Vor dem Stuttgarter Opernhaus haben sich etwa 100 junge Liberale postiert. In den Händen halten sie pinke Luftballons, auf denen sie ihre Wünsche für die Zukunft geschrieben haben. Dann lassen sie die Ballons fliegen. Doch die meisten bleiben in den Bäumen vor der Oper hängen, nur ganz wenige Ballons steigen auf in den blauen Himmel. Ein schlechtes Omen für die FDP?
Von Pessimismus mit Blick auf die Bundestagswahl in 48 Tagen will Parteichef Christian Lindner beim traditionellen Dreikönigstreffen allerdings gar nichts wissen. Die FDP liegt in Umfragen zwar seit Wochen bei nur drei bis vier Prozent. Bis zum 23. Februar muss sie unbedingt zulegen, um nicht an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern und den Einzug in den Bundestag zu verpassen. Lindner ist überzeugt, noch Unentschlossene zu gewinnen und solche Unzufriedenen aus dem bürgerlichen Spektrum, die in den drei Ampel-Jahren zu AfD, BSW, Union oder den Grünen abgewandert sind.
„Meine Damen und Herren, ich darf mich vorstellen, ich bin Christian Lindner, und offenbar der schlimmste Albtraum des links-grünen Mainstreams in Deutschland“, beginnt Lindner seine einstündige Rede. Das Land sei in einem beklagenswerten Zustand, den Menschen fehle Zuversicht, sie hätten Zukunftsängste. Andere Parteien wollten diese Ängste verstärken oder ausnutzen, die FDP dagegen wolle jeden einzelnen so stärken, „dass sich die Menschen selbst aus ihren Ängsten befreien können“, sagt Lindner. „Alles lässt sich ändern, wenn wir nur wollen.“
Im November hatte Lindner mit einem Halbsatz in einer TV-Talkshow einen Stein ins Wasser geworden, der immer noch Kreise zieht. Man müsse in Deutschland womöglich „mehr Musk und Milei wagen“, sagte der FDP-Chef bei „Caren Miosga“. Nun wird ihm vorgeworfen, den US-Hektormilliardär Elon Musk zu verehren, der die AfD unterstützt und durch Interventionen über soziale Medien die deutsche Demokratie schwächen will. Oder den argentinischen Präsidenten Javier Milei, wie Musk ein Anhänger der libertären Bewegung, der mit einer Kettensäge an staatliche Institutionen geht.
Warnung vor einer „Ampel-light“-Koalition
Gleich zu Beginn spricht Lindner in Stuttgart dieses heikle Thema an. „Es ist bekannt, dass ich beeindruckt bin von der unternehmerischen Gestaltungskraft eines Elon Musk, aber die ist nicht automatisch verbunden mit politischem Urteilsvermögen“, betont Lindner. Da Musk ein Anhänger der Make-America-Great-Again-Strategie des designierten US-Präsidenten Donald Trump sei, gehe es ihm um die Schwächung „unseres deutschen Vaterlandes“. Lindner betont: „Keine Patriotin, kein Patriot darf darauf hereinfallen.“ Großer Jubel.
In der Wirtschaftspolitik setzt Lindner auf eine Wende, die es nur mit der FDP in einer nächsten Regierung geben könne. Mit Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün unter einem Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) werde es dagegen eine „Ampel-light“, ein Weiter-So geben, denn die Union sei ein „Chamäleon“, das immer die Farbe des jeweiligen Koalitionspartners annehme.
„Unser Land ist falsch abgebogen hinsichtlich der inneren Einstellung, wir haben uns an spitzenmäßige soziale Absicherung und ökologische Standards gewöhnt“, so Lindner. „Leistung ist heute für viele etwas, das man nicht hinterlegt, sondern das man beantragt.“ Für die Arbeit brauche es „eine Art Imagekampagne“, denn viele verstünden darunter nur noch die lästige Unterbrechung ihrer Freizeit. Die FDP fordert eine bessere Kinderbetreuung, steuerfreie Überstundenzuschläge, die Abschaffung des Acht-Stunden-Tages. Um Bürokratie abzubauen, will sie testweise alle Berichts- und Dokumentationspflichten für Unternehmen aussetzen. Das Umweltbundesamt müsse abgeschafft, die Zuständigkeit für die Arbeitsmarktpolitik dem Wirtschaftsministerium zugeschlagen werden. Rot-Grün verfolge die Idee, die Wirtschaft staatlich zu lenken, etwa mit Subventionen. Die FDP habe eine grundlegend andere Auffassung.
FDP-Chef will wieder Finanzminister werden
Nur einen Hauch von Selbstkritik erlaubt sich Lindner. Es sei richtig gewesen, die Ampelkoalition vorzeitig zu beenden. Danach aber sei man damit „unsouverän“ umgegangen, sagt Lindner in Anspielung auf das „D-Day-Papier“, in dem die FDP Weltkriegsvokabeln verwendet hatte und das die minutiöse Vorbereitung des Ampelbruchs dokumentierte. Vor allem aber bedauert Lindner, dass SPD und Grüne die Deutungshoheit über den Bruch gewonnen hätten. Er werde aber nicht zulassen, dass die Integrität der FDP beschädigt werde. „Uns ging es immer um das Land“, beteuert er. „Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass wir es zum Ampel-Aus haben kommen lassen. Was ich bedauere, ist, dass wir nicht mehr Konsequenz in einzelnen Fragen hatten.“
Der FDP-Chef arbeitet sich vor allem an Wirtschaftsminister Robert Habeck ab. Dass der Grüne nun 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben wolle, bedeute, dass Deutschland in den kommenden Jahren insgesamt eine halbe Billion Euro dafür aufwenden müsste. Das sei „völlig losgelöst“ von den Realitäten. Habeck wolle auch die EU-Fiskalregeln aushebeln und so die Stabilität des Euros aufs Spiel setzen. „Habeck und die Grünen dürfen keine Kontrolle über die Finanzen dieses Staates erhalten.“
Lieber will Lindner selbst ein zweites Mal Bundesfinanzminister werden. Im April finde das nächste Treffen beim Internationalen Währungsfonds in Washington statt. Mit Glück könne er es nach der Wahl schaffen, wieder als Minister beim IWF dabei zu sein. Die Jungen Liberalen im Saal sind begeistert von Lindner und trampeln mit den Füßen.
De Maart
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