Selbst die eigenen Erwartungen wurden übertroffen: Die Linke überwindet die Fünf-Prozent-Hürde deutlich und zieht erneut in den Bundestag ein. „Die Linke lebt! Wir sind so stark wie schon lange nicht mehr im Bundestag“, sagte Linken-Chef Jan van Aken bei der Wahlparty seiner Partei in der Arena Berlin vor einer jubelnden Menge. Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek war von dem Ergebnis zu Tränen gerührt: „Ich bin so unfassbar glücklich. Das hätte sich niemand ausdenken können.“ Man werde an der Seite von Minderheiten und armen Menschen stehen als „starke Linksfraktion“. Es sei die richtige Entscheidung gewesen, sich im Wahlkampf nicht beirren zu lassen und das Thema Soziales in den Vordergrund zu stellen.
Die Linke galt als die große Überraschung in diesem hitzigen Wahlkampf. Während sich bei den anderen Parteien in den Umfragen meist kaum etwas bewegte, stieg sie auf wie der Phönix aus der Asche: Innerhalb weniger Wochen konnte die Partei um Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek und Parteichef Jan van Aken ihre Umfragewerte fast verdoppeln. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil die Linke nach dem Austritt prominenter Parteimitglieder rund um Sahra Wagenknecht und der Gründung des BSW vor knapp einem Jahr von vielen bereits in der politischen Bedeutungslosigkeit verortet wurde. Auch die Mission Silberlocke, bei der man auf altgediente Parteigrößen wie Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch setzte, brachte zu Beginn des Wahlkampfs nicht den gewünschten Effekt.
Doch dann sollte es anders kommen. Zunächst gab die Abstimmung im Bundestag von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz mit der AfD den Totgesagten Aufwind. Die wütende, aber auf den Punkt gebrachte Rede von Reichinnek im Bundestag tat dann ihr Übriges und verschaffte der 36-Jährigen einen ordentlichen Bekanntheitsschub. In sozialen Medien wie TikTok oder Instagram wurden Ausschnitte aus ihrer Rede millionenfach geteilt. Die Linke trat mit dem Slogan an: „Alle wollen regieren, wir wollen verändern.“ Im Wahlkampf setzte man auf lebensnahe Themen wie steigende Lebenshaltungskosten und soziale Gerechtigkeit. Aber auch auf den Widerstand gegen Rechts. Das scheint einen Nerv getroffen zu haben.
Zitterpartie für Wagenkecht
Für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ging die Zitterpartie zunächst weiter: Der Einzug in den Bundestag blieb am Sonntagabend für die erst im Januar 2024 gegründete Partei zunächst ungewiss. Doch Partei-Chefin Amira Mohamed Ali gab sich zuversichtlich. „Wir schaffen das, wir kommen da rein“, sagte sie am Wahlabend.
Für Sahra Wagenknecht und das nach ihr benannte BSW lief der Wahlkampf nicht wie erwünscht. In Umfragen kratzte die junge Partei seit einigen Monaten an der Fünf-Prozent-Hürde. Und obwohl Wagenknecht selbst nach dem Ampel-Aus im November nach raschen Neuwahlen rief, scheint ihr der kurze Winter-Wahlkampf auf die Füße gefallen zu sein. Das könnte auch daran gelegen haben, dass das BSW sich programmatisch nicht stark genug von den anderen Parteien abgrenzen konnte. Das Kernthema der Partei Krieg und Frieden rückte angesichts der Vorstöße der Trump-Administration in Bezug auf ein Ende des Ukraine-Krieges in den Hintergrund, Rufe nach einer strengeren Migrationspolitik zahlen eher bei Union und AfD ein. Und das Thema soziale Gerechtigkeit konnte man der Linken nicht wie erhofft gänzlich entreißen.
Dabei ist die junge Partei mit großen Zielen gestartet, wollte eine Volkspartei werden, an der niemand mehr vorbeikommt, und einen Politikwechsel in Deutschland einläuten. Anfangs erlebte das BSW tatsächlich einen Höhenflug. Sowohl bei der Europawahl als auch bei den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern verzeichnete die Partei Erfolge: Inzwischen ist das BSW in Thüringen und in Brandenburg an der Regierung beteiligt.
De Maart
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