Bei der damaligen Anschlagswelle sind in den Jahren 2015 und 2016 mehr als 250 Menschen getötet worden. Dazu zählen die blutigen Anschläge im November 2015 in Paris und Saint Denis mit 130 Todesopfern und der Lkw-Anschlag im Juli 2016 in Nizza mit 86 Toten. Ein Jahrzehnt später ist die islamistische Anschlagsgefahr in Frankreich weiter hoch.
Am Dienstag (7.1.) jährt sich der Anschlag auf die Redaktion des Satireblattes „Charlie Hebdo“ in Paris, das zuvor umstrittene Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatte und deshalb von Islamisten bedroht wurde. Zwei Angreifer stürmten an dem Tag vor zehn Jahren die Redaktionsräume, schossen um sich und töteten dort und auf ihrer Flucht insgesamt zwölf Menschen. Mehrere der bekanntesten Karikaturisten Frankreichs wurden bei dem Angriff erschossen. Der Anschlag löste weltweit eine beispiellose Solidaritätswelle unter dem Motto „Ich bin Charlie“ aus – ein internationaler Aufschrei für Meinungsfreiheit.
Derzeit beobachten die französischen Sicherheitsbehörden bei der Bedrohung durch Islamisten vor allem zwei Entwicklungen mit Sorge: die Auswirkungen des Großangriffs der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und des dadurch ausgelösten Krieges im Gazastreifen – und die Lage in Syrien nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad und die anschließende Machtübernahme durch Islamisten im Dezember.
Die Eskalation in Nahost verschärfe die Bedrohung in Frankreich wie in ganz Europa, so lautet die Einschätzung der französischen Antiterrorismus-Staatsanwaltschaft PNAT. Zwischen Januar und Anfang Dezember 2024 eröffneten die Ermittler der Behörde 59 Verfahren im Bereich Dschihadismus, deutlich mehr als in den drei Jahren zuvor.
Machtwechsel in Syrien bereitet Sorgen
Im August 2024 wurde im südfranzösischen Urlaubsort La Grande-Motte ein Brandanschlag auf eine Synagoge verübt, der mutmaßliche Täter trug eine um die Hüften gewickelte Palästinenserflagge. Es war der bislang einzige gewalttätige antisemitische Anschlag seit Oktober 2023 in Frankreich. Die Anti-Terror-Ermittler warnen aber: Die Ereignisse in Israel und dem Gazastreifen hätten Islamisten und Dschihadisten „enorm aufgestachelt“.
Auf die Lage in Syrien blicken die Ermittler vor allem deshalb mit Sorge, weil nach der Machtübernahme der Assad-Gegner unter Führung der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) auch ein Wiedererstarken des IS befürchtet wird.
Der IS hatte vor einigen Jahren weite Teile Syriens und des benachbarten Irak unter seine Kontrolle gebracht. In den von Kurden kontrollierten Gebieten im Nordosten Syriens werden bis heute gefangengenommene IS-Kämpfer und ihre Angehörigen in Lagern festgehalten, darunter auch 150 Franzosen. Wie es mit ihnen weitergeht, ist nach Assads Sturz offen.
Die Fähigkeiten des IS haben sich im vergangenen Jahrzehnt erheblich verändert. Die IS-Anschläge ab 2015 waren von einer Kommandostruktur im Irak und Syrien aus geplant worden. Heute sei der IS in der Lage, französische Staatsangehörige direkt zu „Gewaltakten zu inspirieren“, heißt es aus der französischen Generaldirektion für Innere Sicherheit (DGSI).
Mehr radikalisierte Minderjährige
Bemerkenswert ist es den Experten zufolge insbesondere, dass heute deutlich jüngere Menschen in Frankreich für den Dschihadismus empfänglich seien. Vor zehn Jahren hätten vor allem schon länger in einer radikalen Ideologie verankerte Islamisten eine Bedrohung für Frankreich dargestellt, sowie junge Menschen, die der „syrische Traum“ angezogen habe, also das selbst ernannte Kalifat des IS in Syrien und im Irak.
Heute radikalisieren sich mehr Minderjährige. „Einige“, aber nicht alle, kämen aus muslimischen Familien, heißt es bei der Anti-Terror-Staatsanwaltschaft. Vor einigen Jahren sei wegen Terrorverdachts lediglich eine Handvoll Ermittlungsverfahren gegen Minderjährige gelaufen, 2023 seien es dagegen 15 gewesen, 2024 sogar 18. Ihre Hinwendung zum islamistischen Extremismus geschehe online, wo sie „eine große Menge an gewalttätigem Bildmaterial“ konsumierten.
Neben dem Islamismus macht den französischen Anti-Terror-Ermittlern auch der Rechtsextremismus Sorgen. Im vergangenen Jahrzehnt eröffneten sie 15 Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremer Gewaltpläne, vier davon laufen noch. Eines davon dreht sich um das „projet Azur“, ein 2020 bekannt gewordener Plan zum Sturz der französischen Regierung. 2024 wurde kein Ermittlungsverfahren wegen Rechtsterrorismus eröffnet. Die Ermittler bleiben nach eigenen Angaben allerdings „äußerst wachsam“, nicht zuletzt aufgrund von Ereignissen in den USA und in Deutschland. (AFP)
De Maart
"Der Anschlag löste weltweit eine beispiellose Solidaritätswelle unter dem Motto „Ich bin Charlie“ aus – ein internationaler Aufschrei für Meinungsfreiheit." Das hatte damals solange gehalten bis Charlie Hebdo sich über andere als Muslime und den Islam lustig machte. Auf ein mal war das mit der Meinungsfreiheit nicht mehr so deutlich.