Mittwoch26. November 2025

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Tageblatt-SerieWenn sich die „Bénévoles“ im Internet anmelden: Die nationale Vermittler- und Suchmaschine aus Strassen 

Tageblatt-Serie / Wenn sich die „Bénévoles“ im Internet anmelden: Die nationale Vermittler- und Suchmaschine aus Strassen 
Anne Hoffmann, Direktionsbeauftragte der nationalen „Agence du bénévolat“ Foto: Editpress/Julien Garroy

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Im dritten Teil der Tageblatt-Serie steht diesmal die nationale „Agence du bénévolat“ im Fokus. Vermittlung, Zweifel, Ängste und Erfolgserlebnisse: Die Direktionsbeauftragte Anne Hoffmann machte deutlich, dass Luxemburg sein Potenzial an helfenden Händen noch nicht ausgeschöpft hat. Doch Tradition und Skepsis stehen so manch neuer Idee im Weg. 

Das Prinzip der Internetpräsenz der „Agence du bénévolat“ ist relativ schnell erklärt: Die digitale Plattform ermöglicht es Vereinen und Gemeinden, auf digitalem Weg nach freiwilligen Helfern zu suchen. „Das können sowohl Leute sein, die für einen Vorstandsposten gebraucht werden, als auch Helfer, die für punktuelle Unterstützung bei einem größeren Ereignis benötigt werden“, erklärte Anne Hoffmann, die Direktionsbeauftragte der Agentur. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr meldeten sich mehrere Lunex-Studenten über die Plattform, um als Streckenposten bei einem Radrennen in Niederanven auszuhelfen. Beide Seiten profitierten von der Zusammenarbeit: Die Organisatoren erhielten die nötige Manpower, die Jugendlichen eine schriftliche Bestätigung, die als Zusatzpunkte für das Semester angerechnet worden sind.

Derzeit nimmt der Sportbereich allerdings nur einen Bruchteil der Suchangebote ein. Die „Agence du bénévolat“ vermittelt besonders viel im sozialen Sektor und der Pflege: „Bei der ‚Croix-Rouge’ bekommen die freiwilligen Helfer über das Iris-Programm eine 20-stündige Ausbildung, um sich ehrenamtlich im sozialen Bereich zu engagieren. Das geht von Besuchen bei alleinstehenden Menschen bis hin zu Leuten, die regelmäßig die Pfleger in Tageseinrichtungen bei ihren Aktivitäten unterstützen“, erklärte Hoffmann. Nachfrage und Stellenangebot bleiben aktuell. „Wir stellen fest, dass beides stetig steigt.“

Nicht jeder passt

Im Januar suchten noch über 50 Vereine und Organisationen nach Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen. Die Auswahl an Profilen war breit gefächert: So wurden Personen gesucht, die Häftlinge im Gefängnis besuchen können und ihnen bei der Integration in die Gesellschaft helfen wollen, Mathematik-Nachhilfelehrer oder auch Sportfans, die sich im Frühling bei der Akrobatik-Europameisterschaft in den Dienst der FLGym stellen können. „Nicht jeder ‚bénévole’ passt zu einer Mission“, weiß Hoffmann. „Die meisten Missionen finden immer Leute. Wir sind für die Vermittlung zuständig. Ob und wie es später passt, sehen wir allerdings nicht.“

Dennoch gibt es besondere Fälle, bei denen die Agentur das „Match“ nachverfolgt. „Besonders wenn es um vulnerable Personen geht“, fügte die Direktorin hinzu. „Da muss die Qualität passen, sonst macht niemand mehr mit.“ Werden Probleme aufgedeckt, können beispielsweise die Kriterien bei der Recherche angepasst werden. „Es ist eine konstante Weiterentwicklung, auch wir selbst lernen dazu. Wir helfen den Vereinen bei der Verfassung ihrer Texte für die Plattform. Meist wirkt ein zu langer Text nämlich eher abschreckend.“

Mehr Offenheit nötig

Abschreckende Wirkung ist beim Thema Ehrenamt ohnehin ein wunder Punkt. Anne Hoffmann kann nachvollziehen, dass die Online-Suche nach neuen Helfern für den eigenen Verein nicht bei jedem Vorstandsmitglied für Begeisterung sorgt. Dennoch sei ein Umdenken nicht verkehrt. „Ich kann verstehen, dass eine gewisse Skepsis vorhanden ist, da man nie weiß, wer sich auf eine Anzeige meldet. Aber die gleiche Person könnte auch auf anderem Weg im Verein vorstellig werden. Da sollte man als Verein dann einfach klar kommunizieren, wenn es nicht passt. Wenn man unbedingt jemanden braucht, der vier Sprachen spricht und sich jemand meldet, der das nicht kann, dann kann man sagen, dass das Profil nicht ausreicht.“

Die Tageblatt-Serie

Teil 1: Das Ehrenamt: Eine vom Aussterben bedrohte Spezies? 
Teil 2: Was ist überhaupt ein „Benevolatsmanager“? Das Interview mit Susanna Hölscher (am 19. Februar)
Teil 3: Die „Agence du bénévolat“ öffnet dem Tageblatt seine Türen (am 26. Februar)
Teil 4: Gesichter des Ehrenamts (am 5. März)
Teil 5: Das Abschlussinterview mit Sportminister Georges Mischo (am 12. März)

Gleichzeitig machte die Direktorin den Aufruf, etwas offener für neue Ideen zu werden. „Die Plattform bietet die Möglichkeit, auf Leute zu stoßen, denen man sonst wohl nicht begegnet wäre. Vielleicht reichen dann zwei Sprachen, oder es finden sich zwei Personen, die sich bei den Sprachen ergänzen. Deshalb ist bei der Suche nach Helfern auch eine gewisse Flexibilität bei den Vereinen gefragt.“

Kein uniformes Rezept

Ab 2025 wird die nationale Agentur nicht nur über die eigene Webseite zu erreichen sein, sondern auch via einzelne Kommunen. Für das Pilotprojekt hatten sich Niederanven und Sanem gemeldet. Die Module, sprich die technische Etappe, wurden bereits abgeschlossen. „Ziel ist es, dass die Gemeinde ihre Vereine bewegen, sich einzuschreiben. Gerade Sportvereine funktionieren oft noch nach traditionellen Wegen, wo viele der Ehrenamtlichen aus Familiengenerationen stammen. Die Plattform soll parallel dazu dienen, weitere Menschen einzubinden, etwa diejenigen, die ganz neu in die Gegend gezogen sind.“ Für diese neue Art von Ehrenamt braucht es Offenheit, aber eben auch „Kommunikation und Erklärungen“, weiß Hoffmann. Nach den lokalen Angeboten können in einem zweiten Schritt die nationalen Anzeigen ausgewählt werden. „Deshalb gehen wir auf die Gemeinden zu, damit sie die Vereine motivieren, sich einzuschreiben, um neben dem traditionellen Weg eine zweite Option zu haben. Die Gemeinden spielen eine wichtige Rolle bei der Sensibilisierung der Vereine bei der Suche nach Helfern über den digitalen Weg.“

 Ich denke jedoch nicht, dass man das Ehrenamt ausschließlich mit Geld oder Steuerentlastungen attraktiver macht. Wir möchten die Gesellschaft mobilisieren, sich zu engagieren und deshalb ist es wichtig, dass das Angebot vielfältig ist.

Anne Hoffmann, Agence du bénévolat

Eine weitere, wenig ausgeschöpfte Form des Ehrenamts, die bei der „Agence du bénévolat“ vorangetrieben werden wird, ist das „Corporate Volunteering“. Hoffmann erklärte: „Es gibt schon einige Firmen, die ihren Arbeitnehmern anbieten, sich während der Arbeitszeit ehrenamtlich zu engagieren.“ Im sozialen Bereich sei man dem Sport einen großen Schritt voraus: Das CHL hat etwa ein Team aus ehrenamtlichen Mitarbeitern aufgebaut, das Patienten durch die unzähligen Korridore des Krankenhauses führt. „Stand heute ist das Corporate Volunteering für die meisten Vereine noch eine große Herausforderung. Denn wenn sich plötzlich eine große Gruppe an Helfern aus einem Unternehmen für ein großes Event engagieren will, müssen die auch dementsprechend vor Ort betreut werden. Das sind aber alles Initiativen, die man mit den Vereinen ausarbeiten kann.“

Für Hoffmann, die die Rolle der Agentur als Inkubator für neue Ideen im Ehrenamt sieht, geht es in erster Linie darum, den Vereinen zu helfen, eigene Initiativen zu entwickeln. „Es gibt kein Erfolgsrezept, das für alle das gleiche ist. Es braucht weiterhin überall noch diese Art von Menschen, die ihr ganzes Herzblut in ihren Klub stecken.“ Als Zielpersonen sieht sie beispielsweise Menschen mit der wichtigsten Ressource, der Zeit: „Wer kurz vor der Rente steht, sollte angesprochen werden. Ich denke allerdings nicht, dass man das Ehrenamt ausschließlich mit Geld oder Steuerentlastungen attraktiver macht. Wir möchten die Gesellschaft mobilisieren, sich zu engagieren und deshalb ist es wichtig, dass das Angebot vielfältig ist.“ 

Silvio Sagramola: „Wir sind begeistert von den Rückmeldungen“

Vier bis fünf Kandidaturen erreichten die FLGym seit Dezember jede Woche. Es handelt sich dabei um Menschen, die über die Internetplattform der Agentur auf das Suchgebot für die Turn-Europameisterschaft im April aufmerksam geworden sind – und dort als „Bénévole“ anpacken wollen. „Wir schicken den Interessenten dann ein Formular, damit sie uns ihre Verfügbarkeiten angeben können“, erklärte FLGym-Generalsekretär Silvio Sagramola. „Es klappt hervorragend, denn es haben sich alle noch mal bei uns gemeldet.“ Für Sagramola ist ein entscheidender Punkt beim großen Erfolg die zeitliche Eingrenzung: „Wenn man in der Vergangenheit allgemeiner nach Leuten gesucht hat, funktionierte es nicht. Hier steht das Datum genau fest – jeder kann sich so einteilen, wie es ihm passt. Ehrlich gesagt hat es uns trotzdem überrascht, dass es so viele sind, die sich bisher gemeldet haben. Für die EM werden wir 150 Personen brauchen. Da dann auch Kontakte entstehen, kann man sicherlich auch versuchen, eine mögliche Zusammenarbeit in Zukunft zu planen.“