Es war für viele eine große Überraschung. Und es ist eine Ehre auch für den Filmstandort Luxemburg – am Montag wurde Vicky Krieps zur Präsidentin der Deutschen Filmakademie gewählt. Krieps wohnt bereits seit langem in Berlin im Hipster-Stadtteil Prenzlauer Berg und wird von der hiesigen Filmindustrie bereits als eine Einheimische angesehen. Zugleich freut man sich über den „Luxemburg-Effekt“, einen ökonomischen Fördervorteil, den eine Besetzung mit der 41-Jährigen garantiert. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass das Präsidium der 2004 gegründeten Deutschen Filmakademie auch mit Nichtdeutschen besetzt wird – zwischen 2010 und 2013 hatte der Schweizer Schauspieler Bruno Ganz gemeinsam mit Iris Berben das Amt inne, das vor allem repräsentative Funktion hat. Krieps amtiert jetzt gemeinsam mit dem Münchner Regisseur Florian Gallenberger. „Ich liebe das Kino und ich lebe fürs Kino. Daher ist es für mich eine große Freude und Ehre, nun als Präsidentin der Deutschen Filmakademie das deutsche Filmschaffen gemeinsam mit Florian repräsentieren zu dürfen“, so Krieps im Anschluss an ihre Wahl.
Vicky Krieps, Star der Berlinale
Auch im Kino ist Krieps auf der Berlinale prominent vertreten. Mit raspelkurzen Haaren besuchte sie die Premiere des Films „Hot Milk“ von Rebecca Lenkiewicz, der im offiziellen Wettbewerb Premiere hatte und in dem die Luxemburgerin eine der Hauptrollen spielt. Es ist das Regiedebüt der in England lebenden Polin Lenkiewicz, die mit „Hot Milk“ den gleichnamigen Roman von Deborah Levy aus dem Jahr 2016 adaptiert. Die Küste des andalusischen Almería ist der Schauplatz dieses generationsübergreifenden Dramas, in dem verschiedene Tonalitäten und Atmosphären einander abwechseln und dabei Traumata, Geheimnisse und Lügen, Hoffnungen und Frustrationen zu Tage treten.
Krieps’ Figur ist die mysteriöse Ingrid, die in einem enganliegenden Kleid und Kopfschmuck im Stil der Siebziger Jahre am Strand eine Art privilegiertes Hippieleben führt. Die invalide Rose (Fiona Shaw) kommt, begleitet von ihrer 25-jährigen Tochter Sofia (Emma Mackey), von London an die spanische Küste in der Absicht, ein letztes Mittel gegen ihre immer schlimmer werdende Krankheit in der Klinik eines prominenten Arztes auszuprobieren. Dieser Doktor Gómez (Vincent Pérez) ist für seine unkonventionellen Heilmethoden bekannt. Aber auch die besagte Behinderung sprengt bekannte Konventionen – denn die alte Dame kann sich etwa einmal im Jahr für kurze Zeit aus dem Rollstuhl erheben und laufen. Im weiteren Verlauf erzählt der Film von der Selbstfindung und der Befreiung einer unterdrückten Tochter unter der heißen spanischen Augustsonne. Ein melodramatisches Element durchdringt den Film: Die Mutter erfüllt das Stereotyp der mürrischen, von ihrem Leiden geplagten Alten, die ihre Frustrationen auf ihre Tochter abwälzt – erst durch die poetisch-traumartige Affäre der Tochter mit der geheimnisvollen Ingrid.

„Hot Milk“ ist ein Beispiel jenes magischen Realismus, der im Kino gerade wieder Mode wird. Leichtfüßiges Kino wird mit den Ambitionen des sogenannten Kunstfilms über symbolische Elemente verbunden. Der Film ist also ehrgeiziger, als er scheint, und möchte mehreres gleichzeitig sein.
Produktionen aus Luxemburg im Rennen
Eine Koproduktion zwischen Luxemburg (mit der Firma Les Films Fauves), Belgien, Italien und Frankreich ist „Reflet dans un diamant mort“ vom französischen Regiepaar Hélène Cattet und Bruno Forzani. Darin geht es um einen siebzigjährigen Mann, der in einem Luxushotel an der Côte d’Azur den Dämonen seiner Jugend nachsinnt. Acht Jahre nach ihrem letzten gefeierten Film „Laissez bronzer les cadavres“, knüpfen Cattet und Forzani genau dort an, wo sie aufgehört hatten: Sie präsentieren ein Stil-Experiment, das dem Genre-Kino, insbesondere dem italienischen, huldigt: mit dem Schauspieler Fabio Testi als explizitem und lebendigem Zeugnis. Der Film feiert die kinetischen Formen des Kinos und seine elliptischen Strukturen. Dieses Mal erweitern sie das Spektrum der Referenzen und Interpretationsebenen noch weiter und fügen den Erwachsenen-Comics der 60er Jahre und expliziten Anspielungen auf den Kult-Helden Diabolik eine existenzielle, coole Nostalgie hinzu.
Das Werk der beiden Autoren gleicht einem ständigen, unaufhörlichen und hartnäckigen Spiel mit Reverenzen, was schon in der langen Einführungssequenz zu erkennen ist. Die Hauptfigur ist gefangen zwischen den Bildern einer Vergangenheit, die sie entweder in der Realität oder nur auf den Filmsets erlebt hat. Ständig sucht er nach einer Methode, sie wiederauferstehen zu lassen. Ein Film der aufregenden Bilder.

Noch erst gezeigt wird im Wettbewerb „Kontinental ’25“ des rumänischen Regisseurs Radu Jude, eine internationale Großproduktion, an der außer Rumänien und Luxemburg auch Brasilien, Schweiz, Großbritannien beteiligt sind (unterstützt von Paul Thiltges Distributions). Darin geht es um eine Gerichtsvollzieherin im transsylvanischen Cluj, die an ihre moralischen Grenzen stößt.
Ein Dokumentarfilm über die traurigen Verhältnisse in der Ukraine hat die ukrainischen Regisseurin Kateryna Gornostai gedreht. Beteiligt ist die luxemburgische a_BAHN. Gornostai, deren sensibles Debüt „Stop Zemla“ 2021 für Aufsehen und Preise sorgte, gibt in „Timestamp“ keine unparteiische Perspektive vor. Sie findet noch in den Schulen ihres Landes Akte des Widerstands. In Interviews, Erzählungen oder Rekonstruktionen taucht „Timestamp“ in die rohe Realität des Krieges ein und zeigt dessen Auswirkungen auf den Alltag von Schülern und Lehrern. Der Film ist wie ein Mosaik aufgebaut und erkundet den Schulbetrieb, sowohl vor Ort als auch online, unter extremen Bedingungen an der Front und abseits davon, wo das gewöhnliche Leben in ständiger Gefahr existiert.
Der Film hat an diesem Donnerstag im Wettbewerb Premiere. In der Abschlusszeremonie am Samstagabend wird die Schauspielerin, Regisseurin und Produzentin Désirée Nosbusch noch einmal als „Zeremonienmeisterin“ die große Präsenz Luxemburger Film-Talente auf der Berliner Bühne ins Rampenlicht rücken.
De Maart
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