Freitag28. November 2025

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Interview„Das tut mir im Herzen weh“: Jean-Claude Anen in Sorge um den Luxemburger Radsport

Interview / „Das tut mir im Herzen weh“: Jean-Claude Anen in Sorge um den Luxemburger Radsport
Jean-Claude Anen macht sich Sorgen um die Zukunft des luxemburgischen Radsports Foto: Editpress/Luis Mangorrinha

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Jean-Claude Anen ist in der luxemburgischen Radsport-Szene ein bekannter Name. Über lange Zeit begleitete er u.a. Christine Majerus, Christian Helmig oder Sören Nissen bei Rennen. Seit Majerus ihre Karriere im vergangenen Jahr beendet hat, hat auch Anen seine Tätigkeit als Mechaniker beendet. Den Radsport verfolgt er weiterhin aus nächster Nähe. Im Interview mit dem Tageblatt drückt er seine Zukunftssorgen um den Sport aus. 

Tageblatt: Jean-Claude Anen, wie analysieren Sie den aktuellen Stand des luxemburgischen Cyclocross?

Jean-Claude Anen: Es ist ganz klar eine abfallende Tendenz zu erkennen. Wir haben nicht mehr genügend Fahrer und Jugendliche, so wie es mal vor zehn oder 15 Jahren der Fall war. Damals hatten wir viele Fahrer, die auf einem ähnlichen Niveau waren. Heutzutage sind die Felder dermaßen auseinandergezogen, dass man fast im Minutentakt auf den nächsten Radsportler warten muss. Das hat man erst kürzlich bei der Landesmeisterschaft gesehen. Bei den Junioren war es wenigstens noch spannend, in allen anderen Kategorien waren es keine interessanten Rennen. Es gibt keine Spannung, kein großes Teilnehmerfeld, es geht insgesamt bergab. Schauen Sie doch mal zehn Jahre zurück: Damals hatten wir Christian Helmig, Vincent Dias dos Santos, Lex Reichling, Pit Schlechter, Luc Turchi oder Scott Thiltges. Mir fallen direkt ein paar Namen ein, die Rennen gewinnen konnten. Da war Spannung und die Fahrer haben ihre Fans mitgebracht. Ich weiß zudem nicht, ob es heute noch Cross-Rennen in Luxemburg gibt, wo mehr als 50 oder 60 Zuschauer sind. 

Wie erklären Sie sich den Unterschied, dass vor einigen Jahren noch mehr Cyclocrosser in Luxemburg aktiv waren, als es heute der Fall ist?

Ich kann mir vorstellen, dass die Corona-Pandemie einen schweren Einschnitt bedeutet hat. Viele haben gemerkt, dass es andere Sportarten gibt, die vielleicht in einer Halle stattfinden und gemütlicher sind. Radsport ist gefährlich. Radsport ist auch oft mit dem Wetter sehr ungemütlich. Früher war das nicht anders, aber es gibt mittlerweile so viele schwere Unfälle. Andererseits sehe ich auch immer mehr Fahrer, die nur noch Straße fahren wollen. 

Seit einigen Jahren wird der Skoda Cross Cup veranstaltet. Der „Hype“ um diese Rennserie scheint auch abzufallen …

Ich habe versucht, herauszufinden, was es für Preise für die Ersten des Skoda Cross Cup gibt. Das konnte mir bis jetzt noch keiner richtig beantworten. Ich habe versucht, ein Klassement zu finden, das habe ich nicht geschafft. Ich habe das Reglement gefunden, mehr nicht. Diese ganze Serie muss man aufwerten. Das fängt auch da an, dass man unbedingt Streichresultate einführen muss. Als Zuschauer bei diesen Rennen verspüre ich Monotonie und Langeweile. Ich rede bei diesen Rennen mehr mit anderen Leuten, als dass ich das Rennen sehe. Das tut mir leid, das so sagen zu müssen, aber das sagen viele Leute. Ich nehme das Beispiel des Rennens in Brouch. Es war Sonnenschein, es war eine super Strecke, von Grillwurst bis Waffeln war alles gegeben. Und im Elite/Espoirs-Rennen waren 13 oder 14 Fahrer? Das war schlimm. Beim Neujahrscross in Petingen standen früher die Menschen von der Zielgeraden bis zur Kurve an der Barriere. Heute schaue ich mir das Zielfoto an und sehe zwei bis drei Personen hinter dem Geländer. Das ist für mich deprimierend und tut mir im Herzen weh. Dann sind es noch jeden Sonntag dieselben Personen, die da sind.

Welchen Lösungsansatz sehen Sie vor, um den Sport wieder attraktiver zu machen?

Man muss den Skoda Cross Cup aufwerten, das ist ganz klar. Dann muss man die Jugend mehr dazu bekommen, Cross zu fahren. Die FSCL fährt nur auf Weltcups, warum nicht mal auf kleinere Rennen? Ich weiß, dass damit Zeit- und Personalaufwand verbunden ist. Aber es gibt Rennen in Metz oder Perl. Es muss mit den Radsportlern, die man hat, auf mehr Rennen gefahren werden. Ich finde es schade, dass nicht mehr Luxemburger bei den Weltcups zu sehen sind. Ich weiß, dass bei einigen das Niveau nicht reicht. Aber aus diesen Rennen kann man nur lernen. Früher sind wir fast alle Weltcups gefahren als Nationalteam. Da waren sechs Junioren, drei bis vier Espoirs und mal mindestens zwei Elite-Fahrer. Das war toll, wir waren ein echtes Team. Das Gefühl gibt es nicht mehr. Wenn ich mir nun die Selektion zur Cyclocross-WM ansehe, frage ich mich, warum die Barthels-Schwestern nicht dabei sind. Selektionskriterien? Nun ja, die werden manchmal streng ausgelegt, manchmal nicht. Maïté hat sich über die Saison sicher nicht schlecht geschlagen. Ich sehe so eine Nominierung immer als Belohnung für eine ordentliche Saison an. Ich verstehe oft nicht, wer nominiert wird und wer nicht.

Immerhin kann sich Cyclocross-Luxemburg glücklich schätzen, dass man ein Riesentalent wie Marie Schreiber hat … 

Und was wäre, wenn Marie nicht so stark wäre? Dann wäre der Ofen aus. Das klingt hart, aber so steht Marie auch unter enormem Druck. Der Fokus liegt nur auf ihr. Das ist nicht gut. 

Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft?

Momentan ja. Wir stehen im internationalen Vergleich doch weit unten. Es sind aktuell einfach nicht genug Radsportler da, um alles anzukurbeln. Man muss der Jugend den Sport noch mal schmackhafter machen. Ich mache mir aber nicht nur Sorgen um Cyclocross, sondern um den Radsport im Ganzen. In den nächsten zehn Jahren wird nicht viel nachkommen. Aber gut, wir haben solche Zeiten schon erlebt. Nach Johny Schleck und Edy Schütz klaffte auch ein großes Loch. Dann kamen wieder die großen Zeiten. Träumen sollte man immer.