Freitag31. Oktober 2025

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Tageblatt-Serie (Teil 2)Wie man den „Benevolatsmanager“ als einen Kapitän einsetzen kann

Tageblatt-Serie (Teil 2) / Wie man den „Benevolatsmanager“ als einen Kapitän einsetzen kann
Allwöchentlich werden in zahlreichen Sportarten Freiwillige gebraucht, sei es in einer Wettkampfjury, in der Betreuung oder auf dem Spielfeld Foto: Editpress/Fernand Konnen

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Der Benevolatsmanager ist ein Kernelement des nationalen Aktionsplans zur Förderung des Ehrenamts. Susanna Hölscher, Expertin für die Schulung dieser „Kapitäne“, unterstützt Vereine dabei, keine Angst vor neuen Herausforderungen und Ideen zu haben, und will sie handlungsfähig machen. Ein Interview über alte Rollenbilder, neue Wege in der Zusammenarbeit mit Freiwilligen und die Wirkung, die ein Dankeschön haben kann.

Tageblatt: Was versteht man unter dem Begriff „Benevolatsmanager“?

Susanna Hölscher: Das Ziel ist es, jemanden im Verein zu haben, der die Steuerung des Ehrenamts übernimmt. Man bindet sozusagen Ressourcen und steuert die Prozesse. Der Benevolatsmanager ist ein Sprachrohr zwischen dem Vorstand und dem Verband. Bisher scheint es in den meisten Fällen so zu sein, dass das Thema Ehrenamt so nebenbei mitläuft. Doch es ist sehr viel Kommunikation erforderlich. Es braucht eine Person, die sich verantwortlich fühlt, die Strukturierung zu übernehmen, und bereit ist, mit beiden Seiten zu kommunizieren. Denn jeder bringt Erwartungen mit: Die Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, haben Interessen und Motive, die sie einbringen wollen. Gleichzeitig hat ein Sportverein Ziele, die erreicht werden sollen. Beides zusammenführen kann eben dieser Manager, der dafür sorgt, dass die „Bénévoles“ gut funktionieren können.

Wer kommt im Verein meistens infrage, um diese Rolle zu übernehmen?

Im Grunde ergibt es Sinn, diese Frage von einer anderen Seite anzugehen. Zuerst einmal braucht es nämlich Ressourcen – Finanzen und Platz. Man macht diesen Job nicht nebenbei. Es braucht einen Auftrag, sprich den Willen des Vorstands, Platz und Raum dafür zu schaffen. Wenn die Person bereits im Verein vernetzt ist, macht es die Sache einfacher. 

Die Definition des INAPS

Der Benevolatsmanager vertritt das Ehrenamt im Vorstand des Vereins und verteidigt dort die Interessen der Helfer. Für das „Institut national de l’activité physique et des sports“ (INAPS) spielt dieser Posten eine zentrale Rolle bei der „Wertschätzung und dem adäquaten Umgang“ mit freiwilligen Helfern. „Eine benevolatsfreundliche Vereins- oder Verbandskultur entsteht nicht von selbst, sondern muss gezielt und strukturiert angegangen werden“, heißt es in der erklärenden Broschüre, die im vergangenen Sommer vom Sportministerium verteilt worden ist. Weiter sei es ein starkes Signal für alle Vereinsmitglieder, einen Benevolatsmanager in das zentrale Gremium der Vereins- und Verbandsführung zu berufen.

Wie sieht das Profil des idealen Kandidaten aus?

Grundvoraussetzung ist, keine Scheu vor Kommunikation zu haben. Wie viel die Person übernimmt, ist eher eine Haltungsfrage. Zudem ist Offenheit für die Aufgabe nötig. Es ist sinnvoll, sich schulen zu lassen. Man sollte es ausprobieren. 

Wo fängt man an?

Beispielsweise bei der Kommunikation zwischen Komitee und Vereinsmitgliedern und Ehrenamtlichen. Man arbeitet den Benevolatskreislauf des INAPS ab. Bei Bedarf wägt genau man ab, welche Aufgaben zu besetzen sind, wo Unterstützung notwendig ist und Leute gebraucht werden – und wo man die passenden Menschen am besten findet. Will man Flyer drucken, über Social Media suchen? Der Manager plant nicht nur, sondern kann auch aktiv werden. Dann sind Themen wie Anerkennung und Feedback im Blick zu halten. Oft kommt die Frage auf, wie viel Zeit für diese Aufgaben eingeplant werden soll. Das ist total unterschiedlich. Wie oft kommt das Komitee zusammen? Was steht überhaupt an? Pauschal kann man das also nicht sagen.

Worauf kommt es bei der Ausbildung an?

Grundsätzlich muss Bereitschaft da sein, die Aufgabe zu übernehmen, und der Verein muss die Ressourcen zur Verfügung stellen. Die Aufgaben, die in der Schulung erlernt werden, nehmen am Anfang recht viel Zeit in Anspruch. Viele Teilnehmer bekommen Panik und denken, es sei kaum machbar. So ist es aber nicht. Einige befürchten auch, dass sie im Verein oder Vorstand Kämpfe eingehen müssen. Sobald das Ganze rollt, wird es leichter. Oft wünschen sich die Vereinsmitglieder, Eltern und Co. eine feste Ansprechperson. Noch ist es aber meist so, dass diese Aufgabe nicht strukturiert ist.

Susanna Hölscher
Susanna Hölscher Foto: privat

Wie dringend ist diese Umsetzung?

Hochengagierte sind ganz oft nicht in der Lage, einen Teil ihrer Aufgaben abzugeben. Vielleicht trauen sie anderen Leuten das nicht zu. Aber das ist nicht immer der Grund. Es steckt in den Köpfen drin – nach dem Motto „das machen wir schon immer so“. Doch die Anforderungen werden immer komplexer, während gleichzeitig weniger Zeit zur Verfügung steht. Einen Benevolatsmanager zu beauftragen, ist nur der Anfang. Wir sind in Luxemburg noch in einem sehr frühen Stadium. Doch die Not ist zu spüren.

Das Vereinsleben hat früher davon gelebt, dass Mitglieder lebenslang treu geblieben sind. Aber die Realität sieht heute anders aus.

Susanna Hölscher, Organisationsentwicklerin u. Prozessbegleiterin

Wie macht sich diese Not bemerkbar?

Ein Beispiel: Eine Mutter hat drei Kinder, die in drei unterschiedlichen Sparten eines einzigen Vereins aktiv sind. Der Klub will, dass sie sich überall einbringt, bei den Spielen dabei ist usw. Wie soll das gehen? Anderes Beispiel: Der Verein plant ein Sommerfest, hat aber nicht genug Leute zur Verfügung. Der Druck wächst und die Angst vor einer Absage auch. Das Vereinsleben hat früher davon gelebt, dass Mitglieder lebenslang treu geblieben sind. Die Realität sieht heute anders aus. Man hat dieses ideale Bild zwar noch im Hinterkopf, aber die Langfristigkeit kann nicht mehr gewährleistet werden. Das ist kein böser Wille, sondern leicht zu erklären: Nach der Schule zieht es viele ins Ausland, wir reisen viel mehr als früher und sind generell öfters unterwegs. Es passt nicht mehr zum traditionellen Vereinsbild. 

Es gibt Lösungen für diese Probleme. Erst einmal sollten die Aufgaben heruntergebrochen werden. Damit nimmt man der Druck schon raus. Bleiben wir beim Sommerfest: Gesucht werden noch Leute für das Kuchenbuffet, jemand, der die Bühne aufbaut, einen Schreiner, und die Stühle müssen geschleppt werden. Wenn jeder genau weiß, welche Aufgaben noch zu erledigen sind, wird alles viel klarer. Man sollte nicht einfach blind und panisch nach helfenden Händen suchen. Oft ziehen sich Leute zurück, weil sie nicht wissen, was erwartet wird. Konkrete Aufgabenbeschreibungen helfen.

Heißt also, dass der Manager die Aufgaben verteilt?

Ich möchte eigentlich weg vom Verb „verteilen“. Der Manager schaut vielmehr, was passt. Wir wollen als Menschen mitentscheiden können. Wenn die Aufgaben definiert sind, geht das. Manchmal ergeben sich sogar Konstellationen, an die man vorher nicht gedacht hat.

Mit welchen Sorgen und Problemen ist man als Benevolatsmanager konfrontiert? 

Mitglieder sind inzwischen nicht mehr langfrisitig verfügbar. Zudem sucht der Manager zuerst einmal seinen Platz im Verein. Dann beginnt die Suche: Wo finden wir neue Leute und wie können wir sie binden? Es geht ja nicht darum, einen Manager zu haben, sondern dass fördernde Prozesse im Verein durch eine entsprechende Struktur gestärkt werden. Man sollte diese Personalie als Kapitän für erfolgreiche Vereine sehen.

In welchen Vereinen kommt der Manager infrage?

Je größer der Verein, umso sinnvoller der Manager. Auf der Tagesordnung eines Vorstands sollte jedes Mal das Ehrenamt als Thema draufstehen. Damit wird es zum festen Bestandteil der Vereinsplanung.

Welche anderen Methoden gibt es noch?

Wir sollten aufhören, nur darüber zu sprechen, wie es früher war, und nach vorne schauen. Es gibt Organisationen, in denen man nicht gerade einladend kommuniziert. Viele Leute engagieren sich, weil es schön ist und sie Menschen treffen. Wir müssen uns von dieser Einstellung lösen, dass Ehrenamt anstrengend ist und es minderwertige Aufgaben gibt. 

Wie kann man das Ehrenamt generell attraktiver machen?

Die Art, darüber zu kommunizieren, ist schon ein Teil davon. Zudem müssen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Es gibt Vereine, die aus bürokratischen Gründen vor dem Kollaps stehen. Wenn die Politik das Thema Ehrenamt als gesellschaftlichen Faktor einstuft, braucht es entsprechende Unterstützung. Das kann dann auch so etwas wie Sonderurlaub sein, da es ein Zeichen ist, wie wichtig das Engagement für die Gemeinschaft ist. Wenn wir ehrlich sind: Niemand ist so altruistisch und engagiert sich ohne Grund. Wir wollen persönlich profitieren. Wenn die Gesellschaft darüber spricht, ist das ein nächster Schritt. 

Fakt ist auch: Ehrenamt ist ein Luxus. Wenn ich satt und zufrieden bin, habe ich Zeit dafür, mich zu engagieren. Dass das Ehrenamt in vielen Teilen noch sehr männlich ausgeprägt ist, ist geschichtlich bedingt. Es gibt jetzt immer mehr Frauen im „Bénévolat“. Doch früher waren die Geschlechterrollen klar verteilt und es war der Mann, der nach der Arbeit Zeit für Sport oder Verein hatte, während die Frau bei den Kindern blieb. Da sich jetzt viele Männer ebenfalls um Kinderbetreuung kümmern, haben sie weniger Zeit für Ehrenamt. Auch hierfür gibt es Lösungen: Nicht jede Aufgabe erfordert unbedingt Präsenz im Verein: Manchmal reicht es, sich einmal im Monat für 30 Minuten hinzusetzen, um die Webseite zu betreuen. 

Die Tageblatt-Serie

Teil 1: Das Ehrenamt: Eine vom Aussterben bedrohte Spezies? 
Teil 2: Was ist überhaupt ein „Benevolatsmanager“? Das Interview mit Susanna Hölscher (am 19. Februar)
Teil 3: Die „Agence du bénévolat“ öffnet dem Tageblatt seine Türen (am 26. Februar)
Teil 4: Gesichter des Ehrenamts (am 5. März)
Teil 5: Das Abschlussinterview mit Sportminister Georges Mischo (am 12. März)

Ab wann ist Ehrenamt ein Ehrenamt?

Sobald ich freie Zeit einbringe. Ob das eine Stunde im Monat ist, oder mehrmals die Woche. Ehrenamt ist auch, einmal im Monat Trikots zu waschen. Die Frage ist ja: Was hätte es für Konsequenzen, wenn es nicht getan würde? Es bewegt sich etwas: Die Wahrnehmung, wie wir über das Ehrenamt sprechen oder darüber, dass Ehrenamt über Vorstandsaufgaben hinausgeht. Wenn wir von diesen Ideen wegkommen und das Ganze als Netzwerk sehen, macht es das Engagement viel attraktiver. Selbst wenn ich nur im Herbst dreimal den Hof kehre, und ich ein aufrichtiges Dankeschön bekomme – das muss nicht immer ein teures Geschenk sein – macht es die Aufgabe attraktiv. 

Können Sie die Skepsis nachvollziehen, wenn es um die Umsetzung dieser neuen Ideen geht?

Absolut. Gerade bei Menschen, die schon lange aktiv sind. Doch der Benevolatskreislauf resultiert eben genau aus den Erfahrungen der langjährigen Helfer. Vieles wird schon in den Vereinen umgesetzt, bloß fehlt die Struktur. Doch wenn gerade jetzt ein Umdenken nicht notwendig wäre, würde nicht darüber geredet werden. Der Benevolatsmanager löst die bestehende Expertise nicht einfach ab. Ziel ist es, das Ehrenamt nachhaltig zu sichern. 

Welche Rückmeldungen haben Sie von den Teilnehmern der Schulungen erhalten?

Meist habe ich am Ende ein Gefühl von einer Mischung aus „viel Arbeit“ und „es macht Sinn“. Die Probleme sind fast überall die gleichen. Ein weiterer Mehrwert der Ausbildung ist die Vernetzung: Man sieht, dass es anderen genauso geht. Der Luxemburger Sport besteht aus vielen einzelnen Vereinen, doch das Interesse geht überall in die gleiche Richtung.

Zur Person

Susanna Hölscher ist Gründerin und Inhaberin von „Ziel & Lösung – Organisationsentwicklung und Prozessbegleitung“ aus Berlin. Sie unterstützt Nonprofit-Organisationen bei der Verbesserung und Sicherung von Organisationsstrukturen und -abläufen. Mit ihrer Unterstützung ist der Benevolatskreislauf für den Luxemburger Sport entstanden.