Du bist so stark! Respekt, ich könnte das nicht. Danke, dass du deine Geschichte mit uns teilst. Danke für eure Arbeit.
Freundliche, doch auch leider oft leere Worte, die einem als Überlebende von sexualisierter beziehungsweise geschlechterspezifischer Gewalt in der Öffentlichkeit entgegenkommen. Ich bin selbst betroffen, bin selbst engagiert und versuche, der systematischen Ungerechtigkeit und Brutalität des Systems zu trotzen. Doch ich will ehrlich sein, es ist frustrierend. Egal wie sehr man sich öffnet, wie sehr man mit dem eigenen Schicksal nach außen tritt, es scheint doch stets eine unsichtbare Wand zwischen Opfern und dem Rest der Gesellschaft zu geben. Natürlich kann man nicht nachvollziehen, wie es ist, Missbrauch, häusliche Gewalt oder Vergewaltigungen zu durchleben, wenn man das Glück hatte, selbst nicht zur Betroffenen zu werden. Ich verwende bewusst die weibliche Form, da es nun mal in den meisten Fällen Frauen sind, die den aufgezählten Gewaltformen zum Opfer fallen.
Natürlich sind auch Männer betroffen. Das Stigma, sich als Mann in einer patriarchalen Gesellschaft wie der unseren als Opfer zu outen, ist ohne Zweifel ein erhebliches Problem. Nichtsdestotrotz sind Frauen öfter betroffen. Die Täter sind meistens männlich. Ein Mann ist einem größeren Risiko ausgesetzt, durch einen anderen Mann vergewaltigt zu werden, als durch eine fälschliche Beschuldigung einer Frau diffamiert zu werden. Eins steht fest: Sexualisierte Gewalt ist ein klares Männerproblem. Nun stellt sich allerdings die Frage, wo sind die Männer, wenn es darum geht, gegen dieses Problem anzukämpfen? Ich selbst kenne nur wenige. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass sich unter fast allen Beiträgen zu diesem Thema Kommentare sammeln von anonymen Verfassern, die Unverständnis, scharfe Kritik oder Aussagen nach dem Motto #notallmen bzw. was ist mit den Männern – auch Männer sind betroffen – bitte mehr über Männer reden – nie geht es um Männer, kundtun. Gegenfrage: Wo seid ihr aktiv, was tut ihr gegen Gewalt? Ich möchte euch ermutigen, mit eurer brennenden Leidenschaft für soziale Gerechtigkeit aus den Kommentarbereichen auszubrechen und diese sinnvoll in der realen Welt anzuwenden. Zusammen sind wir stärker.
Meine Kritik gilt allerdings nicht nur den Männern, das wäre nicht fair. Sie gilt einer jeden Person, die es als unangenehm empfindet, für Menschenrechte einzustehen. Es kann und darf nicht sein, dass es alleine an betroffenen Gruppierungen liegt, für einen gesellschaftlichen, politischen und juristischen Umschwung zu sorgen. In jedem öffentlichen Raum, in dem ich mich als Überlebende von sexualisierter Gewalt zu erkennen gebe, spricht mich mindestens eine Frau an, um ihre Geschichte mit mir zu teilen. Andere Gleichgesinnte zu sehen, die sich nicht schämen, ins grelle Licht der gesellschaftlichen Bühne zu treten, gibt ihnen die Kraft, auch einen Schritt nach vorne zu machen. Wir sind hier, wir sind viele, wir haben überlebt und wir kämpfen gemeinsam.
Wir sind hier, wir sind viele
Dem systematisch etablierten Täterschutz muss ein Ende bereitet werden. Betroffenen muss mehr als nur zugehört werden. Es müssen reale Konsequenzen folgen, sei es das Rechtssystem betreffend, den Umgang mit Überlebenden oder die notwendige Aufklärung- und Präventionsarbeit. Besonders zu betonen an dieser Stelle gilt es, dass es Menschen jeglichen Geschlechtes für diese Arbeit braucht. Wenn einem die Finger wund werden vom konstanten Tippen von völlig realitätsfernen Kommentaren, in welchen besorgt darüber kund getan wird, dass doch wirklich nicht alle Männer über einen Kamm geschert werden können, man aber auch wirklich gar nichts mehr sagen und tun dürfe, ist es wirklich an der Zeit, von den Bildschirmen aufzublicken und sich mit realen Fakten, Geschichten und Menschen auseinanderzusetzen.
Des Weiteren möchte ich Leser und Leserinnen ansprechen, die selbst zum öffentlichen Diskurs beitragen, sei es durch anregende Artikel oder Petitionen, die im Rahmen der Ethik stattfinden. Brennend aktuelle Bespiele wären das Thema Abtreibung sowie die rezent in der Chamber diskutierte Petition n°3198 zum Ausschluss jeglicher queeren Themen im schulischen Rahmen. Laut, männlich und heterosexuell sind viele Stimmen, die sich in den vorderen Reihen kritisch mit diesen gesellschaftlichen Themen auseinandersetzten. Ohne beide Beispiele beziehungsweise meine Positionen hier weiter vertiefen zu wollen, möchte ich Ihren Blick auf folgende Fragen lenken: Wo sind all diese Ethiker, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht? Wo sind die besorgten Eltern und Bürger, wenn es um reale Gewalt gegen Kinder geht? Wo ist all die berechtigte Sorge und Inbrunst bei diesem uns alle betreffenden Thema? Oder ist es in Wirklichkeit nicht der Wille zu einem positiven gesellschaftlichen Wandel beizutragen, sondern pure Misogynie und Queer-Feindlichkeit, die sich unter dem Deckmantel akademischer Ansätze oder Sorge um „traditionelle Familienwerte“ verstecken? So viel dazu.
Abschließend möchte ich allen anderen, die erschöpft in die Zukunft blicken, erneut sagen: Wir sind hier, wir sind viele, wir haben überlebt und wir kämpfen gemeinsam.
De Maart
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