Zwischen London und Luxemburg, zwischen Indie-Filmen und Blockbustern – Sarah Lamesch meistert den Spagat zwischen Kreativität und knallhartem Wettbewerb. Als Schauspielerin, Drehbuchautorin und Produzentin trotzt sie dem Druck der Branche und macht Gegensätze zu ihrer Stärke. Doch was bedeutet es wirklich, in dieser Welt zu bestehen?
Für Sarah Lamesch ist das Leben kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Zwischen Londons kreativer Intensität und der ruhigen Gelassenheit ihrer Heimat Luxemburg hat sie ihre Balance gefunden. Als Schauspielerin in nationalen wie internationalen Filmen wie „Phantom Thread“ (2017), „Mary Shelley“ (2017) und „Murer – Anatomy of a Trial“ (2018) bewegt sie sich selbstbewusst zwischen den Extremen und macht genau diese Gegensätze zu ihrer Stärke.
Zwischen Castings, Festivals und Drehtagen bleibt wenig Raum für Pausen. „London ist aufregend, es gibt so viele Möglichkeiten“, erzählt die junge Frau „aber die Stadt kann auch brutal sein. Wenn du dich nicht beweist, wirst du schnell vergessen.“ Sie spricht offen über den Druck, den ihr Beruf mit sich bringt.
Ein besonderer Moment in ihrer rezenten Karriere war ihr erster Kurzfilm, den sie selbst geschrieben und produziert hat. „Es war verrückt – ich hatte keine Ahnung, wie man so was macht, aber ich habe es einfach versucht.“ Der Film, eine Mischung aus Persönlichem und Fiktion, wurde anschließend sogar auf Festivals gezeigt und stieß auf positive Resonanz. „Es war surreal, meinen eigenen Film im Kino zu sehen“, erinnert sie sich. Ein wichtiger Moment der Selbstbestätigung.
Erfolg auf Umwegen
Der Weg in die Schauspielerei war für Sarah Lamesch keineswegs vorgezeichnet. „Ich wusste schon früh, dass ich performen will“, erzählt sie. „Als Kind habe ich stundenlang getanzt, später intensiv trainiert, bis ich irgendwann realisierte: Ich will nicht nur Tänzerin sein. Ich will Geschichten erzählen.“ Nach dem Abitur folgte der Entschluss: Schauspielschule in London. Die London Academy of Music and Dramatic Art wurde zu ihrer neuen Heimat. Doch der Weg war nicht einfach. „Ich habe alles selbst herausfinden müssen. Mein erstes Casting-Foto war ein Bild, das eine Freundin vor einer weißen Wand geschossen hat. Es war amateurhaft, aber ich habe einfach gemacht.“

Heute kann sie auf Rollen in internationalen Produktionen zurückblicken. Eine dieser Erfahrungen war ihre Rolle im Film „Phantom Thread“, in dem sie an der Seite von Vicky Krieps und Daniel Day-Lewis mitwirkte. „Es war eine unglaublich spannende Erfahrung, auch wenn meine Rolle im Endschnitt stark gekürzt wurde. Trotzdem war es surreal, mit solchen Größen zu arbeiten. Teilweise war es fast wie ein Studentenfilm – irgendwie chaotisch, aber voller Magie“, beschreibt sie die internationale Produktion.
Trotz solcher Erfolge betont sie, dass der Alltag oft weniger glamourös ist, als man sich vorstellt. „Casting-Termine sind hart, und selbst wenn du eine Rolle bekommst, weißt du nie, wie es weitergeht.“ In ihrer freien Zeit versucht sie, stets Neues zu lernen. „Ich liebe es, mich in Dinge zu stürzen, die ich noch nicht kann – sei es Stepptanz, Fechten oder ein Akzent für eine neue Rolle.“ Diese ständige Weiterentwicklung ist für sie nicht nur ein Teil ihrer Arbeit, sondern auch eine Lebensphilosophie. „Man muss sich manchmal ins kalte Wasser werfen, um wirklich zu wachsen.“
Zwischen Indie-Filmen und Blockbustern
Die Schauspielerin verfolgt klare Ziele: „Ich will ein Gleichgewicht zwischen kommerziellen Projekten und Indie-Filmen finden.“ Sie nennt Margot Robbie als Vorbild, die nicht nur als Schauspielerin erfolgreich ist, sondern auch ihre eigene Produktionsfirma leitet. „Das inspiriert mich. Ich will irgendwann meine eigenen Projekte umsetzen, besonders solche, die Frauen in den Mittelpunkt stellen.“
Sarah Lameschs Wurzeln liegen in Luxemburg, einem Land, das für seine kulturelle Vielfalt und seine reiche Geschichte bekannt ist. Diese Herkunft prägt ihre Arbeit bis heute. Sie spricht fließend mehrere Sprachen, darunter Luxemburgisch, Deutsch, Französisch und Englisch – ein Vorteil, der es ihr ermöglicht, eine breite Palette von Rollen in verschiedenen Kontexten zu übernehmen.
Der Balanceakt zwischen Luxemburg und London eröffnet ihr dabei unerwartete Möglichkeiten. Sie ist stolz darauf, Teil der hiesigen Filmindustrie zu sein, die trotz ihrer bescheidenen Größe beeindruckende Projekte hervorbringt. „Die Koproduktionen hier in Luxemburg ermöglichen es uns, international sichtbar zu sein. Es ist aufregend, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die wächst und neue Stimmen einbringt.“
Doch London bleibt für sie die „kulturelle Basis“. Dort sind die Möglichkeiten für Schauspieler*innen wie sie zahlreicher, aber auch die Konkurrenz ist härter. „In London lernt man, sich durchzusetzen“, erklärt sie. „Es geht nicht nur um Talent, sondern auch um Networking. Manchmal fühlt es sich an, als wäre die halbe Arbeit, auf Partys Gespräche zu führen.“ Und obwohl sie zwischen London und Luxemburg pendelt, bleibt sie flexibel: „Ich könnte auch in Toronto oder anderswo leben, wenn es der richtige Job erfordert.“
Die Herausforderungen als Frau im Filmgeschäft
Doch die Schauspielwelt ist kein gerader Weg. Mit einer beeindruckenden Ehrlichkeit reflektiert sie über Unsicherheiten und die harschen Realitäten ihres Berufs. Networking, Selbstzweifel und intensiver Konkurrenzdruck gehören genauso dazu wie die Momente purer Kreativität. In einer Branche, die von schnellen Urteilen und Klatsch lebt, ist Standhaftigkeit gefragt.

Als Frau in der Filmbranche hat Sarah Lamesch sowohl Fortschritte als auch Herausforderungen erlebt. „Es gibt immer noch diese subtile Erwartung, dass du dich anpassen musst“, sagt sie. Besonders heikel wird es bei Szenen mit körperlicher Nähe: „Heute gibt es Intimacy Coordinators, die sicherstellen, dass bei intimen Szenen alles abgesprochen ist. Das ist ein großer Schritt nach vorne.“ Sie erwähnt jedoch auch die nach wie vor bestehenden Ungleichheiten: „Frauen werden oft strenger beurteilt, sowohl optisch als auch in ihrem Verhalten. Du musst dauernd beweisen, dass du professionell bist, aber gleichzeitig nicht als schwierig wahrgenommen werden. Es ist nicht leicht. Du bist ständig exponiert, musst oft Ja sagen, obwohl du lieber Nein sagen würdest. Gerade als Frau in der Filmwelt wirst du mit Erwartungen konfrontiert, die manchmal überwältigend sein können.“
Sie spricht offen über #MeToo und den strukturellen Wandel in der Branche. Auf bekannte Fälle wie zum Beispiel den von Kevin Spacey angesprochen, zeigt sie sich nachdenklich: „Es war irgendwie ein offenes Geheimnis. Jeder wusste, dass da Dinge passieren, die nicht in Ordnung sind. Aber es war, als hätte niemand den Mut, es laut auszusprechen.“
Ehrliche Dankbarkeit
Sarah Lamesch ist bekannt für ihre besondere Art, Dankbarkeit auszudrücken. Networking sei eine Kunst für sich, sagt sie, doch was wirklich zählt, ist das Zwischenmenschliche. „Ein ehrliches Danke an die Crew ist manchmal mehr wert als tausend Worte.“ Sie schreibt handgeschriebene Karten an Kolleg*innen, Regisseur*innen und andere Wegbegleiter*innen. „Ich glaube, wir vergessen oft, wie viel eine kleine Geste bewirken kann. Eine Karte zeigt, dass man sich Zeit genommen hat und die Zusammenarbeit schätzt.“ Diese Tradition hat sie von ihrer Mutter übernommen und pflegt sie bewusst weiter. „Das macht die Beziehungen persönlicher und bleibt den Menschen oft in Erinnerung.“
Ein Blick in die Zukunft
Trotz aller Herausforderungen blickt Sarah Lamesch optimistisch in die Zukunft. „Ich lerne jeden Tag etwas Neues. Ich nehme weiter Schauspielkurse, probiere neue Dinge aus und wachse.“ Ihre jüngsten Projekte umfassen eigene Drehbücher und Produktionen, eine neue Ebene ihrer kreativen Arbeit. Und was ist der größte Traum? „Ein Leben, in dem ich von meiner Kunst leben kann, ohne ständig Kompromisse eingehen zu müssen. Ich will nicht reich sein. Ich will nur genug haben, um mit Freiheit zu schaffen.“
De Maart
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