Auch ein alter Besen kann kräftig Staub aufwirbeln. Seit seiner Amtsübernahme hält der neue Altpräsident Donald Trump die Weltöffentlichkeit mit seinen Plänen zur Einverleibung Grönlands, der Entvölkerung des Gaza-Streifens, Massenabschiebungen und neuen Handelskriegen kräftig auf Trab: Das turbulente Comeback ihres Vorbilds lässt populistische Heilsbringer weltweit neuen Aufwind wittern.
Im medialen Wirbel um die vermeintliche Renaissance hoffähig gewordener Stammtischpolitik bleibt ein gegenläufiger Trend weitgehend unterbelichtet. Ausgerechnet in Europas langjährigen Populisten-Bollwerken im Osten tun sich vermehrt Risse auf: In Serbien, der Slowakei und Ungarn haben immer mehr Menschen von ihren autoritär gestrickten Regenten, der Aussetzung des Rechtsstaats und korrupter Parteiwirtschaft genug.
Schon seit 2010 teilen in Ungarn der russophile EU-Störenfried Viktor Orban und seine nationalpopulistische Fidesz-Partei die Karten aus. Doch nicht nur der zunehmende Unmut über die florierende Korruption im Fidesz-Staat, sondern auch die anhaltende Wirtschaftskrise und hohe Inflation haben seinen Stern im eigenen Land kräftig verblassen lassen.
Die wegen der ständigen Verstöße Ungarns gegen EU-Recht eingefrorenen EU-Mittel in Milliardenhöhe machen Budapest genauso zu schaffen wie die Absatzprobleme von Europas Automobilindustrie, die schwächelnde Wirtschaft beim wichtigsten Handelspartner Deutschland sowie die rückläufigen Investitionen und zunehmende Skepsis ausländischer Konzerne. Doch Gefahr droht Orban vor allem von einem neuen konservativen Konkurrenten.
Ein Jahr vor der Parlamentswahl 2026 liegt die Tisza-Partei des Fidesz-Dissidenten Peter Magyar zumindest in den Prognosen der unabhängigen Meinungsforschungsinstitute vor Fidesz – und scheint mit ihrer Dauerkritik am korrupten Fidesz-Staat ihren auf neun Prozent gewachsenen Umfragevorsprung von Monat zu Monat weiter auszubauen. Hält der Trend an, könnte Orban 2026 ein Wahldebakel ungekannten Ausmaßes drohen: Ungarns eigentlich auf Fidesz zugeschnittenes Wahlrecht bevorzugt klar die größte Partei.
Schon jetzt um seine Machtpfründe muss in der benachbarten Slowakei Orbans russophiler Gesinnungsgenosse Robert Fico bangen. Zum vierten Mal seit 2006 hatte der Chef der linkspopulistischen Smer-Partei im Herbst 2023 die Regierungsgeschäfte übernommen. Doch sein Schmusekurs mit Moskau, autoritäre Tendenzen und Mediengängelung stoßen zunehmend auf Kritik – und Widerstand.
Akt der kollektiven Selbstbefreiung
Zehntausende ziehen seit Wochen landesweit gegen die befürchtete „Orbanisierung“ und Abkehr von der EU über die Straßen. Gleichzeitig beginnt die knappe Mehrheit der Koalition der Smer mit der sozialdemokratischen Hlas und der rechtsradikalen SNS zunehmend zu wackeln: Beobachter in Bratislava schließen nicht mehr aus, dass Fico – ähnlich wie 2018 nach der Ermordung des Journalisten Jan Kuciak – frühzeitig aus dem Amt stolpern könnte.
Doch vor allem das Beispiel des EU-Anwärters Serbien demonstriert die fatalen Konsequenzen der Aushebelung der Gewaltenteilung in einem eben autoritär geführten wie korrupten Parteienstaat. Die Kosten der korruptionsanrüchigen Renovierung des Bahnhofs in Novi Sad hatten sich auf wundersame Weise von ursprünglich 3,5 auf 16 Millionen Euro vermehrt. Auch ohne Betriebsgenehmigung wurde der Bahnhof für Wahlkampfzwecke hernach gleich zweimal eröffnet – und im letzten Sommer offiziell in Betrieb genommen. Am 1. November krachte das durch eine neue Glasfassade überlastete Vordach ein – und tötete 15 Menschen.
„Eure Hände sind blutig“ lautet das Motto der seitdem vor allem von Studenten getragenen Proteste, die den allgewaltigen Präsidenten Aleksandar Vucic und seine nationalpopulistische SNS stets mehr in Bedrängnis bringen. Unübersehbare Menschenmassen ziehen nicht nur in den Großstädten, sondern auch in kleinen Provinzorten gegen Korruption und Machtmissbrauch über die Straßen. Eher hilf- und ratlos wirken mittlerweile die Versuche von Vucic, mit Drohungen und Zugeständnissen seine aufgebrachten Landsleute zu beruhigen.
Ermutigt von den Studenten überwinden in einem Akt der kollektiven Selbstbefreiung immer mehr Serben die Angst vor Repressalien oder dem Verlust ihrer Arbeitsplätze. Selbst jahrelang gegängelte Staatsdiener wie Richter und Lehrer oder Journalisten des von der SNS kontrollierten Staatssenders RTS erklären sich nun öffentlich mit den Demonstranten solidarisch. Freiwillig werden zwar weder Vucic noch seine SNS ihre vertrauten Pfründe räumen. Doch ihr Menetekel scheint gezeichnet, der Anfang vom Ende des SNS-Staats eingeläutet.
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können