Donnerstag23. Oktober 2025

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TennisChris Rodesch im Interview: Roland Garros und Wimbledon 2025 im Visier

Tennis / Chris Rodesch im Interview: Roland Garros und Wimbledon 2025 im Visier
Chris Rodesch gewann im Sommer 2024 fünf ITF-Titel Foto: Editpress/Luis Mangorrinha

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Chris Rodesch blickt auf ein beeindruckendes Jahr 2024 zurück. Der Luxemburger startete im Sommer seine Profikarriere und machte u.a. durch fünf Turniersiege fast 400 Plätze in der Tennis-Weltrangliste gut. Am Ende seiner Entwicklung sieht sich der 23-Jährige aber noch lange nicht: Im kommenden Jahr will er erstmals in der Qualifikation eines Grand Slams aufschlagen, wie er im Interview mit dem Tageblatt verrät.

Tageblatt: Sie haben im Juni nach dem Abschluss des Colleges in den USA Ihre Profikarriere gestartet. In der Weltrangliste standen Sie damals auf dem 691. Platz, wenig später blieben Sie auf der ITF-Tour während 28 Spielen ungeschlagen und feierten fünf Turniersiege. Mittlerweile stehen Sie im ATP-Ranking auf Platz 302. War es ein Traumstart ins Profigeschäft?

Chris Rodesch: Ich bin sehr zufrieden mit meinem Start. Platz 302 ist aber nicht dort, wo ich sein will. Das ist nicht mein Ziel. Ich will in die Top 100 kommen und deswegen werde ich weiter hart arbeiten. 2024 war ein sehr erfolgreiches Jahr, aber es gibt immer Dinge, die man besser machen kann.

Was sind die Sachen, die Sie besser machen können?

Es gab viele Spiele, in denen ich gesehen habe, dass noch Luft nach oben ist. Es gab Matches, nach denen ich mir zum Beispiel gedacht habe: Hier hättest du noch aggressiver spielen können oder da die Vorhand noch mehr einsetzen oder den Aufschlag mehr variieren können. Es gibt viele Dinge, die ich noch verbessern kann – was ja auch positiv ist. Dadurch sehe ich, dass es noch weiter nach vorne gehen kann.

Wie sind Sie mit dem Erfolg und der Siegesserie mental umgegangen?

Es hat sich viel auf mentaler Ebene abgespielt. In dem Bereich habe ich auch viele Fortschritte gemacht. Ich habe in Amerika am College sehr oft an Position eins gespielt. Da erwartet jeder, dass du gewinnst. Die Drucksituationen, die ich an der Uni dadurch erlebt habe, haben mir bei den 28 Siegen sicherlich geholfen. Spätestens nach den ersten 15 Siegen kamen die Gegner auf den Platz und hatten nichts zu verlieren. Ich habe das auch gemerkt. Sie haben aggressiver gespielt und ich war immer in Bedrängnis. Ich habe aber immer an mich geglaubt. Es ist trotzdem auch wichtig, mit beiden Füßen auf dem Boden zu bleiben und immer „humble“, also demütig, zu sein. Mein Headcoach am College hat mir das Tag und Nacht gepredigt. Auch auf der Uni hatte ich mal Serien von 15 Siegen in Folge. Er hat mich dann auf einen Kaffee zur Seite genommen und mir gesagt: „Chris, du musst immer bodenständig bleiben. Du bist noch nicht auf dem Level, auf dem du spielen möchtest, und musst deine größeren Ziele im Auge behalten.“ Diese Mentalität habe ich auch mit in meine Profikarriere genommen. Ich denke vor jedem Spiel, dass die Chancen 50:50 stehen. Ich muss immer alles geben und darf nicht denken, dass ich jetzt der bessere Spieler bin und es relax angehen kann, nur weil ich ein paar Siege geholt habe. Ich glaube, das habe ich gut umgesetzt und daher auch die Serie gehabt. 

Sind die Erfahrungen am College der Grundstein für Ihren Erfolg auf der Tour gewesen?

Ja, ich glaube, der größte Teil des Erfolgs ist auf die College-Erfahrung zurückzuführen. Vor dem College wäre ich nicht bereit gewesen, überhaupt ein Profiturnier zu gewinnen. Ich habe während meiner vier Jahre dort wirklich sehr viel gelernt. Ich trainiere jetzt in Luxemburg mit Anders (Johansson), auch er bringt mir noch sehr viel bei. Wir haben mein Spiel weiterentwickelt, was natürlich auch weiterhilft.

Das hat mir noch einmal ein anderes Level an Selbstvertrauen gegeben. Es war nur ein Spiel, aber es hat mir gezeigt, dass ich auf dem Niveau mithalten kann.

Chris Rodesch, über seinen ersten Sieg gegen einen Top-100-Spieler

Nach der Serie auf der ITF-Tour haben Sie in Amerika drei ATP-Challenger-Turniere gespielt und auf dieser Ebene auch Ihre ersten Siege im Hauptfeld geholt. Wie schwierig war der Wechsel von den ITF-Turnieren auf die Challenger-Ebene?

Ich war vor den Challengern ziemlich nervös, weil es einfach eine professionellere Atmosphäre ist. Für mich war es sehr wichtig, da meinen ersten Sieg zu holen. Ich hatte davor immer das Gefühl, dass ich zwar auf der Future-Tour gewinnen kann, aber mich auf der Challenger-Tour erst beweisen muss. Der erste Sieg hat mir dann gezeigt, dass ich auch auf dieser Ebene gewinnen kann. Ab dem Moment habe ich noch besseres Tennis gespielt. Ich habe im November in Charlottesville das Viertelfinale erreicht, danach habe ich eine Woche trainiert und anschließend in Drummondville in Kanada das Finale gespielt.

Die Turnierhierarchie im Tennis

Die ITF Tour, auch Future Tour genannt, ist die Einsteigertour für professionelles Tennis. Bei den Herren umfasst sie zwei Turnierkategorien: M25 und M15. Die Zahl im Namen gibt jeweils die Anzahl der Weltranglistenpunkte an, die der Sieger erhält. Die Ergebnisse der ITF-Turniere fließen nämlich in die ATP-Rangliste ein und ermöglichen den Profis den Aufstieg in die ATP-Challenger-Tour, wenn sie genügend Punkte und eine gewisse Position erreicht haben. Auf der Challenger Tour gibt es dann immer noch weniger Geld und Punkte als auf der ATP Tour, aber wesentlich mehr als bei der ITF. Die Turniersieger gewinnen zwischen 50 und 175 Weltranglistenpunkte. Da die Konkurrenz sehr groß ist, verbringen viele Spieler viele Jahre auf diesem Niveau. Das Prinzip ist wiederum das gleiche. Sobald man genügend Punkte gesammelt hat, steigt man in der Weltrangliste auf – und kann auf der ATP Tour und schließlich bei Grand Slams aufschlagen.

In Drummondville haben Sie auch erstmals in Ihrer Karriere gegen einen Top-100-Spieler gewonnen. Werten Sie das als Zeichen, dass Sie es selbst auch dahin schaffen können?

Klar, das hat mir noch einmal ein anderes Level an Selbstvertrauen gegeben. Es war nur ein Spiel, aber es hat mir gezeigt, dass ich auf dem Niveau mithalten kann, was ein sehr gutes Zeichen ist. Ich muss jetzt daran arbeiten, auf diesem Level konstant zu spielen – vielleicht sogar konstant gegen diese Leute zu gewinnen. Daran arbeite ich im Moment, um dann auch auf die ATP Tour zu kommen und dort konstant zu spielen.

Sie wurden durch Ihr College-Ranking in das sogenannte ATP-Accelerator-Programm aufgenommen, wodurch Sie Wildcards für Challenger-Turniere erhalten. Brauchen Sie diese Wildcards nach Ihrem Aufstieg im Ranking im Moment eigentlich noch?

Es hängt von den Turnieren ab. Im Januar spiele ich in Nottingham, da brauche ich sie nicht, weil viele Spieler, die normalerweise bei diesen Turnieren aufschlagen, in der Woche die Qualifikation der Australian Open spielen. Das heißt, dieses Challenger-Turnier ist auch ein bisschen schwächer besetzt, danach werde ich die Wild Cards vielleicht wieder brauchen. Das hängt aber natürlich auch von meinem Abschneiden bei den ersten Turnieren des Jahres ab. Es ist wichtig, jetzt auf dem Challenger-Niveau viel Spielpraxis zu bekommen, viele Matches zu machen und mich weiter an die Atmosphäre und die Professionalität auf diesem Level zu gewöhnen und mich weiter zu verbessern.

Im Ranking stehen Sie vor dem Jahreswechsel auf Rang 302. Was sind Ihre Ziele für 2025?

Es ist schwer, meine Ziele über das Ranking zu definieren. Ich will mich weiter verbessern. Ich weiß, dass ich mein Potenzial noch nicht ganz erreicht habe, mein Ziel ist es, dieses ganz zu entfalten. Das ist in meiner ganzen Tenniskarriere überhaupt das wichtigste Ziel. Was die Turniere betrifft, habe ich mir das Ziel gesetzt, 2025 die Qualifikation von Roland Garros und Wimbledon zu spielen. Dafür muss man in der Weltrangliste ungefähr in den Top 220 stehen. Ich habe auf meiner Position im ATP-Ranking aktuell 173 Punkte, um in eine Grand-Slam-Qualifikation zu kommen, braucht man ungefähr 250 Punkte. Diese 80 Punkte muss ich in den ersten fünf Monaten des Jahres holen. Ich habe keinen Druck und es ist ein hartes Business, aber es wäre cool, das zu schaffen.

Wie realistisch schätzen Sie das ein?

Von außen betrachtet, sieht es ziemlich realistisch aus. Ich selbst will aber keine zu großen Erwartungen an mich selbst stellen, da ich weiß, wie schwer und schnelllebig der Tenniszirkus ist. Man ist in jeder Turnierwoche einer von 32 – ich bin einer von vielen. Diese Einstellung hilft mir mental. Von außen ist es aber, wie gesagt, sehr realistisch.

Würde mit der Teilnahme an einem Grand Slam ein Traum in Erfüllung gehen?

Ja. Als ich noch bei den Junioren spielte, war ich in den Top 60 der Welt. Dann bekam ich allerdings eine Nervenerkrankung. Ich brauchte zwei Jahre, um zurück auf mein Niveau zu kommen. Dadurch habe ich alle Junioren-Grand-Slams verpasst. Das hat mich sehr lange verfolgt. Es wäre cool, jetzt meine Revanche im Herren-Tennis zu bekommen. Das wäre mein großer Traum.

Steckbrief

Chris Rodesch
Geboren am
18. Juli 2001
Nationalität: Luxemburger
Größe: 1,98 m
Gewicht: 93 kg
Weltrangliste Herren: Platz 302 
ITF-Titel: 7 (Einzel)
Preisgeld: 49.683 Dollar (Karriere insgesamt)