte sich die „flexible response“ der US-Planung auf den Abwurf von Atombomben auf die vordringenden Truppen des Warschauer Paktes in Mitteleuropa, von Rumänien über Bulgarien bis nach Polen, wobei weder die DDR noch die Bundesrepublik oder der Benelux verschont geblieben wären. Maggy Thatcher meinte dazu bissig, die Deutschen sollten sich an diesen Gedanken gewöhnen, hätten sie doch den letzten Krieg verloren … Eine Konstante der Planspiele war, dass die USA direkte atomare Schläge gegen die Sowjetunion vermeiden wollten, mit der Hoffnung dem amerikanischen Territorium Gegenschläge zu ersparen. Das atomare Schlachtfeld sollte auf Mitteleuropa begrenzt bleiben.

Ende des „Schutzschildes“

An dieser, aus amerikanischer Sicht nachfolgbaren Grundhaltung der US-Präsidenten hat sich nichts geändert. Bloß dass Trump mit der ihm eigenen Brutalität das „atomare Schutzschild“ über Europa unverblümt abräumt.

Die Europäer müssen ihre NATO-Illusionen begraben. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR und des Warschauer Paktes, dessen ehemalige Mitglieder fast alle in die NATO eintraten, genossen die Europäer die „Friedensdividende“. Sie investierten immer weniger in ihre bloß noch zum Paradieren geeigneten „Streitkräfte“. Ein militärisches Zusammenrücken der Europäer, inklusive Großbritanniens, ist deshalb grundsätzlich erfordert.

Dennoch ist die derzeitige Panikmache unangebracht. Gewiss, Putin träumt vom Wiederherstellen des russischen Imperiums. Mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine erfolgte ein bleibender Bruch für die Sicherheit und Zusammenarbeit auf dem europäischen Kontinent. Doch gerade der Krieg in der Ukraine belegt, dass die russische Föderation militärisch nicht so machtvoll ist, wie manche westliche „Strategen“ befürchten. Zehn Jahre Bürgerkrieg im Donbass, drei Jahre Kriegshandlungen zwischen „Goliath“ Russland und „David“ Ukraine belegen eigentlich die Schwächen der russischen Militärmacht. Die bevölkerungsmäßig viel kleinere Ukraine, nur zögerlich vom Westen mit Waffen versorgt, vereitelte einen schnellen Sieg des großen Russlands. Erzielte erfolgreiche Gegenschläge gegen die russische Armee und Marine und trug den Krieg auf russisches Territorium.

Putin wird auf Trumps „Friedens“-Vorschläge eingehen, zumal der „Dealmaker“ im Weißen Haus den Russen vorab einen Halbsieg garantierte: territoriale Gewinne auf Kosten der Ukraine sowie die Verwehrung einer NATO-Mitgliedschaft. Die EU darf in der Sicht von Trump und Putin die Ukraine zwar aufnehmen, soll aber so oder so für den Wiederaufbau des geschundenen Landes zahlen!

Wie Europa finanziell alles stemmen soll, bleibt ein Rätsel: Aufrüstung, Modernisierung seiner Wirtschaft, Digitalisierung, KI-sierung, Energietransition, Umwelt- und Klimaschutz, dazu Wiederaufbau der Ukraine, womöglich auch von Gaza, sowie selbstredend mehr Entwicklungshilfe für den Rest der Welt, von Trumps USA nicht mehr versorgt.

Die Europäer müssen sich neu erfinden. Die europäischen Institutionen sind zu anfällig für individuelle Erpressungen à la Orban oder Meloni. Wir benötigen jetzt eine Koalition der Willigen, ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten und Geometrien.

fraulein smilla
17. März 2025 - 15.48

Koalition der Willigen ( Coalation of the Willing ) kommt einem ja irgendwie bekannt vor . Die Koalition die 2003 die USA bei ihrem voelkerrechtswidrigen Angriff auf den Irak ( Die Achse des Boesen ) unterstuetzte .

Lucilinburhuc
17. März 2025 - 13.19

Die NATO wurde am 4. April 1949 in Washington gegründet als „Werte-Gemeinschaft“ und verkam in 2025 unter dem Druck von Trump lediglich als Schwerte-Gemeinschaft.

Jean Claude
17. März 2025 - 11.16

Den Trump mecht waat hien well. An daat ouni Rücksicht a Verloschter!

JJ
17. März 2025 - 9.43

Hätte Deutschland seit 20 Jahren einen Macron und eben keine Merkel und keinen Scholz,die mit "Besonnenheit" den Russen den Hintern geküsst haben,dann stünde Europa anders da. Sogar die Briten sind innerhalb von zwei Wochen keine Atom-Macht mehr wenn sie keine Unterstützung aus den USA mehr bekämen. So sitzen wir zwischen zwei Stühlen und die sind marode.

Luxmann
17. März 2025 - 7.40

Eine grosse zeitenwende sehe ich allerdings nicht wirklich.
Wie seit jahrhunderten versuchen grosse maechte ihre imperialistische politik auf dem globus durchzusetzen.
Das neue ist hoechstens dass China nun vorne mitmischt und die frueheren maechte in europa nicht mehr. Was allerdings schon seit 1960 und dem ende der kolonialzeit der fall ist
Eine militaerisch starke EU wird es nicht geben und deshalb sollte diese auch versuchen sich friedlich mit den grossen maechten zu arrangieren, anstatt sinnlos vermoegen in waffenkaeufe zu investieren,welche in die kasse der USA fliessen