Donnerstag6. November 2025

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DeutschlandSPD-Chef Lars Klingbeil: „In einem Wahlkampf sollte man nicht zu zimperlich sein“

Deutschland / SPD-Chef Lars Klingbeil: „In einem Wahlkampf sollte man nicht zu zimperlich sein“
Lars Klingbeil ist einer der beiden Parteivorsitzenden der SPD Foto: dpa/Andreas Arnold

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Es sind die ersten Arbeitstage im neuen Jahr für den SPD-Vorsitzenden. 2025 wird aufreibend für die Partei, die heiße Phase des Wahlkampfs beginnt und die SPD liegt mit Kanzler Olaf Scholz derzeit auf dem dritten Platz. Warum Lars Klingbeil dennoch optimistisch ist und warum ihn US-Milliardär Elon Musk so umtreibt.

Tageblatt: Herr Klingbeil, was sind Ihre Vorsätze für das neue Jahr?

Lars Klingbeil: Privat habe ich den Vorsatz, Sport zu treiben, zu lesen und Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Politisch ist der Fokus, die nächsten 51 Tage Vollgas zu geben und die Bundestagswahl mit Olaf Scholz zu gewinnen.

Wie optimistisch sind Sie für den Wahlkampf? Die Umfragen über den Jahreswechsel haben sich nicht groß zugunsten der SPD verändert.

Der Wahlkampf geht jetzt erst richtig los. Mit diesem Wochenende beginnt die heiße Phase, die ersten Plakate hängen und nun fangen die Menschen an, sich mit ihrer Wahlentscheidung zu beschäftigen. Es wird eine Auseinandersetzung zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz. Und da bin ich fest von überzeugt: Wir haben den besseren Kandidaten, das bessere Programm und das bessere Team.

Die Parteien, außer BSW und AfD, haben ein Fairness-Abkommen für den Wahlkampf geschlossen. Wird das halten?

In einem Wahlkampf sollte man nicht zu zimperlich sein, es ist eine Auseinandersetzung um den besten Kandidaten und die besten Inhalte. Bei aller Härte in der Sache jedoch muss es fair bleiben. Es ist doch sehr bezeichnend, dass AfD und BSW kein Teil dieses demokratischen Ringens sind. Beide Parteien nehmen informell die Unterstützung aus Russland in Kauf, die AfD brüstet sich mit dem libertären US-Milliardär Elon Musk, dem unser Staat und unsere Demokratie völlig egal sind. Musk beleidigt den Bundespräsidenten, die oberste Repräsentanz unseres Landes. Das zeigt, dass wir in diesem Wahlkampf uns nicht nur gegen die Feinde der Demokratie von innen, sondern auch von außerhalb Deutschlands wehren müssen.

Sie haben Musk und seine Absichten, die deutsche Demokratie zu stören, mit Wladimir Putin verglichen. Ist das nicht überzogen?

Elon Musk ist nicht Wladimir Putin, das habe ich auch nie gesagt. Putin ist ein Kriegsverbrecher und ein brutaler Diktator. Ich habe Mechanismen beschrieben. Wir sehen doch, wie sich international rechte Kräfte vernetzen und welche Rolle dabei russische Netzwerke und jetzt auch der Chef des Kurznachrichtendienstes X spielen. Musk geht es darum, seine Kommunikationsmacht zu nutzen, um Meinung und Wahlen zu beeinflussen und Geld zu machen. Die Zukunft Deutschlands ist ihm egal.

Musk beleidigt den Bundespräsidenten, die oberste Repräsentanz unseres Landes. Das zeigt, dass wir in diesem Wahlkampf uns nicht nur gegen die Feinde der Demokratie von innen, sondern auch von außerhalb Deutschlands wehren müssen.

Es geht um Vertreter und Berater der neuen amerikanischen Regierung. Muss nicht auch ein neuer Kanzler mit dieser Regierung klarkommen, auch wenn sich Maßstäbe verändern?

Amerika ist weiterhin unser wichtigster Verbündeter, auch wenn die Wahl von Trump und sein Umfeld vieles komplizierter machen wird. Es ist richtig, dass Olaf Scholz in mehreren Telefonaten mit Trump klar signalisiert, dass er den Kontakt sucht und mit dem neuen US-Präsidenten gut und kooperativ zusammenarbeiten will.

Sie fordern die Kontrolle des Onlineportals X, das Musk gehört. Was meinen Sie damit eigentlich genau?

Es braucht eine Aufsicht und einen Kampf gegen Fake News auch in den sozialen Medien. Wir sehen gerade bei X, dass sich Dinge seit der Übernahme von Musk sehr negativ entwickeln. Ich sehe da vor allem die EU in der Pflicht, Regeln auch durchzusetzen.

Zurück zum deutschen Wahlkampf. Es ist ja nicht nur ein Duell, auch der grüne Kandidat Robert Habeck und Alice Weidel von der AfD wollen Kanzler werden. Ist es richtig, dass es TV-Duelle nur zwischen Scholz und Merz gibt?

Das müssen Sie die TV-Sender fragen. Aber Scholz und Merz formulieren beide klar, dass sie Kanzler bleiben beziehungsweise werden wollen. Die AfD ist isoliert. Die Grünen wiederum bewerben sich mittlerweile täglich um eine schwarz-grüne Koalition. Sie wollen unbedingt der Juniorpartner von Friedrich Merz werden. Das ist der Unterschied zur SPD. Wir wollen auf Platz eins.

Raten Sie Olaf Scholz, auch in die direkte Auseinandersetzung mit Alice Weidel zu gehen?

Wir scheuen die Auseinandersetzung mit der AfD nicht. Die reden das Land nur schlecht, hetzen gegen alles, aber haben keine Idee für einen Aufbruch.

Sind Sie und CSU-Chef Markus Söder nun eigentlich ziemlich beste Freunde? Er schließt Schwarz-Grün weiter kategorisch aus.

Auch, wenn wir uns manchmal in der Münchner Allianz Arena begegnen, sind wir weit davon entfernt, beste Freunde zu werden.

Die Wirtschaft steht im Mittelpunkt der Wahlauseinandersetzung. Laut einer Umfrage will etwa ein Drittel der NRW-Firmen in der Metall- und Elektroindustrie 2025 Jobs streichen. Sie pochen auf den Kabinettsbeschluss zur Deckelung von Netzentgelten. Gelingt das mit der Union noch vor der Bundestagswahl? Was bieten Sie der Union im Gegenzug an?

Es geht nicht um ein politisches Tauschgeschäft, sondern um die Frage von staatspolitischer Verantwortung. Wir sehen, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt zuspitzt. Menschen sitzen derzeit beim Abendbrot, machen sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz und um das, was sie sich aufgebaut haben. Diese Menschen haben keine Zeit, die nächsten fünf Monate abzuwarten, bis eine neue Regierung im Amt ist. Ich kann nicht akzeptieren, dass Friedrich Merz sagt: Jetzt ist Wahlkampf und es wird nichts mehr beschlossen. Es gibt eine Verantwortung, die wir alle tragen, egal, ob in der Regierung oder der Opposition. Das Angebot, die Netzentgelte zu deckeln und somit die Energiepreise zu senken, liegt auf dem Tisch. Das würde Unternehmen konkret helfen und Arbeitsplätze in diesem Land sichern. Wir können das problemlos noch vor der Wahl im Bundestag verabschieden.

Politische Kompromisse waren von den Liberalen nicht mehr gewollt

Friedrich Merz argumentiert, dass die Ampel-Koalition Zeit genug gehabt hat, die Stromkosten zu senken …

Wir haben in der Regierung viel dafür getan, dass die Energiepreise sinken, denken Sie etwa an die Energiepreisbremsen nach Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine. Gleichzeitig ist klar, dass hier noch mehr passieren muss, da drängen wir als SPD schon lange drauf. Wir haben das Schauspiel der FDP in den letzten Monaten ja beobachten können. Politische Kompromisse waren von den Liberalen nicht mehr gewollt. Aber die CDU muss sich dann auch fragen lassen, ob sie nur weil Wahlkampf ist, zulässt, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Wir müssen jetzt tun, was notwendig ist, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Ich werde im Kampf um Jobs keinen Tag Ruhe geben.

Der Kampf um Arbeitsplätze gelingt nur mit den Arbeitgebern. Der Mindestlohn kommt in der Wirtschaft nicht gut an, die Lohnnebenkosten sind auf Rekordniveau unter einer SPD-geführten Bundesregierung. Wie passt das zusammen?

Wenn ich mit Arbeitgebern spreche, dann geht es vor allem um fehlende Investitionen in die Infrastruktur, die Digitalisierung und die Bildung. Genau hier wollen wir mit einer Reform der Schuldenbremse und dem Made-in-Germany-Bonus ansetzen. Unternehmen, die hier vor Ort investieren, bekommen einen Steuerbonus. Das wird helfen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Manche erzählen ja gerne, Deutschlands größte wirtschaftliche Schwäche seien faule Arbeiter oder zu viel Arbeitnehmerrechte. Das ist Quatsch. Wir hatten 2024 Rekordbeschäftigung, die deutschen Arbeitnehmer sind sehr fleißig.

Ist die SPD noch die Partei der Arbeit? Durch das Bürgergeld hat Ihr Image ziemlich gelitten.

Ein starker Sozialstaat ist wichtig, damit Menschen, die hinfallen, aufgefangen werden. Aber unser Programm ist aus der Perspektive der arbeitenden Mitte, der Fleißigen und Anständigen aufgeschrieben. Das ist mir sehr wichtig. Nach Jahren der Krise ist jetzt der Zeitpunkt, dass Familien und Beschäftigte mehr Geld in der Tasche haben. Wir haben unser Programm für den Wahlkampf durchgerechnet, die Union überhaupt nicht. Dort fehlen 100 Milliarden Euro pro Jahr, weil sie Steuergeschenke für die Reichsten verspricht. Für die Arbeitnehmer ist da wenig drin.

Wir hatten 2024 Rekordbeschäftigung, die deutschen Arbeitnehmer sind sehr fleißig

Wie hält man die AfD klein?

Mit einem Programm für die arbeitende Mitte, mit dem Kampf um sichere Arbeitsplätze, mit Entlastungen für Familien.

Sie sollen der Spitzenkandidat der SPD in Niedersachsen werden. Sind Sie zufrieden mit den Listenaufstellungen Ihrer Partei? In Berlin etwa gab es Unruhe.

Listenaufstellungen sind Teil des demokratischen Prozesses. Da wird es auch mal spannend. Aber dann geht es darum, die Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen, den Schalter umzulegen und gemeinsam als SPD zu kämpfen. Die Aufholjagd beginnt jetzt.

Olaf Scholz und Friedrich Merz haben ihr politisches Schicksal an das Ergebnis der Wahl geknüpft, Fraktionschef Rolf Mützenich hat kryptisch gesagt, er übernehme Verantwortung, bis Dinge geregelt sind. Was gilt für Sie?

Ich will diese Wahl gewinnen.

Und wenn Sie auf Platz zwei oder drei landen?

Darüber denke ich nicht nach. Das habe ich 2021 aus dem Wahlkampf mitgenommen. Wir können die Umfragen drehen.

Wahlkampfmanager und Fußballfan

Arbeit Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil steht seit 2021 gemeinsam mit Saskia Esken an der Spitze der Sozialdemokraten. Der Bundestagsabgeordnete (46) aus Niedersachsen war zuvor Generalsekretär und leitete den Bundestagswahlkampf 2021.
Sport Klingbeil ist großer Fan des FC Bayern und sitzt im Verwaltungsbeirat. Der Soldatensohn aus Munster hat Politikwissenschaften in ­Hannover studiert.