„You are not as bad as I thought“, meint der Musikproduzent, als er Robbie Williams nach einer Probeaufnahme als Sänger einschätzt. Nicht zu genügen, dem Showgeschäft und sich selbst – das ist das Trauma, das den jungen Künstler zutiefst prägt. „Better Man“ stammt von Regisseur Michael Gracey, der mit „The Greatest Showman“ (2019) über die Anfänge des Zirkus das Showgeschäft beleuchtete. Nun zeigt er mit viel Zynismus die Pop-Ikone Robbie Williams als eine ausgebeutete Gestalt des Showgeschäfts, als jemanden, der sich öffentlich zum Affen macht und dafür Ruhm erntet.
Williams als Schimpanse
Der Film nimmt die Idee des sprichwörtlichen Affentheaters im Wortsinne: Robbie Williams ist als Erzählerstimme über das Voice-over präsent, im Film wird er von Jonno Davies gespielt, dessen schauspielerische Darstellung auf einen digital erzeugten Schimpansen übertragen wurde. Als CGI-Affe wird so auf einen Verfremdungseffekt gezielt, das spezifische Motion-Capture-Verfahren ermöglicht den Transfer menschlicher Mimik auf eine digitale Figur und stiftet so doch eine größere emotionale Lesbarkeit, eine Nähe und Sympathie. Der Kniff ist ebenso einfach, wie er gewagt und medienwirksam ist. Es geht um einen Menschen, den das Showgeschäft nicht zur vollen Reife kommen lässt, das Spektakel als Form primitiver Unterhaltung. Robbie Williams als „Affenmensch“ – es ist in der popmusikalischen Sprache der ‚hook‘, der Haken, mit dem das Publikum für den Film geködert werden soll.
„Better Man“ beleuchtet die wichtigsten Lebensstationen des Musikers: die Kindheit in den englischen Midlands, das Aufwachsen in einfachen Verhältnissen, den Aufstieg mit der Boyband Take That in den Neunzigerjahren, deren Zerwürfnis, dann der Durchbruch als Solo-Künstler, der mit dem Konzert in Knebworth den Höhepunkt erreicht. Dazu kommt das schwierige Verhältnis zum Vater, der die Familie verlässt, um eine Karriere als Entertainer zu versuchen, die konfliktbeladene Beziehung zu Nicole Appleton. Dann gibt es die Drogen- und Alkoholexzesse, den Entzug und die Wandlung hin zum „Better Man“.
Leben auf der Überholspur
Die inneren Dämonen, die aufgrund der zu hohen Ansprüche, dem zwanghaften Bedürfnis nach Anerkennung und der Identitätsspaltung aus Privatmenschen und öffentlichem Konsumgut Gestalt annehmen, sind dabei als vorwurfsvoll, wütend zuschauende Affen im Publikum leitmotivisch präsent. Dass die weltbekannten Popsongs wie „Let Me Entertain You“, „Feel“, „She’s The One“ oder „Angel“ als Lektüreschlüssel in die Handlung eingeflochten sind, dürfte kaum verwundern – in zahlreichen Interviews, Dokumentationen und Autobiografien wurden die Bezüge zwischen Leben und Kunst herausgestellt. „Better Man“ folgt diesem Muster, der Film suggeriert so auch, dass nur die hier präsentierte Vita von Robbie Williams Aufschluss über seine Musik geben kann. Dabei werden manche Songs in erhöhter Geschwindigkeit wiedergegeben, es ist ein Leben der ständigen Beschleunigung, immer auf der Überhohlspur. Der Film feiert und trivialisiert so seine Songs und seinen Künstler in einem wechselseitigen ambivalenten Verhältnis. In „Better Man“ findet sich schließlich der ewige Widerspruch des Biopics: Die nacherzählte Künstlerkarriere gilt als umstandslos anerkannt und gerechtfertigt – indes sind es gerade die zahlreichen Schicksalsschläge, Skandale und Exzesse, die sie erst berichtenswert machen.
In diesem doppelwertigen Spannungsverhältnis setzt sich „Better Man“ zu den dunklen Seiten des Showgeschäfts in Distanz, affirmiert sie indes auch wieder. Die drastische Unverfrorenheit, mit der so versucht wird, ein gutbürgerliches Publikum ebenso zu entsetzen, wie es zu amüsieren, hat an diesem Effekt erheblichen Anteil. Die behauptete Ehrlichkeit der dargestellten Ereignisse ist sicherlich anziehend, sie macht den Reiz des Films aus, aus ihr speisen sich die rührenden Momente. Es ist diese „mise à nu“, die komplette Entblößung als Künstler und als Mensch, die hier wieder zum Verkaufsargument wird. Es ist ein aktualisierendes Marketing-Element, das die bekannten Popsongs über diese Verfilmung neu belebt und die Berühmtheit letztlich über das Biopic als Musikfilm mit offenkundigem Unterhaltungsfaktor legitimiert. Es soll nun nochmals aus der Rückschau aus diesem Weltruhm Kapital geschlagen werden.
U.a. im Kinepolis Belval und Kinepolis Kirchberg.
De Maart
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