Normalerweise würde die meisten am Sonntagmorgen wohl noch nichts auf Kirchberg ziehen, höchstens ein neuer Brunch-Spot, den gibt es hier heute allerdings nicht. Für die allererste Fahrt der Tram zum Findel sind dennoch viele erschienen, denn eine Privattour auf Schienen erhält man nicht alle Tage. Verkehrsministerin Yuriko Backes, Stadt-Bürgermeisterin Lydie Polfer, Mobilitätsschöffe Patrick Goldschmidt, Luxtram-Direktor Helge Dorstewitz – sie alle schütteln fleißig Hände und rätseln gebannt, wo wir denn jetzt einsteigen. Das heutige Ziel: mit der Tram bis zum Flughafen fahren, so wie es künftig Reisende und Touristen vom Stadtzentrum aus tun können.
Es ist zwar sonnig, aber kalt draußen, sodass kurz nach 10 Uhr alle ins Tram-Innere drängen, um sich dort an einem idealerweise guten Platz mit Sicht nach draußen die Hände zu wärmen. Um 10.12 Uhr geht es dann endlich los. „The real deal“ ist die allererste Fahrt zum Findel noch nicht, denn erst mal wird die Haltestelle Héienhaff P+R übersprungen. Auch das Mural des „Lycée des arts et métiers“ erblicken die meisten Fahrgäste nicht – mit Presse, Politik und geladenen Gästen ist die Tram einfach zu voll.
Anders als in Zukunft, fahren heute zwei Straßenbahnen im Duo zum Flughafen und mit fünfminütigem Abstand später wieder zurück, schließlich sollen ja alle bei der Jungfernfahrt mitfahren dürfen. Nach einer kurzen Strecke durch etwas Waldgebiet zieht die Tram an und fährt mit Vollgas an den Autos auf der A1 vorbei. Noch kurz durch die Industriezone auf Findel hindurch und schon stehen wir direkt links vom Hauptgebäude des Luxembourg Airport. „Wir sind ganz schön schnell gefahren, der Wahnsinn“, lautet der Kommentar einer Dame, die sich nach einer kurzen musikalischen Begrüßung vom Orchester mit den anderen Gästen zum Skypark Business Center begibt.
300.000 Fahrgäste bis 2030
Eine andere, etwas weiter vorne im Gedränge, meint: „Früher haben wir immer zu viert ein Sammeltaxi zum Flughafen bestellt, oder unsere Tochter hat uns gefahren, als sie bereits den Führerschein besaß.“ Tja, diese Zeiten sind passé, denn in nur sieben Minuten kann man sich nun von der Luxexpo aus direkt zum Flieger kutschieren lassen, und das sogar gratis. Gleich einer Prozession geht es nun für alle ins neue Gebäude neben dem bestehenden Terminal, wo Yuriko Backes, Lydie Polfer und Helge Dorstewitz gleich ihre Reden schmeißen werden. Nach einem feierlichen „Den Tram ass um Findel ukomm!“, sowie einigen Infos und Zahlen zum Verkehrsaushängeschild Luxemburgs – 24 Stationen, über 16 Kilometer und geplante 300.000 tägliche Fahrgäste bis 2030 für die erste Linie –, überspringen ein paar von uns die anschließenden Drinks und begeben uns zurück zur Attraktion des Tages.
„L’aventure continue“, so die Worte von Luxtram-Direktor Dorstewitz und genau das haben wir alle vor: weiterfahren, und zwar zurück zur Luxexpo. Um 12 Uhr startet nämlich die erste wirklich offizielle Fahrt, an der auch Bürger und Touristen teilnehmen. Ein paar Neugierige werfen bereits Blicke in Richtung Tram, doch bis 11.45 Uhr müssen alle sich gedulden, erst dann werden die bunten Türen wieder geöffnet. Für die Rückfahrt ergattere ich mir einen Platz am Fenster, denn nun will ich die Sicht auf den Gréngewald sowie das Kunstwerk, das die Schüler des „Lycée des arts et métiers“ unter der Leitung des Künstlers Yves-Laurent Grosbusch auf eine Mauer des Tram-Tunnels gemalt haben, auch genießen.
Anfang März sind die Bäume zwar noch etwas kahl, im Sommer stelle ich mir die Fahrt durchs Grüne jedoch angenehm vor, vor allem da man dabei den im Stau stehenden Autofahrern zuwinken kann – der „Öffi“ hat schon seine Vorteile. Das Kunstwerk unter der Erde kann ich zwar nicht im Detail analysieren – dafür sind 70 km/h dann doch etwas zu schnell –, doch stehe ich im Nu wieder nahe der Luxexpo, Testfahrt Ende. Richtig viele Gesichter haben wir auf unserer Rückreise in den zwei passierenden Trams gekreuzt, fast so, als gäbe es die zwei neuen Haltestellen schon ewig. Die Tram ist halt wirklich eine Erfolgsgeschichte, daran lassen diese Streckenerweiterung und alle, die noch kommen werden, keinen Zweifel.
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