Mittwoch24. Dezember 2025

Demaart De Maart

SlowakeiBratislava in der Gas-Zwickmühle: Robert Fico führt nur mehr Minderheitsregierung an

Slowakei / Bratislava in der Gas-Zwickmühle: Robert Fico führt nur mehr Minderheitsregierung an
Der slowakische Regierungschef Robert Fico (l.) wendet sich während einer Parlamentsdebatte an den Vorsitzenden der oppositionellen „Progressiven Slowakei“, Michal Šimečka Foto: Tomas Benedikovic/AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Seit knapp einer Woche fließt wieder russisches Gas in die Slowakei. Statt des früheren Transits durch die Ukraine haben die Partner von Gazprom, der türkischen und der slowakischen Regierung den neuen Handelsweg über TurkStream, eine Pipeline, die von Russland durchs Schwarze Meer in die Türkei führt, für die Versorgung der Slowakei gefunden.

Wie hoch der politische Preis ist, den das EU- und NATO-Mitglied Slowakei dafür zu zahlen hat, wird sich noch zeigen müssen. Die Proteste gegen den prorussischen Regierungs- und Smer-Chef Robert Fico reißen derzeit nicht ab. In 30 Städten des Landes versammelten sich Protestierende. Allein in der Hauptstadt Bratislava sollen sich etwa 45.000 Menschen versammelt haben. „Nieder mit Fico“, „Putins Agent“ oder „Haft für den Repräsentanten des Kriegsverbrechers Putin“ war auf den Plakaten der aufgebrachten Menge zu lesen. Anlass für die neuerlichen Demonstrationen war das jüngste Treffen des Regierungschefs mit Putin im Kreml. Kein anderer EU-Spitzenpolitiker außer dem ebenfalls populistischen Ungarn Viktor Orbán hat es bislang gewagt, den geächteten Präsidenten Russlands zu besuchen. Und kein anderer wagte es ebenfalls, die Solidarität gegenüber der vor drei Jahren überfallenen Ukraine in Frage zu stellen. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass im inneren Kreis der Smer-Spitze Ideen zirkulieren, die Slowakei solle der EU den Rücken kehren. Ein solches Ansinnen wird immerhin dem Parlamentspräsidenten Tibor Gašpar zugeschrieben.

Alles für Gas?

Abgesehen davon, dass Fico traditionell eher Osteuropa als der EU zugeneigt ist, zeigt der Regierungschef für seine neue Kontaktaufnahme nach Russland handfeste wirtschaftliche Gründe des Landes vor. Im August des vergangenen Jahres hat die Ukraine die bis dahin immer noch fließenden Gasströme aus Russland in die Slowakei gestoppt. Für die slowakische Wirtschaft – bis zum Ukrainekrieg eine der florierenden im ehemaligen Ostblock – ein herber Rückschlag. Der Chef des staatlichen Gasimporteurs SPP, Vojtech Ferencz, erklärte, Gas als Ersatz für die russischen Importe aus anderen Ländern zu beziehen, würde den Staat 90 Millionen Euro mehr kosten. Damit die Wirtschaft jedoch stabil bleiben könne, müsse man auf den Lieferungen russischen Gases bestehen. Bratislava zeigte sich empört über die ukrainische Abschaltung der Pipelines und drohte, Kiew Unterstützung im Krieg gegen Russland zu entziehen.

Parallel zu Ficos Besuch in Moskau liefen Verhandlungen mit Gazprom und der Türkei. Nun fließt das Gas über TurkStream in die Slowakei. Und dies nicht ohne stillen Beifall einiger EU-Nachbarn, denn auch Österreich und Tschechien profitieren von den Gasströmen, selbst wenn man in Wien und Prag dazu offen nicht Stellung beziehen will und sich von Ficos Verhalten distanziert.

Probleme im eigenen Haus

Obwohl er wirtschaftlich mit dem Gasdeal einen Erfolg erzielt haben könnte, dürfte Ficos Gang nach Moskau für das Ansehen der Slowakei in der EU Schaden genommen haben. Ob und welche Konsequenzen dies haben wird, ist noch nicht abzusehen. Derzeit schaut man in Brüssel und den anderen europäischen Hauptstädten erst einmal nach Washington und wartet die Haltung der neuen US-Regierung zum Ukrainekrieg ab.

Für Fico eine Verschnaufpause, die er dringend nötig hat. Denn im eigenen Haus stehen ernstere Probleme an. Die Regierungskoalition seiner Smer mit der ebenfalls sozialdemokratischen Hlas und der nationalistischen SNS verfügte zu Amtsantritt über eine knappe Mehrheit von 79 der 150 Nationalratssitze. Inzwischen sind jedoch drei SNS- und vier Hlas-Abgeordnete abgesprungen und Robert Fico steht nur mehr einer Minderheitsregierung vor. Zwar betonten einige der Abgesprungenen, sie würden eventuell Entscheidungen der Koalition mittragen, doch ist deren Lage eher mit desolat zu beschreiben.

Der Vorsitzende der oppositionellen „Progressiven Slowakei“, Michal Šimečka, erklärte bereits, man könne der aktuellen Regierung live beim Sterben zusehen. Und soziale Medien zeigten einen durchaus resignierten Regierungschef, der vorgezogene Neuwahlen nicht mehr ausschließt. Die Demonstranten würden das Ende der vierten Fico-Regierung begrüßen, ob die Republik damit stabiler würde, bliebe jedoch abzuwarten. Das Gasproblem dürfte dabei ein geringeres sein.