Die Hoffnung stirbt zuletzt: Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat den Einzug in den Bundestag bei der Wahl im Februar knapp verpasst. Jetzt hat sich die BSW-Parteigründerin und Namensgeberin Sahra Wagenknecht an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gewendet, um eine neue Auszählung der Wählerstimmen zu erreichen: Die Verfassungsbeschwerde mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde von Einzelpersonen beantragt, nicht von der Partei. So klagten neben Wagenknecht und der Ko-Vorsitzenden Amira Mohamed Ali zunächst noch zwei Mitglieder und zwei Wähler des BSW.
Um wie viele Stimmen geht es? Dem vorläufigen Endergebnis der Bundestagswahl zufolge kam die Partei am 23. Februar bundesweit auf rund 4,972 Prozent der Zweitstimmen. Nach BSW-Angaben fehlen etwa 13.400 Stimmen. Spitzenleute der Partei forschten selbst nach und stellten fest, dass einige Stimmen falsch zugeordnet wurden.
Steffen Schumann, Mitglied im BSW-Parteivorstand aus Oldenburg, ist einer von ihnen. Er sagte dem Tageblatt: „Nahezu überall, wo wir Fehler bei der Auszählung und Übertragung festgestellt haben, waren die zulasten des BSW.“ Es gebe eine Vielzahl an Unregelmäßigkeiten. Aktuell lasse sich daher nicht seriös sagen, ob das BSW wirklich weniger als fünf Prozent bekommen habe. „Nur eine komplette bundesweite Neuauszählung kann das ermitteln.“
Gleichzeitig betonte der Politiker: „Wir haben flächendeckend die Kreiswahlausschüsse und die Landeswahlleiter um Überprüfung und Nachzählung gebeten, aber unsere Hinweise wurden vielfach abgeschmettert.“ Einige Bundesländer, etwa Bayern und Sachsen, hätten noch nicht einmal die vorläufigen Ergebnisse der einzelnen Wahllokale aggregiert zur Verfügung gestellt. „Das ist intransparent. Jeder Bürger muss doch die Möglichkeit haben, die Ergebnisse im Wahllokal vor Ort nachverfolgen zu können.“
Endergebnis am Freitag
Zuletzt kam das BSW bei der abschließenden Auszählung der Zweitstimmen für Nordrhein-Westfalen durch den Landeswahlausschuss auf zusätzliche 1.295 Zweitstimmen, wie die Landeswahlleiterin bekannt gab. Als Grund für die abweichende Zahl wurden unter anderem Zuordnungsfehler zu der ähnlich klingenden Partei „Bündnis Deutschland“ genannt.
Wir klagen jetzt, weil es schnell Klarheit braucht, ob das BSW nun fünf Prozent hat oder nicht
Ob nun tatsächlich noch weitere, mehr als zehntausend Stimmen für das BSW gefunden werden, ist fraglich. „Wir klagen jetzt, weil es schnell Klarheit braucht, ob das BSW nun fünf Prozent hat oder nicht“, sagte Schumann. „Es wäre ein Schaden für die Demokratie von historischem Ausmaß, wenn man eine Partei, die real die Fünf-Prozent-Hürde geknackt hat, nicht in den Bundestag lassen würde.“
Zieht die Anfang 2024 gegründete Wagenknecht-Partei am Ende doch noch in den Bundestag ein, könnte das auch Auswirkungen auf die Mehrheitsverhältnisse haben: Eine Zweier-Koalition von Union und SPD käme dann womöglich nicht mehr auf eine Mehrheit. Das amtliche Endergebnis soll an diesem Freitag vom Bundeswahlausschuss festgestellt werden. „Das vorläufige Wahlergebnis basiert auf den Schnellmeldungen, die am Wahlabend und in der Wahlnacht direkt nach den Auszählungen übermittelt werden“, teilte die Bundeswahlleiterin auf Anfrage des Tageblatt mit. Das endgültige Ergebnis werde anhand der Niederschriften der Wahlorgane festgestellt, die auch Überprüfungen und Nachzählungen umfassten. „Abweichungen zwischen dem vorläufigen und dem endgültigen Ergebnis sind daher normal.“
Parteiinterner Knatsch
Auch parteiintern sorgt derweil das schlechte Wahlergebnis beim BSW für Knatsch. So hatte Wagenknecht die Regierungsbeteiligung in Thüringen und Brandenburg mit dem Rückgang der Zustimmung für das BSW in Zusammenhang gebracht. Vor einigen Tagen warnte dann der Thüringer Landesvorsitzende Steffen Schütz vor einem Zerbrechen der Koalition in Erfurt. „Es gibt Bestrebungen in der Bundespartei, aber auch innerhalb des Landesverbandes, die Regierungsbeteiligung in Thüringen zu beenden“, zitierte ihn das Magazin Stern. Seit November regiert in dem ostdeutschen Bundesland die erste Brombeerkoalition Deutschlands aus CDU, BSW und SPD.
Schütz ist Minister für Digitales und Infrastruktur, seine Parteikollegin Katja Wolf Finanzministerin. Nach der Landtagswahl im September hatten Interessenskonflikte zwischen Wolf und Wagenknecht zum ersten großen Zoff beim BSW geführt. Es war auch der Beginn eines Abwärtstrends. Wolf hatte damals das erklärte Ziel, die Thüringer AfD um Wahlsieger Björn Höcke von der Macht fernzuhalten. Wagenknecht befürchtete, mit der Regierungsbeteiligung Wähler abzuschrecken. Ihre Sorge war, dass das BSW im Falle eines Scheiterns bei der Bundestagswahl als politische Eintagsfliege endet. Genau das droht jetzt.
De Maart
Oh bleib doch bei Oscarchen und rühr seine Blechtrommel.