Mittwoch26. November 2025

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Polindex 2024Demokratie mit Nachwuchsproblem: Ein Drittel der jungen Luxemburger zweifelt an Staatsform

Polindex 2024 / Demokratie mit Nachwuchsproblem: Ein Drittel der jungen Luxemburger zweifelt an Staatsform
Lächeln mit Sorgen: Chamber-Präsident Claude Wiseler (Mitte) mit Philippe Poirier und Agnes Darabos von der Universität Luxemburg Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Das Parlament präsentiert die aktuelle Studie zum Zustand der Demokratie in Luxemburg. Das Ergebnis ist besorgniserregend. Zwar steht das Großherzogtum im europäischen Vergleich gut da, aber auch hierzulande bröckelt das Vertrauen in Institutionen und Politik.

Claude Wiseler (CSV) ist sichtlich angefasst von den Zahlen. Der Präsident des Abgeordnetenhauses stellt am Dienstagnachmittag den Polindex 2024 vor, zusammen mit Philippe Poirier und Agnes Darabos von der Universität Luxemburg, die diese Untersuchung im Auftrag der Chamber betreut haben. Eines von vielen beunruhigenden Resultaten: 35 Prozent der jungen Luxemburger zwischen 18 und 24 Jahren glauben nicht, dass die Demokratie die „beste Regierungsform“ ist. Unter den nicht-luxemburgischen Einwohnern dieser Altersgruppe sind es sogar knapp mehr als die Hälfte.

Wiseler ist schockiert. Da stellt sich die grundlegende Demokratiefrage – und ein Drittel antwortet mit „Nein“ oder „Ich weiß es nicht.“ „Was heißt das für unsere repräsentative Demokratie?“, fragt sich der Chamber-Präsident. Wiseler möchte herausfinden, was diese Zahlen besagen. Er will die Antworten besser verstehen.
„Warum wissen sie es nicht? Wollen sie, dass die Demokratie besser funktioniert? Oder wollen sie eine andere Regierungsform?“

Der Polindex 2024 basiert auf Daten, die im Mai 2024 in einer repräsentativen Umfrage unter etwas mehr als 1.500 Einwohnern Luxemburgs durchgeführt wurde. Er trägt den Untertitel: „Etat de la démocratie au Luxembourg“. Für Wiseler und die Abgeordneten stellt der Polindex einen Versuch dar, „zu spüren, was in der luxemburgischen Demokratie los ist“. Wie stehen die Menschen zu den politischen Institutionen des Landes und Europa? Eine positive Erkenntnis zu Beginn: 68 Prozent der luxemburgischen Staatsbürger und 69 Prozent der ausländischen Einwohner des Großherzogtums sind zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie in Luxemburg. Das meiste Vertrauen haben die Luxemburger in den Europäischen Gerichtshof, die Armee und das Parlament. Bei den Nicht-Luxemburgern landet statt der Chamber die Regierung auf Platz drei.

Luxemburger „mittiger“ als Nachbarn

Ziemlich genau drei Viertel der Staatsbürger interessieren sich laut Polindex für Politik. Das ist ein sehr guter Wert im europäischen Vergleich. Und doch deutet er für Philippe Poirier von der Uni.lu auf ein strukturelles, systemisches Problem der repräsentativen Demokratie: „Es gibt einen Teil der Leute, die sich von der Politik abgekoppelt haben.“ In Luxemburg sind es ein Drittel, in den Nachbarländern, besonders in Frankreich, ist der Negativtrend zur Depolitisierung stärker ausgeprägt. Diese Vergleichbarkeit ist eine der besonderen Vorzüge des Polindex, der mit Instituten im Ausland zusammenarbeitet, die Umfragen mit denselben Fragen durchgeführt haben. Auf diese Weise schlägt sich auch der Rechtsruck in Europa in den Daten nieder. Mit 38 Prozent ordnen sich die meisten Luxemburger der politischen Mitte zu. Jeweils 27 fallen auf die linke und rechte Seite des Spektrums. Damit ist man im Großherzogtum deutlich „mittiger“ unterwegs als anderswo. In Frankreich fallen 38 Prozent ins rechte Spektrum, in Deutschland 39, in Italien 47 und in den Niederlanden 55 Prozent.

Im Polindex zeichnet sich auch eine Tendenz hin zu mehr direkter Demokratie ab: Mehr als 40 Prozent der Befragten in allen Altersgruppen und unabhängig von der Staatsbürgerschaft sind der Meinung, dass das Volk und nicht die Politiker die wichtigsten Entscheidungen treffen sollten. Das zeigt sich auch im Interesse für die Repräsentanten: Weniger als 40 Prozent der jungen Luxemburger interessieren sich für das Parlament. Bei den Nicht-Luxemburgern sind es mit knapp einem Drittel noch weniger – sie können ja auch, Stichwort Demokratiedefizit, nicht wählen. Der Polindex wirft auch die Frage des Ausländerwahlrechts auf. Ausländische Staatsbürger wünschen sich massiv das Wahlrecht bei Parlamentswahlen und allen Referenden. Bei den Luxemburgern sind es weniger als 40 Prozent. Immerhin 20 Prozent mehr als beim Referendum zum Wahlrecht im Jahr 2015.

Die Chamber muss der Platz sein, wo die Sorgen der Leute besprochen werden. Wenn wir das nicht dort machen, wo dann?

Claude Wiseler, Chamber-Präsident

Philippe Poirier beobachtet im Polindex einen allgemeinen Trend: „Es gibt immer mehr Konvergenz zwischen Luxemburgern und Nicht-Luxemburgern.“ Die Gesellschaft sei heute politisch viel kohärenter als vor 20 Jahren. Nennenswerte Unterschiede gebe es nur noch in der favorisierten Politiksprache (Luxemburgisch vs. Französisch) und in der Auto-Positionierung im politischen Spektrum (Nicht-Luxemburger ein bisschen weiter rechts).

„Demokratie ist kein Selbstläufer“, sagt Claude Wiseler an diesem Nachmittag. Für ihn ist der Polindex ein Appell an die Politiker, mehr Präsenz zu zeigen. „Die Chamber muss der Platz sein, wo die Sorgen der Leute besprochen werden“, sagt der Parlamentspräsident. „Wenn wir das nicht dort machen, wo dann?“

Phil
4. März 2025 - 9.52

Seitdem in der Wahl von 2013 die stärkste Partei CSV von den Verlierern DP, LSAP, déi gréng quasi aus der Regierung geputscht wurde, ist es schwer an demokratische Prozesse zu glauben. Das Gleiche erleben jetzt Österreich und in abgeschwächter Form die Wähler unseren deutschen Nachbarn.

Altwies Yves
26. Februar 2025 - 18.48

Luxemburg ist schon seit geraumer Zeit, und spaetestens seit der rezenten "Verfassungsreform" welche diesen Namen keinesfalls verdient, zu einer legislativen Diktatur verkommen.

Nomi
26. Februar 2025 - 8.58

@ Luxmann: Wir eng Diktatur dann besser? Daat ass dat selwescht, mee ohni all 5 Johr ze wiehlen !

Reinertz Barriera Manfred
26. Februar 2025 - 8.14

Falls ein Land keine Demokratie ist wollen die Leute eine haben, und wenn sie eine haben dann haben sie kein Vertrauen in diese....

Luxmann
25. Februar 2025 - 21.28

Was heisst representative demokratie?
Der waehler gibt jedes 5.jahr ein paar stimmen ab und die regierung/parlement machen nach gutduenken was sie wollen.
Erstaunlich dass da nicht noch viel mehr leute zweifel kriegen.