InterviewWas hinter dem politischen Wandel von Tech-Milliardär Elon Musk steckt

Elon Musk ist zu einer der mächtigsten und umstrittensten Persönlichkeiten der US-Regierung unter Donald Trump geworden. Er investierte mindestens 277 Millionen US-Dollar aus eigenen Mitteln, um Trumps Wahlkampf zu unterstützen, und reiste mit ihm durchs Land, um die Massen zu begeistern. Dieser erhebliche finanzielle und zeitliche Aufwand wirft die Frage auf, was der Tesla-, SpaceX- und X-Chef als Gegenleistung erwartet. Henry Maher, Politikwissenschaftler an der University of Sydney, der den in Südafrika geborenen Unternehmer eingehend studiert hat, glaubt, herausgefunden zu haben, was den reichsten Mann der Welt motiviert.

Tageblatt: Die politischen Ansichten von Elon Musk zu entschlüsseln und ihre Entwicklung zu verfolgen, ist eine komplexe Aufgabe. Warum ist Musk politisch so schwer festzulegen?

Henry Maher: Es ist unglaublich schwer, Musk politisch zu definieren, und vieles davon scheint beabsichtigt zu sein. Schaut man sich seinen aktuellen X-Feed an, ist es eine verwirrende Mischung aus rechtsextremen Verschwörungstheorien, neoliberalen Wirtschaftsansichten und Werbung für Tesla. Diese Art der ideologischen Vermischung spiegelt seine komplexe und sich verändernde politische Haltung wider.

Musk hat gesagt, er sei einst ein linker Libertärer gewesen … Wie passt das zu seiner aktuellen politischen Haltung?

Musk hat erklärt, dass er 2008 und 2012 für Barack Obama, 2016 für Hillary Clinton und 2020 für Joe Biden gestimmt hat. Er hat sich selbst in der Vergangenheit als linkslibertär bezeichnet, was darauf hindeutet, dass er eine progressive Sozialpolitik unterstützte und gleichzeitig begrenzte staatliche Eingriffe in die Wirtschaft. Musk behauptet jedoch, dass sich die Demokratische Partei im Laufe der Zeit immer weiter nach links bewegt habe, was dazu geführt habe, dass er sich stärker mit der Republikanischen Partei verbündet habe.

Manchmal wird erwähnt, dass Musks politischer Wandel mit persönlichen Ereignissen zusammenhängt. Was denken Sie?

Musks politische Ansichten scheinen sich teilweise aufgrund seiner Entfremdung von seiner Transgender-Tochter Vivian Jenna Wilson geändert zu haben. Nach ihrer geschlechtsangleichenden Operation machte Musk kontroverse Kommentare, wie zum Beispiel die Behauptung, sie sei „tot, getötet durch den Woke-Mind-Virus“. Seitdem spricht er sich entschieden gegen Transgender-Rechte sowie Diversitäts-, Gleichberechtigungs- und Inklusionsrichtlinien aus. Dieser Bruch mit seiner Tochter spiegelt umfassendere Spannungen wider, aber es ist wichtig zu verstehen, dass dies wahrscheinlich nicht der einzige Grund für seinen Wandel ist. Sein Weg hin zu rechtsextremen Ansichten war bereits vor diesem Ereignis im Gange.

Einige argumentieren, dass Musks politischer Meinungswandel Teil eines größeren Trends ist, der manchmal als „Pipeline von Libertär zu Alt-Right“ bezeichnet wird. Was bedeutet das genau?

Die „Pipeline von Libertär zu Alt-Right“ beschreibt ein umfassenderes Phänomen, bei dem Personen mit libertären Überzeugungen, insbesondere solche, die sich auf eine begrenzte Regierung konzentrieren, letztendlich rechtsextreme Ideologien annehmen. Der Libertarismus wurde historisch in linksgerichtete und rechtsgerichtete Formen unterteilt. Linke Libertäre unterstützen tendenziell eine progressive Sozialpolitik neben begrenzten staatlichen Eingriffen, während sich rechte Libertäre eher konservativen gesellschaftlichen Ansichten anschließen, etwa der Ablehnung von Abtreibungsrechten und der Unterstützung des Nationalismus. Im letzten Jahrzehnt haben wir gesehen, wie viele Libertäre sich der Alt-Right zuwandten, einer rechtsextremen Bewegung, die den weißen Nationalismus fördert und sich gegen Multikulturalismus und Geschlechtergleichheit wendet. Musks politischer Wandel stimmt mit diesem Muster überein.

Wie würden Sie Musks wirtschaftliche und politische Position heute beschreiben?

In wirtschaftlicher Hinsicht bleibt Musk ein Libertärer mit begrenzter Regierungseinmischung. Er plädiert für eine Reduzierung der Staatsausgaben, eine Senkung der Steuern und die Aufhebung von Vorschriften, insbesondere derjenigen, die sich auf seine Unternehmen auswirken. Als Leiter des „Department of Government Efficiency“ (DOGE) in der Trump-Administration will Musk diese Ziele erreichen. Politisch nähern sich seine Ansichten stärker der Ultrarechten an, insbesondere in seiner Ablehnung von Maßnahmen im Zusammenhang mit Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion.

Zurück zu Musks Online-Persönlichkeit: Spiegelt diese Ihrer Meinung nach seine wirklichen politischen Neigungen wider?

Musks Online-Präsenz, insbesondere auf X, wurde genutzt, um Kontroversen zu provozieren und das herauszufordern, was er als politisches Establishment ansieht. Er hat mit rechtsextremen Persönlichkeiten interagiert und rassistische Verschwörungstheorien verstärkt, wie die antisemitische „Great Replacement-Theorie“, die behauptet, dass Juden Massenmigration inszenieren, um die weiße Bevölkerung zu ersetzen. Während es schwer zu sagen ist, ob Musk an diese Theorien glaubt, scheint es bei seiner Auseinandersetzung mit ihnen eher darum zu gehen, Aufmerksamkeit zu erregen und Spaltungen zu schüren, als um einen echten Glauben an den Inhalt. Seine Online-Aktionen sind ganz bewusst eine Strategie, um die Linken zu verärgern und sich selbst als Verfolgten darzustellen.

Welche Einwanderungspolitik wird Musk Ihrer Meinung nach präferieren?

Einwanderung ist einer der Bereiche, in dem Musks Ansichten widersprüchlich erscheinen. Während des Wahlkampfs kritisierten sowohl Musk als auch Trump die Einwanderung, insbesondere die illegale Einwanderung, wobei Musk die rechtsextreme Behauptung wiederholte, dass dies Teil eines bewussten Plans sei, die bestehende Wählerschaft zu „ersetzen“. Nach der Wahl argumentierte Musk jedoch, dass Trump Kategorien der qualifizierten Migration wie das H1-B-Visumprogramm beibehalten sollte, das es Unternehmen ermöglicht, Zeitarbeiter einzustellen. Dies hat zu Spannungen mit weißen Rassisten geführt, aber Musks Unterstützung für H1-B-Visa scheint eher durch seine geschäftlichen Bedürfnisse motiviert zu sein, da diese Arbeitskräfte für die Technologiebranche von entscheidender Bedeutung sind.

Wie könnte sich Musks politische Haltung in seiner neuen Rolle auswirken?

Musks erklärtes Ziel, durch DOGE zwei Billionen US-Dollar aus dem US-Haushalt zu streichen, scheint unwahrscheinlich zu sein, wird aber sicherlich dazu genutzt, seine Agenda voranzutreiben. Ich gehe davon aus, dass er sich auf die Kürzung von Programmen im Zusammenhang mit Vielfalt und den reproduktiven Rechten von Frauen konzentrieren wird, die mit seinen Alt-Right-Sensibilitäten übereinstimmen. Musk wird seinen Einfluss auch nutzen, um die Interessen seiner Unternehmen zu schützen, was den Anstieg der Tesla-Aktien nach Trumps Wiederwahl erklären könnte. Schließlich dürfte Musk weiterhin im Rampenlicht der Medien bleiben, was zu Zusammenstößen mit anderen mächtigen Persönlichkeiten wie Trump selbst führen könnte. Ob Musks Allianz mit Trump stabil bleibt, ist noch ungewiss, und wenn sie bestehen bleibt, wird sie wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der künftigen politischen Landschaft spielen.

Für wie gefährlich halten Sie seinen Einfluss auf die Wahlen in anderen Ländern? In Deutschland unterstützte er beispielsweise vor Kurzem eine AfD-Wahlkampfveranstaltung.

Es bleibt abzuwarten, wie effizient Musks Versuche sein werden, Einfluss auf Wahlen in Europa zu nehmen und rechtsextreme Parteien zu unterstützen. Seine jüngste Behauptung, Deutschland solle seine Geschichte im Grunde vergessen, wird beispielsweise eher den Widerstand gegen die Rechtsextremen hervorrufen als die Unterstützung solcher Kundgebungen. Gefährlicher ist jedoch, dass er Fehlinformationen und Verschwörungstheorien auf X verbreitet. Die potenzielle Gefahr, die davon ausgeht, haben wir kürzlich in Großbritannien gesehen, wo fremdenfeindliche Fehlinformationen zu rechtsextremen Unruhen führten.

Zurück zu den USA: Wie wird die Beziehung zwischen Trump und Musk Ihrer Meinung nach die Zukunft der amerikanischen Politik prägen?

Wenn ihr Bündnis Bestand hat, könnte dies ein Schlüsselfaktor für das sein, was viele den Aufstieg eines „neuen goldenen Zeitalters“ nennen – einer Zeit, die von politischer Korruption und zunehmender Ungleichheit geprägt ist. Die persönlichen Interessen von Milliardären wie Trump und Musk werden zweifellos die politische und wirtschaftliche Landschaft prägen, und ihr gemeinsamer Einfluss macht es noch schwieriger, Probleme wie Vermögensungleichheit und staatliche Rechenschaftspflicht anzugehen. Die Frage ist, ob ihre Egos und konkurrierenden Interessen letztendlich zulassen werden, dass ihre Allianz intakt bleibt.