Dienstag21. Oktober 2025

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ItalienErmittlungen gegen Meloni: Mutmaßlicher Kriegsverbrecher mit Unterstützung der Regierung zurück nach Libyen

Italien / Ermittlungen gegen Meloni: Mutmaßlicher Kriegsverbrecher mit Unterstützung der Regierung zurück nach Libyen
Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni steht unter innenpolitischem Druck Foto: AFP/Alberto Pizzoli

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Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni steht derzeit unter hohem innenpolitischen Druck. Nicht nur ihre umstrittene Asyl- und Abschiebepolitik wird kritisiert. Gegen die Regierungschefin ermittelt auch die Staatsanwaltschaft in Rom. Anlass ist die ermöglichte Ausreise des mit internationalem Haftbefehl gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrechers, dem libyschen Polizeigeneral Osama Elmasry Najeem.

Der Brigadegeneral der libyschen Kriminalpolizei, Osama Elmasry Najeem, wird vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gesucht. Ihm wird vorgeworfen, an Mord, Folter und Vergewaltigungen in Libyen beteiligt gewesen zu sein oder sie angeordnet zu haben.

In der vergangenen Woche war Najeem nach mehreren Hinweisen in Turin verhaftet, jedoch nach kurzer Zeit auf Weisung von Rom wieder freigelassen worden. Nach bisherigen Erkenntnissen hatten Regierungschefin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia) und ihr Innenminister Matteo Piantedosi nicht nur diese Freilassung veranlasst, sondern auch eine eigens dafür gebuchte Regierungsmaschine nutzen lassen, um den Libyer nach Tripolis auszufliegen.

Verwunderung, wie es zur Ausreise kommen konnte, herrscht nicht nur bei den Vertretern des IStGH. Auch die italienische Opposition erhofft sich schnelle Aufklärung des Falls, der gegenwärtig von Generalstaatsanwalt Francesco Lo Voi untersucht wird. Lo Voi ist in Sachen Unregelmäßigkeiten der Regierung kein Unbekannter: Bereits 2019 ermittelte er gegen den damaligen Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini wegen Entführung und Menschenraub im Zusammenhang mit den sich vor der Küste Italiens abspielenden Flüchtlingstragödien.

Am Mittwoch gingen die Abgeordneten der Opposition beider Parlamentskammern auf die Barrikaden: Empört erklärten sie, nicht weiter zur Tagesordnung übergehen zu wollen, bis die Regierung eine Erklärung zum Fall Najeem abgegeben hätte. Meloni stellt sich jedoch quer und erklärt ihrerseits, „sich nicht erpressen“ lassen zu wollen. Gemeinsam mit ihren Ministern Piantedosi und Nordio (Justiz) habe sie im Interesse der Sicherheit Italiens entschieden und damit Schaden vom Land abgewendet, erklärt Meloni auf ihren Kanälen in sozialen Medien. Unterstützung erhält die FdI-Politikerin natürlich von dem erst vor einigen Wochen freigesprochenen Matteo Salvini (Lega) sowie von Außenminister Antonio Tajani (Forza Italia), ihren Koalitionspartnern. Am Donnerstag berief Meloni ihre Minister ein, um ein Beibehalten des einmal eingeschlagenen Kurses zu bestätigen.

Flüchtlingspolitik verschärft

Der ist jedoch umstritten: Am Wochenende hatte die italienische Marine erneut 49 Migranten in das Auffanglager nach Albanien verbracht. Doch ob die Jugendlichen und Männer aus Ägypten, Bangladesch, der Elfenbeinküste und Gambia wirklich in Gjader bleiben müssen, ist bislang unentschieden. Mitte der Woche kehrten die ersten vier – drei Jugendliche und ein Erwachsener – nach Italien zurück. Über den Verbleib oder die Rückkehr der anderen sollte bis zum Donnerstag das römische Appellationsgericht entschieden haben – aufgrund der Dramatik um die Freilassung des libyschen Generals hüllt sich der Justizpalast jedoch bislang in Schweigen.

Meloni fühlt sich indessen bestätigt: Die höchste gerichtliche Instanz, der Kassationshof, hatte entschieden, dass es durchaus in der Kompetenz der Regierung liegt, eine Liste „sicherer Herkunftsländer“ zu erstellen. Allerdings räumte das Gericht ein, dass jeder Fall einzeln entschieden werden muss. Dafür setzte Meloni inzwischen die Hürden höher. Nicht mehr ein Asylgericht, sondern bereits die üblicherweise zweite Instanz, das Appellationsgericht, soll nun über Asylanträge entscheiden. Sollte jedoch der aktuell ausstehende Schiedsspruch erneut die Rückverlegung der nach Albanien verbrachten Migranten anordnen, wäre die Regierung zum dritten Mal mit dem Versuch gescheitert, Asylanträge im Ausland entscheiden zu können.

Die Opposition spart nicht mit scharfen Tönen: Abgeordnete der Demokratischen Partei Pd hatten das Lager in Gjader besucht und erklärt, es sei unfassbar, dass der libysche General Najeem unbehelligt nach Tripolis ausreisen dürfe, während seine Folteropfer in Abschiebehaft gehalten werden. Und Pd-Chefin Elly Schlein erklärte wiederholt die Lager von Shengjin und Gjader zum Flop der Regierung. 800 Millionen Euro Steuergelder seien für ein nicht funktionierendes Projekt verschleudert worden. Dies werde sich umso deutlicher zeigen, wenn der EuGH in Luxemburg im Februar sich erneut zum Thema sichere Herkunftsländer äußern werde.