Der überforderte Strohmann von Serbiens Präsident Aleksandar Vucic auf der Regierungsbank hat ausgedient – und muss bereits nach neun Amtsmonaten gehen. Seine Regierung wolle „einen ersten Schritt“ zur Beruhigung der erhitzten Gemüter tun, begründete Premier Milos Vucevic am Dienstag den vorzeitigen Blitzabtritt seines Kabinetts: Die von ihm offiziell geführte Regierungspartei SNS müsse den „höchsten Grad von Verantwortung“ zeigen.
Es sind die Spätfolgen der blutigen Trümmerkatastrophe in Novi Sad, die den früheren Bürgermeister der Brückenstadt mit fast dreimonatiger Verspätung nun seinen Statthalterposten gekostet hat: Bereits nach dem Einsturz des Vordachs des neu renovierten Bahnhofs in seiner Heimatstadt hatten wütende Demonstranten den sofortigen Abtritt von Regierungschef Vucevic gefordert.
Als offizielle Begründung für seine Demission als Premier führte der 50-Jährige erneute Gewaltattacken von SNS-Sympathisanten in der Nacht zum Dienstag ins Feld: Wenige Stunden, nachdem Präsident Vucic in einer Erklärung an die Nation zu Wochenbeginn seine Dialogbereitschaft und die „Begnadigung“ für ins Visier der Justiz geratene Demonstranten angekündigt hatte, prügelten vier aus dem SNS-Hauptquartier in Novi Sad eilende Schläger mehrere Studenten mit Baseballknüppeln krankenhausreif.
Bereits am Montag hatte der zunehmend unter Druck geratene Staatschef den Austausch von „mindestens 50 Prozent der Minister“ angekündigt, sich aber angesichts der sich immer stärker ausweitenden Protestwelle für eine noch radikalere Rochade entschieden. Außer dem nun nur noch geschäftsführenden Kabinett des ihm loyal ergebenen Vucevic musste am Dienstag mit Milan Djuric auch noch der amtierende Bürgermeister von Novi Sad seinen Posten räumen.
Wie Präsident Vucic hatte der nun abgetretene Premier seine politische Sozialisation zunächst in der ultranationalistischen SRS erfahren, bevor er 2008 der abgesplitterten SNS beitrat. Als enger Vertrauter des Präsidentenbruders Andrej Vucic machte der stille Jurist Vucevic in der SNS rasch Karriere. Als Bürgermeister von Novi Sad machte er sich von 2012 bis 2022 vor allem als Fürsprecher umstrittener Großprojekte von Investoren aus dem SNS-Umfeld einen Namen. Auch einige der an der fatalen Bahnhofsrenovierung beteiligten Baufirmen sollen laut Kritikern nur dank ihrer SNS-Kontakte an die lukrativen Aufträge gekommen sein.
Ungemütliche Zeiten für den „Dominator“
Die „große Tragödie“ von Novi Sad werfe einen Schatten auf sein Kabinett, auf dessen Arbeit er dennoch „stolz“ sei, beteuerte Vucevic bei seinem verspäteten Abtritt. Zweifelhaft bleibt, ob Vucic mit dem Bauernopfer seines loyalen Parteibüttels die aufgebrachten Gemüter in seinem Heimatland beruhigen und den Druck auf sich selbst mindern kann. Denn letztendlich trägt nicht sein geschäftstüchtiges Gefolge, sondern Serbiens autoritär gestrickter Vormann die Verantwortung für die korrupten Missstände im Land.
Zu schaffen macht dem gewieften Strippenzieher, dass seine mediale Propaganda-Maschinerie im Fall der Studenten nicht funktioniert: Auch in Regionen, wo nur regierungsnahe TV-Sender zu empfangen sind, wissen Eltern, Großeltern und Tanten, dass ihre in den Großstädten studierenden und protestierenden Kinder, Enkel, Nichten und Neffen keineswegs wie behauptet vom kroatischen Geheimdienst instruiert und bezahlt werden.
Egal, ob der Staatschef ein neues Marionettenkabinett installieren oder gar vorgezogene Parlamentswahlen ausschreiben lässt: Serbiens lange unangefochtenen „Dominator“ stehen ungemütliche Zeiten bevor. Vucic werde seine Zuflucht in Wahlen suchen, aber wisse nicht, „was er zuvor machen soll“, orakelt höhnisch das regierungskritische Portal „nova.rs“, das von einem „Machtverlust auf Raten“ spricht: „Er ist erledigt.“
De Maart
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