Sein Platz auf der Anklagebank von Bosniens Oberstem Gerichtshof in Sarajevo blieb bei der Urteilsverkündigung leer. Dafür zog Milorad Dodik, der Präsident des Teilstaats der Republika Srpska, am Mittwoch vor Tausenden seiner Anhänger vor dem Regionalparlament in Banja Luka im Nieselregen mit derben Worten gegen seine Richter vom Leder.
Als „Scheiße“ und „politisch motiviert“ bezeichnete der Serbenführer das noch nicht rechtskräftige Urteil in erster Instanz, das ihn zu einer einjährigen Haftstrafe und einem sechsjährigen Verbot politischer Aktivitäten wegen der Mißachtung des Obersten Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft (OHR) verdonnerte. Der Grund: Mit seiner Unterschrift hatte er im Sommer 2023 zwei vom Regionalparlament verabschiedete Gesetze in Kraft gesetzt, denen zufolge Entscheidungen des deutschen OHR Christian Schmidt im Amtsblatt des Teilstaats nicht mehr veröffentlicht werden sollten.
Die Staatsanwaltschaft hatte Dodik und dem mitangeklagten, aber nun frei gesprochenen Direktor des Amtsblatts vorgeworfen, die Souveranität von Bosnien und Herzegowina bedroht und einer von Dodik bereits mehrmals angedrohten Sezession der Republika Srpska Vorschub geleistet zu haben. „Ab heute gibt es kein Bosnien und Herzegowina mehr, wie Ihr es Euch vorgestellt habt“, polterte der aufgebrachte Dodik – und kündigte ein Gesetz zum Verbot der bosnischen Justiz auf dem Territorium des Teilstaats an.
Zwar haben sich die Oppositionsparteien in der Republika Srpska dieses Mal nicht vor den Karren von Milorad Dodik spannen lassen und waren dessen Kundgebung demonstrativ ferngeblieben. Doch nach dem Urteil wird in Sarajevo und Banja Luka wieder einmal mit verstärkten Spannungen und erneuten Sezessionsdrohungen von Dodik gerechnet.
Schützenhilfe aus Kroatien
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic, der im eigenen Land durch die monatelange Protestwelle gegen die Korruption zunehmend unter Druck gerät, dürften die Turbulenzen im Nachbarland als Ablenkungsmanöver von den heimischen Problemen durchaus gelegen kommen. Ungarns von Dodik ebenfalls um Hilfe angerufener Premier Viktor Orban soll laut dessen Darstellung bereits in den letzten Tagen 300 Angehörige einer Anti-Terroreinheit in den Baracken der Polizei in Banja Luka stationiert haben lassen.
Rhetorische Schützenhilfe hatte Dodik bereits am Tag zuvor von Kroatiens linkspopulistischen Präsidenten Zoran Milanovic erhalten: Der populärste Politiker der bosnischen Serben solle aus dem „politischen Leben geworfen werden“, weil er die Anordnung eines „kolonialistischen Amtsherrn und schon lange pensionierten Altpolitikers“ nicht befolgt hatte, ätzt Milanovic. Auffällig genug schien am Mittwoch laut Medienberichten halb Banja Luka mit Donald-Trump-Plakaten zugepflastert: Es scheint, als ob der von den USA bisher sanktionierte Putin-Freund Dodik seine Hoffnung auf die Fortsetzung seiner Politkarriere vermehrt auf die neue Führung in Washington setzt.
De Maart
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