Freitag7. November 2025

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Österreich ÖVP hält FPÖ für „Sicherheitsrisiko“, koaliert aber eifrig mit ihr

Österreich  / ÖVP hält FPÖ für „Sicherheitsrisiko“, koaliert aber eifrig mit ihr
Österreichs Präsident Alexander van der Bellen (r.) hat mit Mario Kunasek erstmals seit Jörg Haider wieder einen FPÖ-Landeshauptmann angeloben Foto: AFP/Joe Klamar

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Keine Koalition mit der FPÖ, lautet das Credo der ÖVP. Gerade haben Österreichs Christdemokraten in der Steiermark die mittlerweile fünfte Koalition mit den Rechtspopulisten geschlossen. Eine Dissonanz, welche die Partei zunehmend spaltet.

Ungewöhnlich launig hat Bundespräsident Alexander van der Bellen am Donnerstag den neuen steirischen Landeshauptmann angelobt. Der sei „ein bisschen auch mein Landeshauptmann“, scherzte VdB anspielend auf die Tatsache, dass die Sommerresidenz des Staatsoberhauptes im steirischen Mürzsteg steht. Die humorige Atmosphäre bei der Zeremonie in der Hofburg überraschte insofern, als der einstige Grünen-Vorsitzende mit Mario Kunasek den ersten FPÖ-Landeshauptmann seit dem Kärntner Jörg Haider im Amt vereidigte.

ÖVP und FPÖ schnell einig

Keine drei Wochen nach der Wahl hatten sich ÖVP und FPÖ in Graz geeinigt. Es gab nicht viel zu streiten. Das Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst, die Abschaffung des Genderns in der amtlichen Kommunikation sowie eine Zuwanderer ins Visier nehmende Sozialreform waren beiden Parteien ein Anliegen. Auch in der SPÖ hätten es manche gern mit den Rechtspopulisten versucht, aber Wahlsieger Kunasek zog die Christdemokraten vor, die im einstigen schwarzen Kernland nun nur noch Juniorpartner sind.

Es ist nach Nieder- und Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg die fünfte Koalition von ÖVP und FPÖ auf Landesebene. 60 Prozent der Österreicher leben somit unter schwarz-blauen Landesverwaltungen. Und aus beiden Parteien sind nur zufriedene Kommentare über das reibungslose Miteinander zu hören.

Nehammer in Not

Das wird für einen zunehmend zum Problem, der ein Wahlversprechen abgegeben und sich hinterher daran gehalten hat: ÖVP-Chef Karl Nehammer hatte seinen FPÖ-Herausforderer Herbert Kickl im Nationalratswahlkampf zum „absoluten Sicherheitsrisiko“ erklärt und eine Koalition mit ihm kategorisch ausgeschlossen. Wie zwei Monate später in der Steiermark hat die FPÖ jedoch Ende September das Duell mit der ÖVP auf Bundesebene klar für sich entschieden. Anstatt den keinen Partner in Aussicht habenden Kickl beauftragte der Bundespräsident aber Nehammer mit der Regierungsbildung. Der Rechtspopulist inszeniert sich seither im Schmollwinkel durchaus erfolgreich als Ausgrenzungsopfer, während sich der konservative Wahlverlierer in Verhandlungen um eine ungeliebte Dreierkoalition mit einer unter Andreas Babler weit nach links abgedrifteten SPÖ und der auf radikale Reformen drängenden Neos-Partei abmüht. Zweieinhalb Monate nach der Parlamentswahl konnten die drei Parteien diese Woche nur das konkret sagen: Heuer wird sicher kein weißer Rauch mehr aufsteigen.

Nichts zu verteilen

Man ist sich noch nicht einmal einig, wie groß das Haushaltsdefizit genau ist. Das Budgetloch ist jedenfalls riesig, weil seit Kanzler Sebastian Kurz, der erst mit der FPÖ, nach dem Ibiza-Skandal, dann mit den Grünen einen Pakt geschlossen hatte, die Parole „Koste es, was es wolle“ ausgegeben und alle Probleme mit Geld zugeschüttet wurde. Da dieses auch in Österreich nicht auf den Bäumen wächst, werden die künftig Regierenden angesichts des Schuldenbergs nur noch saure Drops zu verteilen haben, womit schon die von Journalisten erfundene Bezeichnung dieses bislang sehr lahmen Dreiers als „Zuckerl-Koalition“ ein Hauch von Farce umweht. Süßes wird den Österreichern in den nächsten Jahren keine Regierung bieten können. Aber weil Politiker grundsätzlich nicht so gut darin sind, den Menschen reinen Wein einzuschenken, ist viel Sand im Verhandlungsgetriebe.

Mit FPÖ schnell einig

Dabei könnte es die ÖVP viel einfacher haben. Mit den Rechtspopulisten stünde eine Zweier-Koalition längst. Kickl hatte im Wahlkampf das ÖVP-Wirtschaftsprogramm abgeschrieben, die ÖVP von den Rechtspopulisten bei der Migrationspolitik abgekupfert. Da hätte es nicht mehr viel Verhandlungsbedarf gegeben. Wäre da nicht das Problem Kickl, der keinerlei Anstalten macht, Nehammer generös das Kanzleramt zu überlassen und sich wie im Jahr 2000 Jörg Haider von einem Regierungsamt fernzuhalten. Dass mit Kickl ungeachtet großer inhaltlicher Schnittmenge kein Staat zu machen ist, leuchtet durchaus ein. Nach dem FPÖ-Triumph im September meldeten befreundete Geheimdienste in Wien schon diskret ihre Bedenken an – verbunden mit der Warnung, dass die Kooperation mit Österreich unter einem Kanzler Kickl so wie im Jahr 2018, als selbiger Innenminister war, auf das Notwendigste reduziert werden könnte. Als Rechtsextremistenfreund, der die Identitären für eine harmlose „NGO von rechts“ hält, und dessen Partei sich mit dem Putin-Wahlverein „Geeintes Russland“ freundschaftsvertraglich zusammengetan hatte, ist die Einstufung der FPÖ als Sicherheitsrisiko durch die ÖVP wohl nicht übertrieben.

Gute und böse FPÖ

Allerdings erschließt sich auch in der ÖVP nicht allen die Logik der Unterscheidung zwischen der bösen Kickl-FPÖ und der in fünf von neun Bundesländern als treuer Koalitionspartner gelobten guten FPÖ. Es gibt nämlich nur eine FPÖ. Einige der blauen ÖVP-Partner auf Landesebene sind, wie die Salzburger Vize-Landeshauptfrau Marlene Svazek oder ihr niederösterreichischer Amtskollege Udo Landbauer, engste Vertraute von Herbert Kickl. Die Differenzierung zwischen einer die nationale Sicherheit gefährdenden Kickl-FPÖ und einer anderen, angeblich völlig harmlosen FPÖ ist nur mit einer Art politischer Schizophrenie erklärbar. Die Bereitschaft dazu nimmt in der ÖVP jedoch ab, je länger die quälenden Verhandlungen mit SPÖ und Neos dauern.

Traum vom Erlöser

In geschlossenen ÖVP-Facebookgruppen bläst Nehammer ein zunehmend eisiger Wind ins Gesicht: „Beenden Sie dieses Trauerspiel endlich“, fordert eine Parteifreundin das Ende der laufenden Koalitionsverhandlungen. Es gibt viele Likes für derartige Postings und nur wenige Nehammer verteidigende Kommentare. Viele, viele Likes erhalten auch die vielen Postings, die Sebastian Kurz’ Wirken als Unternehmer dokumentieren. Der Ex-Kanzler, der der ÖVP ein kurzes Hoch beschert hatte, ehe ihn die nach dem Ibiza-Skandal der FPÖ auch in seinem Dunstkreis aufgeflogenen Affären einholten, weckt noch immer messianische Sehnsüchte. Viele ÖVPler erträumen die Wiederauferstehung Kurz’ von den politisch Toten. Und der stachelt diese tatsächlich wenig realistischen Hoffnungen mit einer Anhäufung von Interviews zum politischen Tagesgeschehen an. Nichtsdestotrotz beteuert er, ein Comeback auszuschließen …

Luxmann
21. Dezember 2024 - 9.47

In der politik gibt es genau so wenig gut und boese als in der wirtschaft...
Nur naive waehler werden mit diesen begriffen veraeppelt...was zaehlt ist gewinn und verlust.
Sieht man momentan nicht US diplomaten die machtergreifung von ex al kaida mitgliedern in Syrien begruessen und bald kommt es auch zum gipfel Trump-Putin...und das ist auch gut so.
Und der kurze wird auch in Austria bald ein comeback geben bei seinem noch jungen alter.