„Man könnte sagen, Fashion Photography wurde in Luxemburg erfunden“, so Fotograf und Moderator Paolo Lobo am 3. Februar bei einem Rundtischgespräch zu Fashion Photography des „Fotoclub Diddleng“. Edward Steichen, in Luxemburg geboren und später in den USA berühmt, schuf 1911 die ersten Modeaufnahmen für Vogue und Vanity Fair. Er verband Kunst mit Kommerz, machte Mode erlebbar und legte damit den Grundstein für eine heute milliardenschwere Branche.
Von den avantgardistischen Schwarz-Weiß-Bildern der 1920er über die inszenierte Werbung der 1950er bis zur erotischen Ästhetik Helmut Newtons in den 1970ern: Fashion Photography spiegelt stets ihre Zeit. In den 1990ern prägte Peter Lindbergh mit natürlichen Supermodel-Porträts die Branche, während Oliviero Toscani mit Benetton-Kampagnen Werbediskurse veränderte. Heute fordert das digitale Zeitalter mit Social Media und Künstlicher Intelligenz Fotograf*innen erneut heraus – und bietet neue Chancen.
„Fast forward“
Fast forward ins Jahr 2025: Am vergangenen Montag hat sich eine Gruppe neugieriger Menschen im VEWA versammelt, um die Welt der Fashion-Fotografie aus erster Hand kennenzulernen. Der „Fotoclub Diddeleng“ lädt zur dritten Ausgabe seiner Roundtable-Serie ein. Nach Fotojournalismus und Street Photography steht nun die Modefotografie im Fokus. Edouard Olszewski, Lynn Theisen und Martine Pinnel: Drei Gäste, drei Perspektiven – ein ehrlicher Blick auf Kreativität, harte Realitäten und die Frage, ob Fashion-Fotografie in Luxemburg überhaupt möglich ist.
Wie entstand die Idee zur Roundtable-Diskussion? Lex Kleren, Fotograf und Clubmitglied, erklärt: „Wir wollen die Vielfalt der Fotografie zeigen – von Presse über Architektur bis Naturfotografie. Fashion war der nächste logische Schritt.“ Und an wen richtet sich das Event? Für Kleren ist klar: „An alle! Wir wollen sowohl Profis als auch Amateure ansprechen. Es geht darum, Fragen zu stellen, sich auszutauschen und von Expert*innen zu lernen. Auch Profis können noch etwas mitnehmen, besonders wenn sie nicht aus der Fashion-Fotografie kommen.“
Edouard Olszewski und die Lust am Inszenieren
Für Olszewski ist Fashion-Fotografie ein kreativer Katalysator. Ein Ort, an dem Make-up-Artist*innen, Stylist*innen und Models zusammenkommen, um eine Vision zu erschaffen. Doch die Realität? Die großen Kampagnen werden von Agenturen dominiert, der Freiraum für Kreativität ist begrenzt. „Heutzutage musst du genau das fotografieren, was der Kunde will. Punkt.“ Es sei denn, man arbeitet an freien Projekten, wo es um künstlerische Ausdrucksformen geht. Doch kann man davon leben? Kaum. Auch er sieht Luxemburg als schwierigen Ort für Fashion-Fotografie.

Seine Anfänge in der Fotografie waren eher zufällig: „Eigentlich habe ich mir meine erste Kamera nur gekauft, weil meine damalige Freundin eine hatte. Dann wollte ich eine bessere. Typisch Mann. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass Fotografie meine Sprache ist.“ Heute fotografiert Olszewski Kampagnen, liebt aber vor allem die kreativen freien Arbeiten, die er selbst konzipiert. „Fashion ist für mich wie Drum and Bass in der Musik. Du kannst es mit allem kombinieren, es filtert deine Wahrnehmung der Welt.“ Olszewskis Bilder sind Erinnerungen an Teamarbeit, an die Zeit, die man gemeinsam verbringt. „Du kannst alles sein, was du willst in der Fashion-Fotografie – solange du eine starke Idee hast.“
Lynn Theisen und der Weg zur Vielseitigkeit
Lynn Theisen, die für das Event aus Bangkok angereist ist, bringt es auf den Punkt: „Wenn du nicht in New York, London oder Paris bist, dann nenne dich nicht Fashion Photographer.“ Luxemburg ist keine Mode-Metropole. Der Markt ist klein, echte Fashion-Kampagnen sind rar, und die meisten Fotograf*innen müssen sich breiter aufstellen, um überhaupt davon leben zu können. Lynn hat in Berlin als Assistentin gearbeitet, war nah an der High Fashion dran. Doch der Preis? Hundesitten für ihren Boss, statt wirklich kreativ zu sein. Irgendwann hatte sie genug davon. Sie kam zurück nach Luxemburg, gründete ihre eigene Firma und setzte auf Vielseitigkeit: „Hochzeiten, Porträts, Business-Shootings. Als Fotograf*in in Luxemburg muss man alles machen. Anders überlebst du nicht.“ Und dennoch, die Lust am Kreativen, am Inszenieren, hat sie nie verloren. „Fashion-Fotografie ist Spaß. Du kannst verrückte Dinge tun, eine Blume ins Gesicht einer Person setzen, mit Farben spielen. Diese Energie nehme ich mit in meine anderen Projekte.“
Martine Pinnel: Von Luxemburg in die USA nach China und zurück
Martine Pinnel wusste, dass Luxemburg zu klein für ihre Ambitionen war. Mit 18 zog sie in die USA, um dort Kunst und Fotografie zu studieren. Ihr Talent blieb nicht unbemerkt: 2012 gewann sie die Auszeichnung für das beste Portfolio an ihrer Universität. Das gab ihr das Selbstbewusstsein, sich weiter in der Modewelt zu behaupten. Ein Wendepunkt kam, als sie Finalistin bei einem von Vogue ausgerufenen Wettbewerb wurde. Ihre Fotos wurden in einer Galerie in New York ausgestellt – und plötzlich kamen die ersten ernsthaften Jobangebote. Von San Francisco über London bis nach Peking – Pinnel lebte den Traum vieler Modefotograf*innen. Sie arbeitete für große Magazine, reiste von einer Fashion Week zur nächsten, von Showrooms zu Editorial-Shootings.
Doch was nach Glanz und Glamour klingt, war oft das Gegenteil: „Fashion Week ist ein absolutes Haifischbecken. Jede*r hält sich für die wichtigste Person im Raum. Es ist nervenaufreibend und ein ewiger Konkurrenzkampf.“ Nach einigen Jahren in dieser Welt zog Pinnel die Reißleine. Sie wollte mehr kreative Kontrolle, mehr Substanz. Heute fotografiert sie kaum noch Mode. Stattdessen dokumentiert sie soziale Themen, beschäftigt sich mit Ausgrenzung, Rassismus, Verlust …
Die dunkle Seite der Modefotografie
Die Diskussion driftet schnell in die dunkleren Seiten der Branche ab. Unbezahlte Jobs, toxische Arbeitsverhältnisse, Machtmissbrauch … Immer wieder tauchen Berichte über Fotografen auf, die ihre Machtposition ausnutzen. Namen wie Terry Richardson oder Bruce Weber haben für Schlagzeilen gesorgt – und dennoch bleibt das Problem tief verwurzelt in der Branche.
Modefotografie ist nicht nur Glanz und Glamour. Es ist verdammt harte Arbeit.
Die Fotograf*innen sind sich einig: Respekt ist essenziell. „Transparenz ist alles. Wenn ein Shooting Nacktheit oder Erotik enthält, muss das vorher geklärt werden. Es gibt keine Überraschungen am Set“, sagt Olszewski.
Pinnel erzählt von einem Shooting für eine große Modemarke. „Der Art Director hat die Make-up-Artistin angeschrien. Dann mich. Und dann gesagt: ,Wir besitzen dich.‘ Ich habe das Shooting zu Ende gemacht, meinen Scheck geholt – und ihnen eine E-Mail geschrieben, dass ich nie wieder mit ihnen arbeiten werde.“ Die Runde diskutiert, wie man sich schützen kann: Nie alleine arbeiten. Klare Verträge. Und wenn sich etwas falsch anfühlt – einfach gehen.

Nach zwei Stunden Diskussion sind die Meinungen geprägt von Ehrlichkeit und Klarheit. „Selten bekommt man so ungefilterte Einblicke in diese Branche. Es war interessant und zugleich augenöffnend“, sagt Lex Kleren. Dieser Roundtable war nur eines von vielen Events, die der Fotoclub Diddeleng über das Jahr verteilt organisiert. Neben Talks wie diesem stehen auch Fotowalks, Ausstellungen, Secondhand-Fotomärkte und viele weitere Formate auf dem Programm.
Um den Abend auf einer positiven Note Ende zu lassen, erklärt Martine Pinnel: „Modefotografie ist nicht nur Glanz und Glamour. Es ist verdammt harte Arbeit. Es ist Reisen, sich beweisen, sich durchsetzen. Aber ich bereue keine dieser Erfahrungen! Auch wenn es manchmal hart war, hat es genauso viel Spaß gemacht. Man erfüllt sich Träume, Fantasien und kann kreativ sein, vor allem, wenn man Gleichgesinnte trifft. Und man spürt, wenn es irgendwann zu viel wird, und dann kann man einfach aufhören.“
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können