Donnerstag6. November 2025

Demaart De Maart

FührungsambitionenPolen übernimmt den EU-Vorsitz von Ungarn – eine Analyse

Führungsambitionen / Polen übernimmt den EU-Vorsitz von Ungarn – eine Analyse
Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk spricht nach einem Treffen am EU-Hauptsitz in Brüssel  Foto: AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Polen hat sich vom Land der vermeintlichen Autodiebe über den EU-Beitritt 2004 und zwei Kaczynski-Regierungen mit Rechtsstaatsproblemen zu einer potenziellen Führungskraft Europas hochgearbeitet. Am 1. Januar nun übernimmt es unter dem liberalen Donald Tusk den EU-Ratsvorsitz – und dies ausgerechnet vom illiberalen Ungarn mit seinem EU-Enfant-terrible Viktor Orban. Warschau setzt dabei anstelle pro-russischer „Friedensinitiativen“ auf Sicherheit und noch mal Sicherheit. 

Seit dem russischen Angriff auf das östliche Nachbarland Ukraine ist klar geworden, dass Polen trotz Problemen und Knatsch mit Brüssel schon lange ziemlich viel richtig gemacht hat. So wollte Warschau den Ukrainern etwa sofort und mit vielen Waffen helfen. Ein Zaudern à la Deutschland und Frankreich lehnte man an der Weichsel entschieden ab. Die Ukraine stünde heute anders da, hätten im März 2022 alle EU-Mitglieder so gehandelt wie Polen. Denn kaum hatte Russland die Ukraine angegriffen, wollte es den Ukrainern die meisten seiner MiG-29-Kampfjets überlassen. Die Regierung in Warschau wurde zwar zuerst von den USA zurückgepfiffen, ein Jahr später waren die ersten MiG dann doch in der Ukraine. Polen machte es schon immer richtig, hat sein Herz am richtigen Fleck.

Dieser Eindruck drängt sich umso mehr auf, seitdem Frankreich durch die missratene Parlamentsauflösung im Sommer 2024 politisch schwach geworden ist und Deutschland gerade seine Regierungskoalition verloren hat. Verglichen mit diesen beiden bisher wichtigsten EU-Mitgliedern steht Polen am Anfang von 2025 stabil und zielbewusst da. Und auch vor Donald Trump zittert hier kaum jemand, bestimmt nicht Donald Tusk, der polnische Ministerpräsident.

Ungehörte Warnungen

Tusk, der ehemalige Ratspräsident der EU, mag zwar weltanschauliche Probleme mit den Partnern in seiner rechtsliberalen Regierungskoalition haben. Doch angesichts der Drohgebärden Wladimir Putins gegen den Westen erscheinen vielen in Polen Streitthemen wie LGBT-Hochzeiten und eine Fristenlösung bei der Abtreibung als Randprobleme. Auch die Präsidentschaftswahlen im Sommer sollte Tusks Lager mit dem linksliberalen Rafal Trzaskowski als Kandidaten gewinnen. Dann würde die Regierung nicht länger von einem der rechtsnationalen PiS nahestehenden Amstinhaber, wie heute Andrzej Duda, blockiert werden können.

Polen hatte dazu schon früh vor der imperialistischen Gier des russischen Präsidenten gewarnt. Als Putin 2008 seine Armee in Georgien einmarschieren ließ, flog Staatspräsident Lech Kaczynski zu einem Solidaritätsbesuch nach Tiflis. Warschau unterstützte eine von Moskau unabhängige Ukraine. Während der Orangen Revolution 2004 und der Maidan-Revolution 2013/14 wehten neben ukrainischen und EU-Flaggen immer auch die polnischen. Vor allem aber stemmte sich Warschau vehement gegen die deutsch-russischen Pipeline-Projekte Nord Stream 1 und 2. Es handle sich dabei nicht um rein wirtschaftliche Projekte, wie Berlin behaupte, sondern um eine Vorbereitung auf einen allfälligen Krieg Russlands, argumentierte Warschau, und wurde von vielen in Westeuropa verlacht.

Doch Polen erhielt Ende Februar 2022 recht. Auch ist heute klar, dass vor allem Westeuropa mit seinem Hunger nach billigem Erdgas den Ukraine-Krieg praktisch vorfinanziert hat. Die Polen dagegen setzten trotz großer, aus sozialistischer Zeit geerbter Abhängigkeit von russischen Energieträgern früh auf Diversifizierung. Sie bauten gar eine Gaspipeline nach Norwegen, obwohl dieses Erdgas natürlich teurer war als russisches.

Doch auf Kosten der Ukraine wollte sich Warschau – im Unterschied zu Berlin – keine wirtschaftlichen Vorteile verschaffen. Dazu importierte Polen früh LNG aus Katar, aber auch aus den USA. Denn Warschaus Politik war schon immer pragmatisch transatlantisch. Zwar trat das osteuropäische Land 1999 der NATO bei, doch in Sicherheitsfragen setzte es immer auch auf bilaterale Rückversicherungen durch die USA.

So kommt es auch, dass Polen im Herbst eine ständige Basis der US-Armee in Redzikowo, 120 Kilometer westlich von Danzig, erhalten hat. Geplant worden war sie ursprünglich zu Zeiten von George W. Bush als Abfangstation für Raketen aus Iran. Jetzt, im dritten Jahr des russischen Angriffskrieges gegen den Nachbarn Ukraine, hat die amerikanische Basis noch ungleich höheren Wert für Polen. Die Stationierung von amerikanischen Soldaten stellt eine echte Sicherheitsgarantie der USA dar, so glauben die Polen, viel mehr als die EU-Mitgliedschaft und der Artikel 5, die Beistandspflicht im NATO-Vertrag. Und kein EU-Land gibt so viel aus für die Verteidigung wie Polen: 4,7 Prozent des BIP.

Gegenüber Donald Trump hat man in Polen dementsprechend weniger Berührungsängste als andernorts in der EU, denn immerhin war es Donald Trump, der die ersten amerikanischen Truppen, wenn auch nur mit rotierender Mannschaft, nach Polen verlegt hatte.

Gemeinhin herrscht in Westeuropa die Meinung vor, dass Jaroslaw Kaczynskis Partei PiS Polen acht Jahre lang immer näher an den Abgrund getrieben hat. Dabei geht gerne vergessen, dass sowohl eine Russland-kritische Politik als auch eine kontrollierte Migration sowie die Aufrüstung von der PiS gefordert und von Tusk nach dem Wahlsieg 2023 fortgeführt wurden.

RCZ
2. Januar 2025 - 9.55

Noch ist Polen nicht verloren, Europa hingegen schon eher!🧐🤔🤐🫢😱

Luxmann
2. Januar 2025 - 9.27

Es scheint ja dass der polnische Donald T noch mehr EU gelder in der ukraine versenken will.
Das wird dem US Donald T sogar entgegenkommen,da er das geld auf seiner seite dann sparen kann.
Also eine allianz der beiden Donalds mit gemeinsamen ziel.

Luxmann
2. Januar 2025 - 8.21

Die maer dass die US militaerbasis in Polen gegen den Iran gerichtet war glaubt allerdings keiner der mal eine weltkarte anschaut...die war von anfang an gegen Russland gerichtet.
Trotzdem wird sie immer wieder aufgetischt.