Freitag7. November 2025

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Lust auf LesenLesestoff zum Jahresende von Moon Unit Zappa und Joachim Meyerhoff

Lust auf Lesen / Lesestoff zum Jahresende von Moon Unit Zappa und Joachim Meyerhoff

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Zwei Bücher zum Jahresabschluss: „Man kann auch in die Höhe fallen“ und „Earth To Moon“. Wer sich hinter den Covern verbirgt und ob sich die Lektüre lohnt. 

„Man kann auch in die Höhe fallen“– Joachim Meyerhoff

Der Autor Jochaim Meyerhoff
Der Autor Jochaim Meyerhoff Foto: Heike Steinweg

Ein erfolgsverwöhnter Schauspieler und Autor kommt, der Inspiration wegen, nach Berlin. Was er dort findet, sind keine neuen Aufgaben und künstlerische Herausforderungen, sondern jede Menge Frust. Und „ohne wirklich zu begreifen, wie es dazu gekommen war“, wird er in der Folge zu einem Nervenbündel mit Schreibblockade, „dessen Unausgeglichenheit für die mir nahestehenden Personen mehr und mehr zur Zumutung wurde“.

Abhilfe soll ein temporärer Verbleib bei der Mutter bringen, die in Norddeutschland auf – sagen wir ruhig – ihren Latifundien an der Ostsee lebt. Der von Großstadt und Schlaganfall gezeichnete Sohn kommt mit selbstgerechtem Balken vor den Augen an, um ihr zur Hand zu gehen. Doch die hat weder nach Hilfe verlangt noch braucht sie welche. Es ist der Sohn, der auf dem Schlauch steht und eher intuitiv zu den auch symbolischen Anfängen seines Lebens zurückkehrt: in den Schoß der Familie! Zu den Erinnerungen einer trotz allem doch glücklichen Kindheit, zur Wiederbegegnung mit dem ersten Gekrakel von Wörtern in Schulheften, deren Existenz dem Schriftsteller Joachim Meyerhoff bzw. seinem Alter-Ego-Romanhelden entfallen war und deren Blätter treulich in dessen neuestem Roman faksimiliert zu sehen sind.

Also: Back to the Roots? Oder alles wieder zurück auf Los? Wohl kaum. Stattdessen, als Kur gegen den in Berlin angesetzten oder eskalierten Weltekel, strenge Tagesregeln mit viel Zeit an der frischen Luft. Und, wie man sich das halt so vorstellt als durch und durch medienaffiner Großstädter: mit totalem Handyverbot! Regeneration heißt die Parole. Echt schade, wenn sich die Realität dann im planmäßig Vorgefassten breitmacht wie ein peinlicher entfernter Verwandter in der guten Stube.

Krankheit und Liebe

Meyerhoff ist, man muss das nach all den Bucherfolgen kaum noch hervorheben, ein begnadeter Erzähler. Entsprechend weiß er das Anekdotische zu schätzen und auch in seinem sechsten autobiografischen Roman mit dem (einem Hölderlin-Zitat geschuldeten) Titel „Man kann auch nach oben fallen“ immer wieder als Kontrapunkt, als Mittel zur Charakterisierung, als Kolorit, oder einfach als Atempause einzusetzen. Wer sich nach dem Sinn von Letzterer fragt, dem sei gesagt, dass Meyerhoff sich gelegentlich salopp, aber immer gewissenhaft mit den Folgen einer tiefen Lebenskrise – neumodisch auch „Burn-out“ genannt – befasst. Die Feststellung einer solchen ist das Eine. Sie den Leserinnen und Lesern nachvollziehbar zu machen, dafür immer neue Bilder zu finden, die das Allumfassende eines solchen „Nicht gut beieinander“-Seins verdeutlichen, ist das Andere.

Cover zu „Man kann auch in die Höhe fallen“
Cover zu „Man kann auch in die Höhe fallen“ Quelle: Kiepenheuer & Witsch

Dabei tritt ein Burn-out selten mit einem Wumms ins Leben der Betroffenen. Vielmehr schleicht sich dieser restlose Erschöpfungszustand an, beginnt sich in Nebensächlichkeiten einzunisten und wird dadurch sehr spät, in Meyerhoffs Fall in Form einer ständigen Überreiztheit und großer Unlust, auffällig. Als weiterer Aspekt, der dann für die Charakterisierung des Romans „Man kann auch nach oben fallen“ als Verschriftlichung eines Heilungs- oder Genesungsprozesses spricht, erscheint die Schilderung der Mutter quasi als Gegenentwurf zum Sohn. Vital, bodenständig, die Ticks dabei so weit im Griff behaltend, dass sie als charmante Eigenheiten durchgehen können. Ja, Meyerhoffs Roman ist auch eine Liebeserklärung an diese Frau. Und gäbe es nicht den einen oder anderen Haken, könnte „Man kann auch nach oben fallen“ durchaus als Denkmal für die liebende Mutter angesehen werden.

So wie sie mit ihren 86 Jahren dem Sohn mit Tat und Kraft beisteht, der droht, zur schieren Hülle seiner selbst zu werden. Weil aber das Pathos gänzlich fehlt, sollte man, um den hohen Unterhaltungswert von Meyerhoffs Prosa zu würdigen, vielleicht abschließend von seiner eigentlichen Kunst sprechen: das Deklamatorische, Überhöhte, die große Geste herausnehmen – oder, wenn doch auftauchend, dann eben als menschliche Schwäche darstellen, über die man von Herzen lachen kann.


„Earth To Moon“ – Moon Unit Zappa

Moon Unit Zappa, Tochter der Musiklegende Frank Zappa
Moon Unit Zappa, Tochter der Musiklegende Frank Zappa Foto: Randall Slavin

Gleich vorweg: Nach heutigen Maßstäben wäre Frank Zappa, der selbst in besten Zeiten selten mehr als hunderttausend Einheiten pro LP verkaufte, nach maximal zwei Alben von der Musikindustrie abgeschrieben worden. Dass er trotzdem seit Mitte der 1969er-Jahre bis weit über seinen Tod 1993 hinaus zu den wichtigsten US-amerikanischen Musikern zählt, ist beredtes Beispiel für das Faktum, dass Massenverkäufe von Tonträgern (bzw. Clickbaits im Internet) nicht gleichbedeutend mit kultureller Relevanz gesehen werden können. Dass Zappa seinen Status nicht durch bloßes Gepose, sondern mit unglaublichem Fleiß bzw. eiserner Arbeitsdisziplin erreichte und hielt, mag man angesichts der überlieferten Fotos von dem schnauzbärtigen Inbegriff eines kalifornischen Hippies kaum glauben.

Vater-Tochter-Geschichte

Auf manchen Ablichtungen wie auch auf dem Plattencover der Hitsingle „Valley Girl“ (1982) ist er mit seiner ältesten Tochter Moon Unit zu sehen, die zu dem Song auch ein paar Verse beisteuerte. Mit „Earth to Moon“ hat sie vor kurzem ihre Lebenserinnerungen veröffentlicht, wobei der Untertitel „Aus dem Schatten meines Vaters zu mir selbst“ die Marschrichtung vorgibt. Allerdings weniger in dem für Kinder berühmter Eltern gängigen Muster, was dann doch an der Lektüre überrascht. Will heißen, Drogen spielten beispielsweise im Leben der Tochter wohl auch deshalb nur am Rande eine Rolle, weil Zappa den vielen Gästen in seinem Haus im Laurel Canyon alles an Konsum verbot, was über das Rauchen von Zigaretten hinausging. Warum sich Moon Unit an dieses Diktum hielt? Vielleicht, weil sie ihren Vater abgöttisch liebte, er ihrer Zuneigung aber eher mit Desinteresse begegnete.

Die Memoiren „Earth To Moon“
Die Memoiren „Earth To Moon“ Quelle: Heyne Verlag

Moon Unit nennt Zappa „mein hypersexueller Maestro-Vater“. Für ihre Mutter Gail bleibt nur das Attribut „herrisch“ übrig. Dass diese die Familie mit viel Druck nach innen und außen zusammenhalten musste, während der Ehemann auf Endlos-Tourneen um die Welt jettete und kaum eine Möglichkeit zum Seitensprung ausließ, wird zwar von der Tochter gesehen, aber nicht wirklich der Mutter als mildernder Umstand angerechnet. Zappas Krebs-Tod mit nur 52 Jahren beendet das „Pharaonenleben“ mit dem Vater an der Spitze der Familienpyramide. Die so oftmalige „Abwesenheit meines strahlenden Dads“ wird final und stürzt Moon Unit in tiefste Verzweiflung und jahrelange Rechtsstreitigkeiten mit der Familie. Ihre Lebenserinnerungen beweisen allein durch ihre physische Existenz, dass sie diesem Krater aus Depressionen und Selbstvorwürfen entweichen, möglicherweise ihm auch entwachsen konnte.