Moskau mischt mit im deutschen Wahlkampf. Sogar im kleinen Saarland, im äußersten Südwesten. Es ist Samstagvormittag, sonnig, aber bitterkalt. In einer Woche ist Wahltag, vor der Karstadt-Filiale in der Saarbrücker Fußgängerzone haben die Parteien ihre Pavillons aufgebaut. Zum ersten Mal dabei bei einer Bundestagswahl: das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Ein weißer Pavillon mit dem Konterfei der Namensgeberin, eingerahmt von SPD, Grüne und der Satire-Partei Die Partei. Letztere hat in Saarbrücken eine kleine, aber treue Anhängerschaft. Man sitzt sogar im Stadtrat. Heute wollen die Partei’ler die Nachbarn trollen.
Sie haben ein Plakat geschrieben und es in Richtung BSW aufgehängt: „Dieser BSW-Stand wird gesponsort von Gazprom.“ Ein Parteimitglied hebt nun sein Smartphone in der einen Hand an das mitgebrachte Megafon in der anderen. Dramatische Pianotöne, Fanfarenklänge. Dann setzt die Stimme ein: „Moskauuuuu, fremd und geheimnisvoll …“ Köpfe drehen sich. Der alte Discoknaller von Dschingis Khan schallt durch die Bahnhofstraße. „Moskau, Moskau, wirf die Gläser an die Wand, Russland ist ein schönes Land! Ho, ho, ho, ho, ho, hey!“ Während der eine das Megafon hochhält, tanzt sein Kollege den Kosakentanz, Arme verschränkt, Beine aus der Hocke hochgeschleudert. Bei der SPD müssen sie lachen. Beim BSW entscheidet man sich fürs Ignorieren.
Stagnation beim BSW
Russland, der Ukraine-Krieg, das sind Themen, um die man beim BSW in diesem Wahlkampf nicht herumkommt. Die Partei wirbt für Importe von billigem Gas aus Russland, um die deutsche Industrie zu retten. „Explodierte Energiepreise schaden der Wirtschaft, den Arbeitnehmern und den Privathaushalten“, sagt Désirée Kany. Die 32-Jährige ist Spitzenkandidatin des BSW im Saarland. Am kalten Samstagvormittag macht sie Wahlkampf in Saarbrücken. Lange Zeit sah es so aus, als ob das BSW eine Lücke in der deutschen Parteienlandschaft füllen und darüber in den Bundestag einziehen könnte: sozialpolitisch links, in Migrationsfragen konservativ. Doch seit einigen Wochen dümpelt die Partei in den Umfragen knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde. Die große Erfolgsgeschichte wie bei den ostdeutschen Landtagswahlen, sie scheint auf Bundesebene auszubleiben.
Kany erinnert daran, wie jung die Partei noch ist. Der saarländische Landesverband gründete sich im März 2024, als erster BSW-Landesverband in Westdeutschland. „Natürlich ist der Wahlkampf für uns schwierig“, sagt Kany. „Wir haben noch nicht die Strukturen in der Breite und auch nicht die finanzielle Ausstattung.“ Die vorgezogene Bundestagswahl habe ihrer Partei zudem „nicht in die Karten gespielt“. Ein Teil dieses Problems ist hausgemacht. Das BSW verliest seine neuen Mitglieder von Hand und nimmt sie erst nach vorheriger Prüfung auf. Der Landesverband an der Saar zählt aktuell knapp 30 Personen. Kany unterstützt das vorsichtige Vorgehen: „Die Gefahr bei einer kleinen Partei ist immer, dass man viele Quertreiber und Querulanten aufnimmt, die einer Partei gerade am Anfang das Leben schwer machen können.“ Ärger gab es im ersten Jahr dennoch genug.
Keine drei Monate nach Gründung des Landesverbands trat dessen damaliger Vorsitzender Randolf Jobst zurück. Der Grund: Seine Co-Vorsitzende Astrid Schramm hatte in einem Interview mit dem Saarländischen Rundfunk (SR) gesagt, sie könne sich durchaus vorstellen, in kommunalen Parlamenten mit der AfD zusammenzuarbeiten, wenn es inhaltliche Schnittmengen gebe. Koalitionen schloss Schramm zwar aus, Jobst warf trotzdem entsetzt hin.
Das Comeback der Linken
Ein Momentum entsteht gerade an anderer Stelle. Dort, wo viele BSW-Mitglieder – Landesvorsitzende Astrid Schramm inklusive – einst herkamen. Bei der Linkspartei. Die liegt in den aktuellen Umfragen bundesweit plötzlich wieder bei fünf bis sieben Prozent. Während die Umfragewerte aller anderen Parteien in diesem Wahlkampf eingemauert scheinen, legt die Linke von Woche zu Woche ein bisschen zu. Ein politisches Comeback, mit dem wenige gerechnet haben.
„Wir haben eine super Mischung im Team“, sagt Moses Arndt, „und die Gegner sind zum Teil erschreckend schwach.“ Arndt ist Spitzenkandidat der Linken im Saarland. Er ist Hausarzt, Autor und Herausgeber eines Hardcore-Punk-Fanzines. Mit 60 Jahren ist Arndt sechs Jahre jünger als das jüngste Mitglied der „Mission Silberlocke“, des linken Dreiergespanns um Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch, das um drei Direktmandate für die Linke kämpft. Es ist Dienstagmittag, noch fünf Tage bis zur Wahl. Arndt sitzt auf einer Bank in der Wintersonne vor dem Gymnasium am Stefansberg in Merzig. Eben noch stand er auf der Bühne der Aula. Der Wahl-o-mat on Tour, eine Diskussionsreihe der Landeszentrale für politische Bildung, bei der Erstwähler und Kandidaten zusammentreffen.
Arndt denkt ein paar Monate zurück. Da stand die Linke in Umfragen noch bei zwei Prozent. „Das war echt trist.“ Doch nun weht der Aufwind. Die „Mission Silberlocke“, aber allen voran die Social-Media-Erfolge von Bundesspitzenkandidatin Heidi Reichinnek. Arndt sagt, bei der Linken werde nicht Wokeness auf der einen Seite gegen alte weiße Männer auf der anderen ausgespielt. „Wir halten zusammen, wir ziehen an einem Strang.“ Die U18-Wahl hat die Linke vor ein paar Tagen mit 20 Prozent als stärkste Kraft für sich entscheiden. Eine Forsa-Umfrage sieht sie bei den Jungwählern bis 29 Jahre zusammen mit den Grünen auf Platz eins. Man spürt das auch in Merzig. Arndts Thesen bekommen kräftigen Applaus von den Schülern. Bundesweit hat die Linke mit mehr als 81.000 Personen so viele Mitglieder wie noch nie. Nach der Veranstaltung im Gymnasium, da ist sich Arndt sicher, kommen noch ein paar hinzu. Das BSW ist an diesem Tag in Merzig nicht dabei.
Die Idee der Ein-Personen-Partei sei durch, sagt Arndt. Stattdessen brauche man ein handfestes Konzept, das auf die soziale Frage ausgerichtet sei. Die Linke plakatiert Slogans: „Ist dein Einkauf zu teuer, macht ein Konzern Kasse.“ Das BSW plakatiert ein Gesicht: Sahra Wagenknecht. Von Spitzenkandidatin Kany gibt es keine Wahlplakate. Das liegt auch daran, dass man keinen Kandidaten des BSW in einem der vier Wahlkreise des Saarlands direkt wählen kann. Die Partei macht einen reinen Zweitstimmenwahlkampf. „Die Rahmenbedingungen der Bundestagswahl haben dazu geführt, dass die Partei insgesamt eine Zweitstimmenkampagne verfolgt.“ Désirée Kany ist neu in der Politik. Die Berufsschullehrerin war – anders als einige ihrer Parteigenossen – vorher nicht in der Linken aktiv.
Der Faktor Lafontaine
Nun greift der Ein-Personen-Vorwurf im Saarland ein wenig zu kurz. Es sind zwei: Sahra Wagenknecht und ihr Ehemann Oskar Lafontaine. Ehemaliger Oberbürgermeister von Saarbrücken, ehemaliger Ministerpräsident des Saarlandes, ehemaliger Bundesfinanzminister, SPD-Grande, Ikone der Linken, kurz: der „Napoleon von der Saar“. „Wir im BSW-Landesvorstand haben natürlich regelmäßig Kontakt mit Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht“, sagt Kany. Es sei ein Vorteil, „von so erfahrenen Politikern etwas mitnehmen zu können“. In den Koalitionsverhandlungen im Osten hat sich die Parteivorsitzende Wagenknecht ordentlich eingemischt. Kany sieht ihr Verhältnis zu „Oskar“ und „Sahra“ als freundschaftlich und weniger „top-down“. Als Lehrerin habe sie sich mit Lafontaine zum Beispiel schon über den bildungspolitischen Alltag in der Schule ausgetauscht.
Lafontaine, der Politrentner, bekleidet kein offizielles Amt. Im Saarland aber wirkt er immer mit. Sei es im Geiste, wenn Kany in der SR-Kandidatenrunde sagt, sie stünde hinter den Stahlarbeitern „wie Lafontaine jahrelang“. Oder in Person, wie bei einer Diskussionsveranstaltung mit der jüdischen südafrikanischen Künstlerin Candice Breitz vor einigen Monaten im Saarbrücker Filmhaus. Dort nutzte Lafontaine, zu Gast im Publikum, die Chance, für ein paar Minuten eine Veranstaltung zu kapern, in der es eigentlich um jüdisches Leben in Deutschland ging, um sich für das Gedenken an die Rote-Armee-Toten des Zweiten Weltkriegs einzusetzen und der gegenwärtigen Politik „Russenhass“ vorzuwerfen. Das BSW und sein Russlandproblem, es ist auch hausgemacht.
So oder so, der Lafontaine-Bonus wirkte bis vor kurzem noch im Saarland. Bei der Europawahl im vergangenen Jahr holte das BSW hier mit 7,9 Prozent der Stimmen anderthalb Prozentpunkte mehr als im Bundesdurchschnitt. Der Lafontaine-Bonus, er wirkte früher auch für die Linke. „Bis er uns das Genick gebrochen hat“, sagt Moses Arndt. Der Weggang Lafontaines war ein harter Schlag für die Partei. Heute konzentriert sich Arndt lieber auf die neuen Mitglieder statt auf die Abspringer. Man wird bei der Linken 2025 das Gefühl nicht los, dass sie leichter und freier agiert als in den Jahren zuvor. Dass sie Ballast abgeworfen hat. „Absolut“, sagt Arndt.
Das Thema Migration kann der linke Spitzenkandidat nicht mehr hören. Stattdessen spricht er lieber über seine Herzensthemen: die Milliardärssteuer („Die werden ja nicht arm. Zwölf Prozent auf eine Milliarde, sorry, das sind Peanuts.“), die wirtschaftliche Transformation („Ist machbar, wir lassen die Leute aus der Stahl- und Automobilindustrie nicht hängen.“) oder den Fakt, dass im Gewerkschafts- und Industriearbeiter-Milieu so viele Wähler zur AfD abgewandert sind. Désirée Kany vom BSW sieht Gemeinsamkeiten: „Natürlich gibt es Überschneidungen mit der Linken im sozialen Bereich, zum Beispiel Mindestlohn, bessere Renten. Doch es bestehen große Differenzen in der Friedenspolitik und bei den Rüstungsexporten.“
Moskau mischt mit im deutschen Wahlkampf. Auch im Verhältnis zwischen BSW und Linke. „Wir setzen uns noch immer für das Friedensthema ein und für Gespräche mit und zwischen allen Beteiligten“, sagt Kany. Diese findet sie sinnvoller als Wirtschaftssanktionen. Die Linke spricht sich in ihrem Wahlprogramm zwar auch für eine Verhandlungslösung und gegen Waffenlieferungen aus, aber auch für Sanktionen. „Putin ist nicht unbesiegbar“, sagt Arndt. Die BSW-Forderung nach russischem Gas findet er populistisch. Es sei „Chauvinismus“, solch eine Frage zu stellen, wenn man überhaupt nicht in der Position sei, daran etwas zu ändern.
Den Umfragen nach ,hat das saarlaendische Familienunternehmen BSW seinen Zenit schon ueberschritten .
Die Linke sollte wieder mit Wagenknecht fusionieren!
Zwischen den linken und BSW wuerde ich eher Sarah nehmen.
Natuerlich sind die linken auch 1000 mal besser als die parteien welche weiter waffen nach kiew liefern wollen.