Donnerstag25. Dezember 2025

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SerieLuxemburgische Musikerinnen im Mittelpunkt: Frida Salomon-Ehrlich

Serie / Luxemburgische Musikerinnen im Mittelpunkt: Frida Salomon-Ehrlich
Symbolbild: Welche Frauen in der luxemburgischen Musikgeschichte den Ton angegeben haben Quelle: Pexles/David Bartus

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Spotlight auf Musikerinnen aus Luxemburg: Das Tageblatt präsentiert in Zusammenarbeit mit „Musik und Gender in Luxemburg“ jeden Monat Frauen aus der nationalen Musikwelt und ihre Werke. Das neueste Porträt der neunteiligen Serie gilt Frida Salomon-Ehrlich. 

Viele Komponistinnen sind zu ihren Lebzeiten bekannt. Ihre Werke werden aufgeführt, geraten aber später in Vergessenheit. So auch Frida Salomon-Ehrlich, deren Liedkompositionen in den 1930er Jahren auf Radio Luxemburg und im Rahmen der groß angelegten Muttertagskonzerte des Sang & Klang auf der place d’Armes gespielt wurden. Ihre Geschichte wurde von Wolfgang Schmitt-Kölzer erforscht und im Detail rekonstruiert (Quelle: mugi.hfmt-hamburg.de). Ihre Biografie kennen wir nur dank eines Interviews, das ihre Tochter Solange der von Steven Spielberg gegründeten USC Shoah Foundation im Jahr 1995 gab. Da Solange Salomon geheiratet und ihren Namen in Sonya Hartog geändert hatte, ist unser Autor nur zufällig auf dieses Interview gestoßen. In diesem fast zweistündigen Filminterview spricht die Tochter auch über ihre Kindheit in Luxemburg und die Flucht in die USA. Sie zeigt ein Telegramm von Großherzogin Charlotte und andere persönliche Dokumente ihrer Mutter. Wolfgang Schmitt-Kölzer ging all diesen Spuren nach und es entstand ein faszinierendes Bild einer Frau, einer Familie und einer Epoche Luxemburgs, im Schatten des Nationalsozialismus.

Schneiderin und Musikerin

Geboren wurde Frida Ehrlich am 30. September 1899 in Herrlisheim im Elsass, damals Teil des Deutschen Reiches. Sie verlor ihre Eltern früh und zog zu Verwandten nach Offendorf. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Elsass wieder Französisch und Frida Ehrlich ging nach Paris, wo sie vermutlich eine Ausbildung zur Schneiderin machte. Belegt ist, dass sie in einem jüdischen Heim für junge Frauen lebte. Le Toit familial war 1904 gegründet worden „dans le but de placer gratuitement les femmes et les jeunes filles dans l’enseignement, le commerce et l’industrie et de les soustraire aux dangers matériels et moraux que peuvent courir les jeunes personnes de 18 à 28 ans qui sont séparées de leur famille en les recueillant, soit à titre temporaire, soit à titre permanent, pour leur assurer un logement salubre dans une chambre particulière, une nourriture saine et suffisante dans un réfectoire commun et des réunions amicales“ (zitiert nach Emmanuelle Polack in Archives juives 2004, S. 128). Das Heim bot auch musikalische und literarische Aktivitäten an. Es ist anzunehmen, dass Frida hier eine musikalische Ausbildung erhielt oder sie vertiefte.

Es ist nicht klar, wie sie ihren Ehemann Bruno Salomon (1898 in Diekirch geboren) kennenlernte. Die beiden heirateten 1924 in Düdelingen, wo Solange 1928 zur Welt kam. Ende 1932 zog die Familie nach Luxemburg-Stadt (Belair) und lebte dort zusammen mit Brunos Bruder Marcel und dessen Frau Rosette, die eine Cousine von Frida war. Im Erdgeschoss richteten sie gemeinsam eine kleine Manufaktur für Herrenbekleidung ein, die sich erfolgreich etablierte.

Frida Salomon-Ehrlich schrieb nebenbei Gedichte und Liedtexte. Sie komponierte Klavierlieder und Chormusik, zum Teil auf eigene Texte. Dank der Digitalisierung der Luxemburger Presse durch die Nationalbibliothek (eLuxemburgensia) kann die Ausstrahlung drei ihrer Lieder in Musiksendungen von Radio Luxemburg belegt werden: „Mein Mütterlein“ und „Erönnerong“ (gesungen von Dolorès Goeres in den Jahren 1936 und 1938) und das beschwinglichere „D’Wokanz ass do“ (gesungen vom Kinderchor von Michel Hülsemann 1939). Die beiden ersten Lieder waren auch Teil des Repertoires (gesungen von François Werthesen) der Muttertagskonzerte des Sang & Klang in den Jahren 1937 und 1938. Im darauffolgenden Jahr wurden in Luxemburg 100 Jahre Unabhängigkeit gefeiert, dies mit Umzügen, Ausstellungen und Konzerten, die den Luxemburger Patriotismus gegenüber Nazi-Deutschland unterstreichen sollten. Die Angst vor einer Annexion war nach den Münchener Abkommen spürbar gestiegen. Die besondere Gefahr, welcher die jüdische Bevölkerung in diesem Fall ausgesetzt gewesen wäre, war spätestens seit den Nürnberger Rassengesetzen bekannt. In dem Jahr wurde zu Muttertag ein anderes Lied von Frida Salomon-Ehrlich mit dem patriotischen Titel „Ons le’f Letzeburger Mamm“ auf der place d’Armes dargeboten

„Fir Grossherzogins Geburtstag 1935“. Bibliothèque nationale du Luxembourg: LMS 10. Digitalisiert von der BNL.<br />
Luxemburger Wort (5. Juni 1936), S. 8. Digitalisiert von der BNL (online auf eluxemburgensia.lu).
„Fir Grossherzogins Geburtstag 1935“. Bibliothèque nationale du Luxembourg: LMS 10. Digitalisiert von der BNL.
Luxemburger Wort (5. Juni 1936), S. 8. Digitalisiert von der BNL (online auf eluxemburgensia.lu). Quelle: eluxemburgensia.lu

Anlässlich der Geburtstagsfeier der Großherzogin (Nationalfeiertag) im Januar 1939 entstand „Ons Freihét“ mit einem Text von Frida und in einer Vertonung von ihrem Mann Bruno Salomon, dem Chorleiter der Luxemburger Synagoge. Das Escher Tageblatt (30.1.1939, S. 4) berichtete: „Ein eigens für diese Feier verfasstes Lied ‚Ons Freihét‘ wurde vom Synagogenchor meisterhaft vorgetragen. Hr. V. Pauké sang die Soli. Nach dem Gebet für die Herrscherin in hebräischer und französischer Sprache, sang der Chor die ,Hémècht‘ (…). Die erhebende Feier wurde durch Radio Luxemburg übertragen.“ „Ons Freihét“ wurde auch im Rahmen der Unabhängigkeitsfeier vom 11. Mai 1939 und am 27. Januar 1940 in der Synagoge aufgeführt in Anwesenheit zahlreicher Politiker. Das Lied gilt allerdings heute als verschollen.

Flucht, Rückkehr, Auswanderung

Nach der nationalsozialistischen Besatzung Luxemburgs wurde die jüdische Bevölkerung aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, enteignet und ab Oktober 1941 in Konzentrationslager deportiert. Die Salomons flüchteten nach Barcelona. Frida Salomon-Ehrlich gelang es, die Großherzogin auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen und Visa für die Weiterfahrt ihrer und anderer jüdischer Familien in die USA zu erwirken. Marcel und Rosette Salomon-Braun wurden jedoch in Frankreich verhaftet und am 29. April 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. MemoShoah.lu führt ihre Namen in einer Liste von 450 Jüdinnen und Juden, die in Luxemburg gelebt hatten und aus Frankreich deportiert wurden. Keiner von ihnen überlebte (Quelle: memoshoah.lu).

Über MuGi.lu

MuGi.lu (Musik und Gender in Luxemburg), ein Projekt der Universität Luxemburg, erforscht, sammelt und vermittelt Wissen über Musikschaffen mit besonderem Fokus auf Geschlechterverhältnisse. Es umfasst mittlerweile neun digitale Portale (www.mugi.lu). Das Portal zu Frida Salomon-Ehrlich enthält digitale Kopien aller erhaltenen Partituren und Schriften, eine Werk- und eine Konzertliste und vieles mehr. Bitte melden Sie sich, falls Sie weitere Informationen haben (Kontakt: [email protected]).

Nach dem Krieg kehrten Frida Salomon-Ehrlich und ihre Familie nach Luxemburg zurück. Ihr Lied „Mammelêd an Tro’scht“ wurde vom Sang & Klang zum Muttertag 1947, und 1949 wurde ihr Gedicht „Mammendag“ zum selben Anlass aufgeführt. Nur der erste Text ist erhalten, leider nicht die Partitur. Während das Stück „Erennerong“ vor dem Krieg den Verlust der Mutter aus Sicht des Kindes thematisiert, behandelt „Mammelêd an Tro’scht“ den Tod des einzigen Kindes „weit weit am frieme Land“. Die Perspektive bleibt jedoch jene des Kindes, das im Refrain bittet „sief net traureg, meng le’f Mamm“ und beteuert, dass es über sie wacht. Die Mutter-Kind-Beziehung wie auch die Trauer sind zentrale Themen der Liedkompositionen Frida Salomon-Ehrlichs. Auch in dem Lied „Zum Gedenken“, das sie 1948 Großherzogin Charlotte widmete, betont sie deren Gram über den Tod der Mutter, Maria-Anna von Braganza, im Jahr 1942. Exil, der Verlust der Heimat, und persönliche Trauer gehen einher in der Liedzeile „De grousse grousse Schmierz, wéi am Exil sie wor, Gott hat gepréift hier Séil, hiert Hierz, wéi d’Mamm loug op der Bor“ (die Rechtschreibung wurde aktualisiert). „Zum Gedenken“ wurde – so weit wir wissen – nie aufgeführt, bevor Yvonne Timoianu es für Cello neu arrangierte und in der Gedenkstätte Fünfbrunnen 2018 im Rahmen des „Klenge Maarnicher Festival“ aufführte, auf Anregung von Danielle Roster. Es ist die einzige Tonaufnahme eines Werkes von Frida Salomon-Ehrlich.

Frida Salomon-Ehrlich blieb nicht in Luxemburg, sondern zog 1951 mit ihrer Familie nach New York. Sprachlich hochbegabt, verfasste sie weitere vier Lieder auf Englisch, wobei zwei davon sich auch dem Gedenken widmen: „Loving Memory“ (1954) greift das Motiv von „Erönnerong“ auf und „Once upon a Time“ (1955) ist wahrscheinlich ihrem Mann gewidmet, der 1953 verstarb. Die Lieder ließ sie in den USA urheberrechtlich schützen. Das Copyright wurde allerdings nicht erneuert, sodass die Lieder heute im öffentlichen Bereich sind. Frida Salomon-Ehrlich starb im August 1986 in New York City.

 Quelle: MuGi.Lu
 Quelle: Uni.lu