Mittwoch24. Dezember 2025

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ÖsterreichMachtberauschte FPÖ überspannte den Bogen: Koalitionsverhandlungen geplatzt

Österreich / Machtberauschte FPÖ überspannte den Bogen: Koalitionsverhandlungen geplatzt
FPÖ-Chef Herbert Kickl vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP in Wien Foto: Georg Hochmuth/APA/dpa

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Es kam wie erwartet: Die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP sind am Mittwoch geplatzt – und damit auch Herbert Kickls Traum vom Kanzleramt. Mehr als vier Monate nach der Wahl steht Österreich einmal mehr vor der Frage, wie es nun weitergehen soll.

Diesem Anfang wohnte kein Zauber inne. Gleich vom Start weg hatte die FPÖ die Christdemokraten spüren lassen, wer in dieser Koalition den Ton angeben würde. Der neue Parteichef Christian Stocker hoffte vergeblich, Kickl würde sich den Chefsessel am Ballhausplatz weitreichende Zugeständnisse kosten lassen. Obwohl nur zweieinhalb Prozentpunkte stärker als die ÖVP, gerierte sich die FPÖ so, als hätte sie im September die „Absolute“ errungen. Kickl bestand nicht nur auf dem Innenministerium, sondern stellte Forderungen, die auf einen „Öxit“ durch die Hintertür und ein Ende der Westorientierung der Alpenrepublik hinausgelaufen wären. Urteile des Europäischen Gerichtshofes hätten nicht länger Vorrang vor nationalem Recht haben, Österreich aus der NATO-Partnerschaft für Frieden und dem Sky-Shield-Abkommen austreten sollen.

ÖVP besann sich

Da der zunächst sehr zur FPÖ drängende ÖVP-Unternehmerflügel allmählich die von einem Alpen-Orban ausgehende Gefahr für den ohnehin darniederliegenden Wirtschaftsstandort erkannte, wollte die Partei ihre europäische Seele dann doch nicht an den blauen Teufel verkaufen. So blieb Kickl Dienstagnachmittag nichts anderes übrig, als Bundespräsident Alexander van der Bellen erneut aufzusuchen und den Regierungsbildungsauftrag zurückzulegen. Seit Tagen war ohnehin kaum noch verhandelt worden. Vielmehr versuchten beide Seiten, mit öffentlichen Statements oder geleakten Dokumenten ihre Erzählung von der Schuld des jeweils anderen aufzubereiten.

Ernste Warnungen

Stocker warf Kickl „Machtrausch“ vor, die FPÖ wiederum bemängelte fehlende Kompromissbereitschaft der nur an Postenschacher interessierten ÖVP. Mit ausschlaggebend für das Ende dürfte der Streit ums Innenministerium gewesen sein, wo die Direktion für Nachrichtendienst und Staatsschutz (DNS) angesiedelt ist. „Wir haben zahlreiche Warnungen aus dem Ausland erhalten, dass die Geheimdienstkooperation beendet werde, wenn Kickl das Innenministerium übernimmt“, hob Stocker eine Ursache des Scheiterns hervor. Die FPÖ wollte partout nicht aufs Innenministerium verzichten, das Kickl schon von 2017 bis 2019 geführt hatte. Damals hatte der Berner Club, ein informelles Gremium europäischer Nachrichtendienste, wegen der FPÖ-Nähe zu Russland und zu Rechtsextremisten die Zusammenarbeit mit Österreich auf das Notwendigste beschränkt.

FPÖ will Neuwahlen

Kickls Scheitern dürfte also auch bei den EU-Partnern für Erleichterung gesorgt haben, wenngleich noch keine endgültige Entwarnung gegeben werden kann. Denn ob sein Traum für immer ausgeträumt ist, steht in den Sternen. Die FPÖ setzt nun auf Neuwahlen, startete sie doch aus der Poleposition. Zwar hat ihr das Gezerre der vergangenen Tage einen leichten Knick in den Umfragen beschert, mit etwa 35 Prozent liegt sie aber weit vor SPÖ und ÖVP, die an der 20-Prozent-Marke um Platz zwei und drei rittern.

Am Zug ist nun erneut der Bundespräsident, dem eingedenk der Ausgangslage ebenso wie allen anderen, noch dazu finanziell ausgebluteten Parteien einen Wahlkampf vermeiden möchte. Die Frage ist nur: Wie?

Opfert die SPÖ Babler?

Eigentlich sind schon alle möglichen Varianten durch. Nachdem die Liberalen die Verhandlungen mit SPÖ und ÖVP mangels Reformwillen der beiden anderen beendet hatten, versuchten es Christ- und Sozialdemokraten kurz miteinander, was ebenfalls krachend scheiterte. Eine SPÖ-ÖVP-Koalition hätte zudem nur eine Stimme Überhang im Parlament, zu wenig für die gerade in diesen Krisenzeiten wünschenswerte Stabilität.

Nun steht aber ein neuer Anlauf zur Austro-Ampel im Raum: SPÖ, NEOS und auch Grüne wollen noch einmal mit der ÖVP reden. Auch von dort kamen gestern positive Signale in diese Richtung, allerdings unter einer Bedingung: nicht mit Andreas Babler. Der SPÖ-Vorsitzende ist für die Christdemokraten ein rotes Tuch. Nachdem sein Linksaußen-Kurs weder bei Wahlen noch bei den Koalitionsverhandlungen erfolgreich war, steht er aber auch bei vielen Genossen nicht mehr hoch im Kurs. Dass sie ihn aber quasi auf Zuruf der ÖVP opfern, ist dennoch unwahrscheinlich.

Und so könnte Alexander van der Bellen nur noch die Möglichkeit einer Übergangsregierung bleiben, die aber kaum die dringendst nötigen Weichenstellungen im nunmehr dritten Rezessionsjahr, sondern nur eine Verschnaufpause bis zu Neuwahlen bringen würde. Gewinnt diese wieder die FPÖ, beginnt das austriakische Drama von vorn.

Grober J-P.
13. Februar 2025 - 9.15

Freund Herbert aus Innsbruck weiß nicht mehr wohin, hat immer wieder ALPträume, das waren noch Zeiten mit dem alten Bruno. „Könnte ich zu dir?“ Nein, man wird dich sofort wieder abschieben, oder kommst du aus einem Tyrannenstaat?

Luxmann
13. Februar 2025 - 9.05

Oesterreich ist seit 1955 sehr gut mit der neutralitaet gefahren und sollte sich auf jeden fall lichtjahre weit von jeder nato partnerschaft und aehnlichem entfernt halten.

Guy Mathey
12. Februar 2025 - 19.49

Das ist seit langer Zeit die erste positive Nachicht aus der Alpenrepublik!
Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein!
Demokrat*innen, jetzt liegt der Ball bei euch, reisst euch endlich zusammen und macht eine Politik, welche den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird.