Geschäftstüchtige Prosa: Der Krimi zum Johann Strauss-Jahr
200 Jahre Johann Strauss! Unter dem Motto „Wien in Strauss und Braus“ feiert die österreichische Hauptstadt seit 1. Januar bis einschließlich 31. Dezember 2025 mit wöchentlichen Premieren „aus zehn verschiedenen Genres, Indoor wie Open Air“ die Geburt des Komponisten Johann Strauss (Sohn) am 25. Oktober 1825.

Mag auch der Titel von Thomas Brezinas im letzten November erschienenen Roman „Aus für Strauss“ kontrapunktisch anmuten, so gehört er dennoch, will man die genreübergreifende Feierlaune Wiens ernst nehmen, in die Reihe an Events, mit denen dem Schöpfer des Donauwalzers gedacht wird. Brezina ist durch seine historischen Kaiserin-Sisi-Krimis über Österreichs Landesgrenzen hinweg bekannt geworden. „Aus für Strauss“ handelt demzufolge vor gleichem Zeithorizont und könnte als Zweitauswertung der Recherchen eines geschäftstüchtigen Autors angesehen werden. Zumal „Sisis Gift aus Griechenland: Kaiserin Elisabeths vierter Fall“ nur einen Monat vor „Aus für Strauss“ auf den Markt gekommen ist, und die Sisi im Strauss-Buch nur am Rande, in gelegentlichen Erwähnungen, Präsenz zeigt.
Nun ist es ja so, dass die Geschichte der Strauss-Familie insgesamt, beginnend mit dem Radetzky-Marsch-Komponisten Johann Strauss Senior, ein wahres Füllhorn an Geschehnissen bis hin zu den unglaublichsten Ereignissen bereithält. Der Autor musste sich also bescheiden, und setzt mit dem plötzlichen Tod von Johann Strauss’ Ehefrau Jetty 1878 eingangs einen hochdramatischen Längsschnitt. Die Zeit davor lässt Brezina nur in den Erinnerungen seines Romanhelden Revue passieren. Ansonsten stehen zwei mysteriöse Momente in „Aus für Strauss“ motivgebend im Mittelpunkt. Zum einen Jettys Leben vor der Ehe mit Johann, zum anderen die Verbrennung aller Originalnoten der Familie Strauss, derer Johanns Bruder Edward bis 1905 habhaft werden konnte.
Mysterien bleiben ungeklärt

Vor ihrer Ehe mit Johann Strauß feierte Jetty Treffz als Soubrette große Bühnenerfolge. Wie sie in dieser Zeit für die Öffentlichkeit unbemerkt sieben uneheliche Kinder zur Welt bringen konnte (wobei nur zwei durch den Textilfabrikanten Moritz von Todesco adoptiert wurden), bleibt bis heute ein Rätsel. An diesem Mysterium rüttelt auch Thomas Brezina nicht, sondern nutzt es als erzählerisches Mittel, um einen Erpressungsversuch durch eines von Jettys unehelichen Kindern in Szene zu setzen. Allerdings ist dieser „Anatol“ historisch nicht verbürgt. Hier interessiert, wie der Autor sozusagen Lücken im Leben des weltberühmten Walzerkönigs nutzt, um buchstäblich mit diesen seine Strauss-Geschichte krimitauglich auszustaffieren! Dass Johann Strauss weder mit Jetty noch mit seinen beiden nachfolgenden Ehefrauen Nachkommen zeugte, nutzt Brezina auch als Motiv für einen alternierenden, in der Jetztzeit angesiedelten Handlungsstrang. Und auch da beweist er eine gewisse Scheu vor der Interpretation historischer Fakten – man könnte auch Respekt dazu sagen –, indem das Dazu-Erfundene als etwas kenntlich gemacht wird, das an frühe Abenteuerromane erinnert – und an deren oft haarsträubende, naiv-heitere Art, mit der Realität jenseits von Wahrscheinlichkeit und Logik umzuspringen. Wozu auch in „Aus für Strauss“ eine Rettung in letzter Minute im jetztzeitlichen Handlungsstrang passt, die fantastischer kaum ausfallen könnte! Derart geradezu absurde Spannungsmomente haben in Romanen mit alternierenden Zeitebenen in aller Regel mindestens eine Funktion. Hier wäre vor allem eine Art Hell-dunkel-Kontrast zu nennen, und zwar zwischen einem Heute voller gefährlicher Abenteuer – und einem Damals, in dem mit fortschreitendem Alter die Welt des Johann Strauss immer dunkler und beschwerlicher wird. Immerhin hat Brezina diesem hochfahrenden Charakter, der alles andere als grundsympathisch rüberkommt, eine gewisse Altersmilde angedeihen lassen, der 1899 nicht nur hochgeehrt, sondern auch als geliebter Ehemann verstirbt.
„Aus für Strauss“ bietet für Leserinnen und Leser gerade wegen seiner weitgehenden Faktentreue die Möglichkeit, sich der Biografie des Komponisten auf untypisch-spielerische Weise anzunähern.
Römische Abgründe: Ein italienischer Kriminalroman-Klassiker in deutschsprachiger Erstauflage
Giancarlo De Cataldos Romandebüt „Schwarz wie das Herz“ ist in Italien eine Art Krimi-Klassiker. Erstmals 1989 erschienen und von Maurizio Ponzi zwei Jahre später mit Giancarlo Giannini in der Hauptrolle verfilmt, erlebte das Buch viele Auflagen und gilt unter Kennern als Initialzündung für eine italienische Variante des Noir-Kriminalromans.
De Cataldo, der hauptberuflich als Richter arbeitete, bevorzugt die Bezeichnung „sozialer Krimi“ für seine literarischen Arbeiten, von denen „Romanzo Criminale“ (2002) und „Suburra“ (2013) die bislang bekanntesten sind. Weshalb sein erster Roman erst jetzt in deutscher Übersetzung vorliegt, mag der Tatsache geschuldet sein, dass ihm bei der Erstauflage kein Erfolg beschieden war und sich erst im Laufe der Jahre zum Bestseller mauserte. 2011 erschien sogar eine Graphic Novel auf Basis des Romans. Man könnte also meinen, dass „Nero come il curoe“, so der Originaltitel, einfach nicht mehr übersehen werden konnte. Dennoch vergingen weitere zehn Jahre bis zur vorliegenden, von Karin Fleischander besorgten deutschen Übersetzung.
Von Schuld und Scham
„Schwarz wie das Herz“ erzählt die Geschichte des abgehalfterten römischen Anwalts Valentino Bruio. In Ermangelung zahlungskräftiger Kunden verdingt er sich als Geldeintreiber. Demütigende Botengänge für Möbelhäuser etwa, das säumigen Kunden hinterher Fahnden, gehören zu seinem Tagesgeschäft. Bruio steht kurz davor, seine Anwaltslizenz zu verlieren. Doch dann versucht er ein letztes Mal, sich zu alter Form aufzuschwingen. Was ihn dabei antreibt, ist das schlechte Gewissen. Und die Scham. Denn obschon seine Kanzlei mehr schlecht als recht läuft, hatte er trotzdem keine Lust auf einen Schwarzen namens Al, der weinend wegen seines verschwundenen Sohnes auftauchte und dabei nach dem „Dreck von tausend Niederlagen“ roch. Wenig später wird Al tot aufgefunden und Bruio macht sich, im Auftrag der Black Community Roms, auf die Suche nach Als Mörder. Giancarlo De Cataldo beschreibt Bruios Ermittlungen aus einer Perspektive, die man als Kehrseite dessen bezeichnen kann, was Touristen normalerweise von Rom zu Gesicht bekommen. Schlimm ist, dass sich das, was vom Autor an organisiertem Verbrechen und himmelschreiendem Rassismus thematisiert wird, in den fünfunddreißig Jahren seit der ersten Drucklegung des Romans keinen Deut geändert hat. Die Bezeichnung „Klassiker“ für das Buch bekommt dadurch eine höchst zwiespältige Konnotation.


De Maart
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