Dienstag4. November 2025

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DeutschlandGesundheitsfinanzierung: Grünen-Kanzlerkandidat will an Kapitalerträge gehen

Deutschland / Gesundheitsfinanzierung: Grünen-Kanzlerkandidat will an Kapitalerträge gehen
Der Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck will neue Quellen für die Gesundheitsfinanzierung erschließen Foto: AFP/Daniel Roland

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Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck bekommt viel Gegenwind für seinen Vorstoß, zur Finanzierung der Krankenversicherung auch Kapitaleinkünfte heranzuziehen. Doch bei Ökonomen erntet er ein geteiltes Echo.

Es ist ein kurzer, harter Wahlkampf – und wer sich in diesen wenigen Wochen bis zur Bundestagswahl am 23. Februar weit nach vorne wagt, hat schon fast verloren. Mit seinem Vorstoß, künftig auch Kapitalerträge zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) heranzuziehen, ist Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck dieses Risiko eingegangen. „Wir würden gern die Beitragsgrundlage erhöhen“, hatte er am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ gesagt. Habeck kritisierte, dass Kapitalerträge bislang von Sozialversicherungsbeiträgen freigestellt seien. Arbeitslöhne würden dadurch stärker belastet als Kapitalerträge. „Deswegen schlagen wir vor, dass wir auch diese Einkommensquellen (…) sozialversicherungspflichtig machen“, sagte er. Das sei ein Schritt zu mehr Solidarität innerhalb des Systems.

Die Reaktionen der Konkurrenten kamen prompt. FDP-Generalsekretär Marco Buschmann unterstellte Habeck, Kapitalanleger „ausplündern“ zu wollen. Die AfD kritisierte, Habecks Pläne würden die Kapitalflucht aus Deutschland verstärken. CSU-Chef Markus Söder warf Habeck vor, nicht nur höhere Steuern zu fordern, sondern nun auch noch an die Sparguthaben der Menschen heranzuwollen. Allerdings gab es in der Union auch differenziertere Meinungen: Der Arbeitnehmerflügel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion kritisierte zwar Habecks Schnellschuss und verwies auf die Leistungsverbesserungen der letzten Jahre, zeigte sich grundsätzlich aber offen für neue Finanzierungswege in der GKV. SPD und Linke hielten sich mit Kritik zurück.

Immer wenn jemand einen Vorschlag macht, der die Reichsten belastet, wird eine Debatte fälschlicherweise inszeniert, die denjenigen, die nicht gemeint sind, das Gefühl gibt, dass sie gemeint sein könnten

Katharina Dröge, Grünen-Fraktionschefin

Die durchschnittlichen Zusatzbeiträge für GKV-Versicherte sind zu Jahresbeginn um 2,5 Prozentpunkte gestiegen, was einer allgemeinen Beitragserhöhung um 0,8 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr entspricht. Auch der Beitragssatz zur Pflegeversicherung erhöhte sich zum 1. Januar auf 3,6 Prozent. Die Arbeitnehmer haben dadurch 2025 netto weniger in der Tasche – trotz der geringen Steuerentlastungen, die der Bundestag Ende 2024 in letzter Minute noch beschlossen hatte. Wegen der Alterung, des medizinischen Fortschritts und zusätzlicher Leistungsversprechen in den vergangenen Jahren sind die GKV-Finanzen in Schieflage geraten.

Nächste Regierung muss handeln

Da das Finanzierungsproblem in den kommenden Jahren noch größer werden wird, muss die nächste Bundesregierung Lösungsschritte in die Wege leiten. Ohne Eingreifen drohe in diesem Jahrzehnt ein Anstieg auf 20 Prozent, sagte der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas. Doch einfach nur mehr Geld in ein System zu stecken, in dem das Geld nicht zielgenau und effizient eingesetzt werde, helfe langfristig nicht weiter, sagte Baas.

Habeck nimmt für sich in Anspruch, hier ehrlicher und aufrichtiger als die Konkurrenz aufzutreten. Langfristig wollen die Grünen eine Bürgerversicherung einführen, bei der private und gesetzliche Versicherung fusioniert würden und auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete in das System einzahlen.

Bei dem Vorschlag zur Einbeziehung der Kapitaleinkünfte gehe es nicht um „Menschen, die ein bisschen Geld auf dem Konto liegen haben“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge am Dienstag vor einer Sitzung des erweiterten Fraktionsvorstands. „Dass die nicht gemeint sind, ist sonnenklar in der Debatte.“ Dröge kritisierte den Tenor der Diskussion. „Immer wenn jemand einen Vorschlag macht, der die Reichsten belastet, wird eine Debatte fälschlicherweise inszeniert, die denjenigen, die nicht gemeint sind, das Gefühl gibt, dass sie gemeint sein könnten.“ Auch Habeck betonte, es gehe um Gerechtigkeit. Derzeit würden steigende Kosten des Gesundheitssystems allein über die Löhne finanziert. „Der Druck auf die Löhne wird also immer höher, und zwar auf die Löhne der arbeitenden Bevölkerung. Diejenigen, die morgens aufstehen und abends erschöpft und müde nach Hause kommen“, sagte der Kanzlerkandidat.

Geteiltes Echo

Bei Ökonomen löste Habeck ein geteiltes Echo aus. „Das Gesundheitssystem in Deutschland hat ein Ausgabenproblem, kein Einnahmenproblem“, sagte der Wirtschaftsweise Martin Werding. „Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist es eines der teuersten Systeme der Welt“, sagte das Mitglied im Wirtschafts-Sachverständigenrat der Bundesregierung. „Ausgaben und Beitragssätze steigen derzeit massiv an. Die Qualität der Leistungen ist gut, aber nicht herausragend. Zusätzliche Finanzierungsquellen würden derzeit lediglich den Reformbedarf überdecken“, warnte er.

Der Chef des gewerkschaftseigenen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, verteidigte Habeck hingegen. „Robert Habeck macht auf einen wichtigen Punkt aufmerksam: Vor allem die gesetzliche Krankenversicherung zahlt viele Leistungen, die eigentlich gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind“, sagte Dullien. Die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern etwa „sollte eigentlich von allen Menschen im Land getragen werden“, betonte Dullien. Auch Frankreich ziehe Kapitaleinkünfte zur Finanzierung dieser Aufgaben heran. „Robert Habecks Anstoß geht in die richtige Richtung.“

Bayrhammer Gust
14. Januar 2025 - 16.33

Die sind immer noch zwischen 12 und 15%. Wer kann das verstehen? Bei uns sind die weg und haben nicht soviel kaputt gemacht. Grün gehört in die Bio……