Unablässig kreisten die eilig von den Schutzmächten zur Überwachung des Luftraums entsandten Aufklärungsflugzeuge am Freitag über dem bosnischen Banja Luka. Dabei spielte sich das jüngste Drama in Bosniens Vielvölkerlabyrinth nicht in lichten Höhen, sondern am Boden der Hauptstadt des Teilstaats der Republika Srpska ab: Auf angeblich mündliche Anordnung der Teilstaatpolizei wurden die Beamten der nationalen Polizeibehörde SIPA zum Verlassen ihrer Arbeitsplätze in Banja Luka genötigt.
Von einem „Staatsstreich“ sprechen aufgebrachte Politiker und Medien in der Hauptstadt Sarajevo, von einem „Beweis der Annahme der von der Republika Srpska erlassenen Gesetze“ hingegen Teilstaatspräsident Milorad Dodik. Erneut rief Bosniens umstrittener Serbenführer am Freitag alle Beamten von Bosniens nationalen Justiz- und Polizeibehörden im Teilstaat zum Jobwechsel auf – und stellte selbst höhere Löhne in Aussicht: Das Verlassen der von ihm als „künstlich“ und „verfassungswidrig“ bezeichneten Institutionen des Zentralstaats pries er als „patriotische Tat“.
Noch ist die SIPA-Niederlassung in Banja Luka ein Einzelfall: In der ebenfalls auf dem Territorium der Republika Srpska gelegenen Zentrale der auf organisierte Kriminalität und Kriegsverbrechen spezialisierten Polizeibehörde in Ost-Sarajevo wurde am Freitag wie gewohnt gearbeitet. Dodik habe die sogenannte Räumung der SIPA in Banja Luka inszeniert, um die Umsetzung seiner Direktiven zu beweisen, argwöhnt das Webportal klix.ba in Sarajevo.
Tatsächlich hatte Dodik im Eilverfahren das von seiner SNSD mehrheitlich kontrollierte Teilstaatsparlament ein Gesetzespaket absegnen lassen, das Bosniens nationale Justizbehörden sowie unabhängige NGOs in der Republika Srpska faktisch verbieten soll. Der Grund: Wegen Verstößen gegen die Verfassung hatte Bosniens Oberster Gerichtshof den russophilen SNSD-Chef letzte Woche in erster Instanz und noch nicht rechtskräftig zu einer einjährigen Haftstrafe und einem sechsjährigen Amtsverbot verdonnert.
Der starke Mann in Banja Luka versuche, sich „über das Gesetz und über den Staat zu stellen“, empört sich in Sarajevo Bosniens früherer Premier und heutiger Vorsitzender des nationalen Parlaments, Denis Zvidzic (NiP). Kritik an dem fragwürdigen Gesetzespaket wird aber auch in der Republika Srpska selbst laut.
Nur 48 der 83 Abgeordneten des Regionalparlaments in Banja Luka hatten letzte Woche für die umstrittenen Gesetzesvorlagen gestimmt, die Oppositionsparteien vor der Abstimmung geschlossen den Saal verlassen. „Wir wollen keine Politik, die uns in eine Spirale der Spannungen und Konflikte zieht“, warnte Drasko Stanivukovic, der Chef der oppositionellen PDP und Bürgermeister von Banja Luka: „Politik ist ein Kampf, aber der Frieden ist die Grenze, die nicht überschritten werden darf. Es ist an der Zeit, dass wir uns für den Verstand entscheiden – und nicht für Konflikte.“
Ungarn destabilisiert die Region
Dodik habe „de facto einen Staatsstreich verübt – und die Republika Srpska von Bosnien und Herzegowina abgetrennt“, warnt der muslimische Vizepräsident des Teilstaats, der Srebrenica-Überlebende Camil Durakovic: Erst nach den Reaktionen des Verfassungsgerichts und der Schutzmächte werde man sehen können, „ob wir einen Staat haben oder nicht und ob wir eine internationale Gemeinschaft haben, die den Frieden und das Dayton-Friedensabkommen schützt – oder nicht“.
Die internationale Eufor-Schutztruppe ist zwar in erhöhte Alarmbereitschaft gesetzt worden. Doch während Bosniens Verfassungsgericht am Freitag noch über die von bosniakischen Politikern beantragte Annullierung der umstrittenen Verbotsgesetze des Teilstaatsparlaments beriet, blieb ein starkes Signal der rat- und tatenlos wirkenden Schutzmächte und des Hohen Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft (OHR) zunächst erneut aus.
Zur Verhinderung einer weiteren Eskalierung der Lage müssten die Eufor-Truppen Bosniens Justizbehörden „assistieren“, fordert Semir Efendic, der Chef der muslimischen Bosniakenpartei SzBiH. Den sofortigen Ausschluss des ungarischen Kontingents aus der Eufor hat am Freitag Zeljko Komsic beantragt, das kroatische Mitglied in Bosniens dreiköpfigem Staatspräsidium. Der Grund: Budapests offene Unterstützung für Dodik „destabilisiere“ den Staat – und die Region.
De Maart
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