Dienstag21. Oktober 2025

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ForumLicht aus! Motten im Anflug! Vom Aufmarsch der Kulturheuchler beim Luxembourg Song Contest

Forum / Licht aus! Motten im Anflug! Vom Aufmarsch der Kulturheuchler beim Luxembourg Song Contest
 Fotos: Editpress/Montage: Sandra Hourscht

Luxembourg Song Contest? Müsste es nicht eher heißen „Broadcasting Power Contest“? Das sogenannte Liedgut ist hier nur Nebensache. Es geht um nichts anderes als den Titanenkampf der europäischen Rundfunkanstalten. Also um hochtrabende Imagepflege. Sängerinnen und Sänger werden gnadenlos verwurstet. Der Showmaster heißt Conchita Wurst. Er soll in der maßlosen Materialschlacht den Begeisterungsclown mimen. Wow! Wow! Wow! Great! Amazing! Die Singenden sind nur wohlfeile Statisterie. Ihre drei Minuten vermeintliche Berühmtheit seien ihnen gegönnt. Das Etikett „Kultur“ ist immer willkommen. Auch wenn es sich nur um brachiales Showbusiness handelt. Alles wurst.

Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „Goss. Roman“.
Guy Rewenig ist Schriftsteller. Sein aktuelles Buch im Binsfeld-Verlag heißt „Goss. Roman“. Foto: privat

Bemerkenswert ist eher, wer alles aufkreuzt, wenn RTL es krachen lässt. Plötzlich besteht unsere halbe Regierung nur mehr aus eminenten Kulturfreunden. Da trudeln die unwahrscheinlichsten Ästheten und Schöngeister ein. Allen voran der CEO Frieden himself. Dazu eine Quizfrage: Wann haben Sie den Premier zuletzt bei einer Kulturveranstaltung gesehen? Nein, bitte, seine obsessiven Treffen mit Unternehmern und Wirtschaftsbossen gehören wirklich nicht in die Kategorie Kultur. Wie steht es mit Theatervorstellungen? Konzerten, Lesungen, Tanzaufführungen? Hand aufs Herz: Wann saß Herr Frieden in der ersten Reihe? Wo ist er als Kulturapostel aufgetreten? Hat er wenigstens irgendwann im Parlament ein Sterbenswörtchen über Kultur verlauten lassen? In der Escher Rockhal produziert er sich jedenfalls als inkarniertes Kulturgewissen. Wie kann das sein? An die LSC-Gewinnerin schmeißt sich der CEO mit schleimigem Pathos ran: „Ech si sou stolz op Iech, Dir kënnt stolz op Iech selwer sinn, d’Land ass stolz op Iech.“ Genau. Stolz ist neuerdings eine unverzichtbare politische Größe. Nationalismus und Patriotismus sind ein idealer Vernunftersatz. Aber geht es nicht eine Nummer kleiner? Muss der CEO mit seinem aufdringlichen Lob unbedingt das ganze Land in Geiselhaft nehmen? Und nun zum Subtext: D’Land ass stolz op mech. Dir kënnt stolz op mech sinn. Ech si sou stolz op mech.

„Richtige“ Kulturszene

Dass der amtierende Außenminister sich vage daran erinnert, in fernen Zeiten einmal großherzoglicher Kulturminister gewesen zu sein, legitimiert vielleicht seinen huldvoll wohlwollenden Auftritt in der Rockhal (Selfies mit den betörten LSC-Kandidaten inklusive). Doch was sagt Herr Bettel zur Relevanz der Escher Lustbarkeit? Auf die entsprechende Frage antwortet er ohne mit der Wimper zu zucken: „Et ass de Moment, fir ze weisen, dass mir zu Lëtzebuerg och eng richteg Kulturzeen hunn.“ Ach so? RTL und seine bombastische LSC-Augenwischerei als „richtige“ kulturelle Hochburg? Das haut ganz sicher all die Kulturschaffenden aus der „falschen“ Szene vom Hocker. Sie sollen weiterhin im Dunkeln munkeln. Denn die „richtige“ Kulturszene ist dort, wo Fotografen und Kameraleute warten und die Prominenten lustvoll in jedes Mikrofon beißen. Da geht die Post ab. Die stillen Klausen der Kulturwerktätigen locken kaum einen Politiker hinter dem Ofen hervor. Nur die Knallfrösche stehen im gleißenden Rampenlicht. Da brummt der Laden.

Der Kulturminister war von Amts wegen vor Ort. Flott. Flott. Flott. Patrimoine. Flott. Patrimoine. Patrimoine. Reporterfrage: Wo liegt für Sie die Bedeutung des LSC, Herr Minister? „Ech mengen, mir hunn d’lescht Joer gesinn, dass eng gewëssen Europhie entstan ass.“ Wie bitte? Europhie? Europhobie? Eurovisiophilie? Egal. Flott. Flott. Und nun zum Subtext: Et ass flott mat mir. Ech si flott. Ech gehéieren och schonn zu eisem Patrimoine. Flott. Eric Thill, Patrimoine. Dat loossen ech mer op meng Visitekaart drécken. Flott. Ech si sou voller Europhie. Merci. Flott.

Dass auch die üblichen CSV-DP-Eitelkeitsmonster Hansen, Margue und Backes wie Motten ins Blitzlichtgewitter schwirrten, nimmt nicht weiter wunder. Erstaunlicher war schon die Präsenz der hyperdiskreten und chronisch unsichtbaren Frau Obertin, die ausgerechnet in diesem lärmenden Milieu das Bad in der Menge suchte. Wurde sie vom CEO zu ihrem kunstaffinen Abstecher nach Esch verdonnert? Zum Zweck der publikumswirksamen Eigenwerbung? Noch befremdlicher mutete das Auftauchen des Polizeiministers Gloden an. Hat er nicht vor Jahresfrist genau in den Kreisen der Sangeskunst allerlei böse Brandstifter und Vandalen verortet? Stellte er nicht Sänger und Songwriter an den Pranger, weil sie seines Erachtens kriminelle Elemente aufgestachelt hatten, seine private Gartenmauer mit staatsfeindlichen Sprüchen zu besprühen? Wieso umgab er sich in Esch plötzlich mit Gesangsartisten? War er auf Fahndungstour? Oder ließ er sich von der Europhie seines Kollegen aus dem Kulturressort anstecken? Vielleicht will er demnächst seine zutiefst inhumane Bettlerhatz ein bisschen künstlerisch aufmotzen. Obdachlosen-Gesangsgruppen würden gut ins Stadtbild passen, allein schon aus touristischen Gründen. Von Platzverweis zu Platzverweis könnten sich die Gejagten wenigstens mit ein paar lieblichen, selbst vorgetragenen Liedern trösten. LSC im Prekariat. Flott.

Die Marionette rebelliert

Immerhin wurde am Ende eine Siegerin gekürt. Wow! Amazing! Great! „La poupée monte le son“. Flott. Die Marionette rebelliert. Wie rührend! Hat sie nicht zufällig vergessen, ihre Fäden durchzuschneiden? Wenn wir recht verstanden haben, soll mit diesem Song nebenbei die bedauernswerte France Gall rehabilitiert werden. Die Ärmste lief nämlich seinerzeit dem verruchten Serge Gainsbourg ins Messer, der ihr mit heimtückischer Verschlagenheit sein höchst anzügliches „Wichspuppen“-Lied angedreht hatte. So herrlich provokant kann heute keiner mehr den ESC unterwandern. Heute geht es politisch korrekt um edle Gesinnung, humanistische Anliegen und Menschenrechtsgesäusel. Darüber wachen die Veranstalter. Die muntere Gewinnerin Laura Thorn jedenfalls scheute sich nicht, lässig ihr Liedchen ideologisch aufzuladen: „Do ass e bësse sou e feministesche Message hannendrun.“ Knallbunter Retorten-Feminismus à la RTL? Befreiungskampf unter dem Protektorat eines Kommerzsenders? Da wird den alten Kämpferinnen wohl ein gehöriger Schrecken in die Glieder fahren.

Marc
2. Februar 2025 - 11.34

Luxemburg Song Contest – Fragen zur Rolle der ausländischen Jury
Der kürzlich von RTL organisierte „Luxemburg Song Contest“ (LSC) wirft viele Fragen auf, insbesondere hinsichtlich der Entscheidung, eine ausländische Jury zur Ermittlung der Gewinnerin einzusetzen. Dieser Ansatz führt zu Diskussionen über Fairness, kulturelle Kompetenz und die Gewichtung lokaler Stimmen.
Zunächst stellt sich die Frage, warum überhaupt auf eine ausländische Jury zurückgegriffen wurde. Traut man dem kulturellen Verständnis und dem musikalischen Urteilssinn der Luxemburger Bevölkerung nicht ausreichend? Luxemburg verfügt zweifellos über eine vielseitige und erfahrene Musikszene, die in der Lage wäre, qualifizierte Entscheidungen zu treffen.
Zusammensetzung der Jury:
Wie wurde diese ausländische Jury überhaupt ausgewählt? Nach welchen Kriterien wurden die Mitglieder bestimmt? Transparenz in diesem Prozess wäre entscheidend, um Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen. Auch die genaue Anzahl der Jurymitglieder sollte offengelegt werden: Handelte es sich um eine einzelne Person oder um ein Gremium, das sein Ergebnis gemeinschaftlich ermittelt hat?
Fairness gegenüber den Teilnehmern:
Besonders heikel wird die Situation, wenn eine Gewinnerin nur dank der ausländischen Jury auf den ersten Platz gelangt. Ein Beispiel ist der Fall der Band Zero Point Five, die nach inländischen Stimmen mit fast 20 % Vorsprung vorne lag. Sollte in solchen Fällen nicht der Beitrag, der im eigenen Land am meisten überzeugt hat, als Sieger hervorgehen?
Ein provokanter Vergleich könnte aus dem Motorsport gezogen werden: Man stelle sich vor, Ferrari würde verlangen, dass Sergio Pérez bei Red Bull in der Saison 2025 fahren muss. Solche Überlegungen machen deutlich, dass es fragwürdig ist, ausländische Juroren über den Erfolg eines luxemburgischen Wettbewerbs entscheiden zu lassen — insbesondere, wenn diese aus Ländern stammen, die selbst Konkurrenten im internationalen Musikgeschehen sind.
Kulturelle Identität und Wettbewerb:
Ein nationaler Song Contest sollte die kulturelle Identität und den Geschmack des Landes widerspiegeln. Wenn jedoch die Entscheidung maßgeblich durch eine externe Jury geprägt wird, stellt sich die Frage, inwiefern die Ergebnisse tatsächlich die Präferenzen und die musikalische Vielfalt Luxemburgs repräsentieren.
Es bleibt zu hoffen, dass RTL und die Organisatoren des LSC aus diesen Debatten lernen und künftig transparente, faire und nachvollziehbare Entscheidungsprozesse sicherstellen. Die Stimmen der Luxemburger Bevölkerung sollten dabei stets im Mittelpunkt stehen.

ARM
1. Februar 2025 - 16.45

Ich schliesse mich voll und ganz Enrico an.

Grober J-P.
1. Februar 2025 - 11.52

"das RTL Jungelcamp" Da tut sich jemand was richtig Kulturelles reinziehen! Bravo, weiter so.

Lunghi Enrico
1. Februar 2025 - 9.52

Köstlich ! Merci Guy !

Ralph Hanck
1. Februar 2025 - 9.33

Frage an Guy Revenig : Kann der Auftritt als Pausenclown bei der CSU in Seeon nicht als kulturelle Tätigkeit gewertet werden?

fraulein smilla
1. Februar 2025 - 8.46

-Der Chowmaster heisst Conchita Wurst .Ich darf doch sehr bitten ,Die Chowmasterin heisst Conchita Wurst . Herrn Rewenig mangelt es wohl an Regenbogenkompetenz . - Den Kulturpessimisten aller Laender zum Trotz , Ich werde heute Abend das RTL Jungelcamp anschauen .

Luxmann
31. Januar 2025 - 12.48

Mal abgesehen vom total langweiligen LSC nervt es schon ,wie Frieden desoefteren auch in wichtigeren fragen vorgibt fuer Luxemburg zu sprechen und so tut als wuerden alle oder fast alle Luxemburger seine meinung teilen.

B.Wurst
31. Januar 2025 - 9.40

Bravo.
Aber was kann man von Quark-Sendern wie RTL erwarten. "Holt mich hier raus ich bin ein Star" oder drittklassige "Comedians" sind neben der Werbung die Programmfüller und die Jugend und die schlichten Gemüter ergötzen sich am Schwachsinn. Marcel Reich Ranicki lehnte bei der TV-Preisverleihung den Preis ab und Gummibärchen Entertainer Gottschalk versuchte die Situation zu retten.Die dummen Gesichter der Intendanten von RTL & Co waren köstlich anzusehen. Marcel Reich Ranicki ist tot,aber RTL gibt's immer noch.