Pablo Larraín hat in seinen früheren Filmen eindrücklich gezeigt, dass er sich ganz der Frauenperspektive verschrieben sieht: „Jackie“ (2016), über die Frau des US-Präsidenten J.F. Kennedy, und „Spencer“ (2022), über Prinzessin Diana, waren die zwei vorherigen Teile einer Trilogie um große Frauenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Angelina Jolie spielt in „Maria“ die berühmte Opernsängerin Maria Callas, die an ein Comeback glaubt. Auf ihre letzten Tage in Paris fokussiert, zeigt der Film in Rückblenden ihre Erinnerungen, sie sind der einzige Anknüpfungspunkt an die glorreichen Zeiten ihrer künstlerischen Laufbahn.
Sie leidet an Muskelschwund, lebt isoliert in ihrer großräumigen Pariser Wohnung, das Verhältnis zu ihren Bediensteten, darunter die Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher) und der Kammerdiener Ferruccio (Pierfrancesco Favino), ist angespannt. Im Laufe der Zeit hat Maria eine Medikamentensucht entwickelt, nicht immer ist klar, welche Szenen tatsächliche Erinnerungen sind und welche sie im Wahn imaginiert. In Rückblenden wird so von der Beziehung zu dem erfolgreichen Reeder Aristoteles Onassis (Haluk Bilginer) erzählt, die Maria Callas zum Aufmerksamkeitszentrum der Klatschpresse machte, aber auch die belastende Kindheit in Griechenland zur Zeit der Besatzung durch die Nazis wird eingeflochten.
Arbeit am Mythos
Larraíns neuer Film zeigt eindrucksvoll, wie ambivalent filmische Künstlerbiografien in ihrem Wesen sind, wie trügerisch fiktionale Bilder, auch die hier präsentierten, sein können. Da, wo in „Better Man“ im Kino gerade die „wahre Robbie-Williams-Story“ behauptet wird, wählt Larraín einen gänzlich anderen Zugang. Mitnichten ist hier ein klassisches Biopic entstanden, im Gegenteil: Wie zuvor in „Jackie“ und „Spencer“ überhöht er die Callas, die die Callas war, den Opernstar vergangener Zeiten, eine einzigartige Stimme, und ihr Privatleben. Larraín erdet sie ebenso, besonders im Zusammenspiel mit ihren Bediensteten, sie bilden in der großräumigen Pariser Wohnung eine Kernfamilie, deren diskursives Zentrum die scheidende Künstlerin ist: Aus ihrer unmittelbaren Erlebnissphäre wird über das vergangene Leben nachgedacht, ihre Schicksalsschläge zwischen einstiger obsessiver, rauschhafter Liebesbeziehung, degenerativer Muskelkrankheit, schwindender Stimme und vergangenem Ruhm sind mit ihr zu durchleiden.
Es ist eine Arbeit am Mythos, eine Reflektion über Öffentlichkeitswahrnehmung, über kollektive Vereinnahmung – und über die Unmöglichkeit, eine historische Wahrheit zu destillieren, so sehr verschwindet Maria Callas hinter all diesen Ebenen, sie ist nicht zu fassen. Sie bleibt unnahbar. Und es ist mal mehr, mal minder verdeckt ein Film über die Schauspielerin Angelina Jolie: Der Hollywood-Star feiert hier ein Comeback, es ist eine reifere und komplexere Figur, derer sie sich hier annimmt, abseits des gewohnten früheren Rollenbildes – die Bezüge zwischen der Figur Maria Callas und der Schauspielerin Angelina Jolie im Mittelpunkt der Boulevardzeitungen liegen zudem auf der Hand.
Mit „Maria“ verfolgt Larraín so eine konsequente Dekonstruktion des Biopics als Genre. Der Blick hinter die Kulissen, den der Film mehr oder weniger direkt verspricht, ist eine Illusion, ein Konstrukt der Bildmaschinerie Hollywoods. Larraíns Filmbiografie über Maria Callas zerlegt sich über die vielschichtigen medialen Ebenen selbst – sprechend sind da besonders die im Tablettenrausch imaginierten Interview-Szenen. Am Ende steht die Erkenntnis, dass eine Person des öffentlichen Interesses niemals vollends ergründet werden kann. Es ist der Triumph über die Schaulust der Medien, die leise Auflehnung, die Maria Callas am Ende bleibt.
De Maart
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