Donnerstag6. November 2025

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InteressenvereinEin Viertel im Widerstand: „So verschwindet das Gesicht von Hollerich“

Interessenverein / Ein Viertel im Widerstand: „So verschwindet das Gesicht von Hollerich“
Das Projekt „Nei Hollerich“ ruft alles andere als Einstimmigkeit hervor Foto: Carole Theisen

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Widerstand gegen das Bauprojekt „Nei Hollerich“: Anwohner kämpfen mit Frustration und Petitionen gegen verlorene Parkplätze, Abrisspläne und mangelnde Bürgerbeteiligung. Eine Kluft zwischen Vision und Realität.

„Wir haben uns immer gewehrt, ohne Resultat“, sagte Dr. Marianne Wahl, Präsidentin des „Interesseveräin Hollerech SIL-Ho“, mit sichtbarer Enttäuschung auf der Generalversammlung am Mittwochabend. Die Stimmung im Saal war geladen, als die Bilanz des Jahres 2024 gezogen wurde. Doch es ging um mehr als nur Rückblicke: Im Mittelpunkt stand das kontroverse Bauprojekt „Nei Hollerich“ – ein Projekt, das sowohl Visionen einer modernen Stadt als auch die Frustration ihrer Anwohner verkörpert.

„Fir e gréngt Hollerech“ – dieser Slogan prangt prominent auf der Facebook-Seite des Vereins. Doch die Wirklichkeit sieht für viele Bewohner anders aus. Die Mitglieder des Interessenvereins brachten ihre Sorgen über die geplanten Änderungen, darunter die geplante Tramtrasse, zum Ausdruck. Bereits 2021 hatte der Verein eine Petition gegen die vorgesehene Linie gestartet. „Die Tramtrasse führt durch bestehende Häuser und Grundstücke und die Betroffenen wurden nicht einmal informiert“, erklärte Dr. Wahl. „Es ist erschreckend, dass wir heute noch über Themen diskutieren, die längst geklärt sein sollten.“

Auch das Thema Bouillon-Parkhaus kam zur Sprache. Die Präsidentin kritisierte die Tatsache, dass es abgerissen und zwei Kilometer weiter weg verlagert werden soll. „Das ist Verschleuderung von öffentlichem Vermögen“, meinte sie.

Einer der hitzigsten Diskussionspunkte bleibt der Verlust von Parkplätzen. „44 Plätze hier, 50 dort – das geht nicht“, beanstandete Ratsmitglied Jean-Marie Jacoby. Und Josiane Petitdidier-Mamer, eine weitere engagierte Stimme des Vereins, fragte: „Die Parkplätze sollen verschwinden, aber wo sollen wir dann unsere Autos abstellen? Wir können doch nicht mit dem Tretroller einkaufen gehen.“

Auch die geplante Überdachung des Schlachthofs stößt auf Kritik. „Die hohe Überdachung, die geplant ist, wird die Sonne und die Hitze stauen. Im Sommer wird es stickig, im Winter kalt. Wir verstehen nicht, warum so etwas notwendig ist“, erklärte Jacoby.

Das Projekt „Nei Hollerich“: Die Vision

Das ambitionierte Bauprojekt sieht nicht nur Wohnungen für 4.500 Menschen und Arbeitsplätze für 5.000 Personen vor. Geplant sind auch eine neue Tramlinie, ein moderner Boulevard und der zentrale Park.

Yuriko Backes, Ministerin für Mobilität und Öffentliche Arbeiten, hob die große Bedeutung des Projekts in einem Schreiben des 13. Dezember hervor: „Dieses neue Viertel wird dank eines starken Engagements des Staates von einer außergewöhnlichen und multimodalen Anbindung profitieren […] und allen seinen zukünftigen Bewohnern ein ruhiges und funktionales Lebensumfeld bieten.“

Auch Lydie Polfer, Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg, betonte darin die Stärkung der Urbanität: „Die Schaffung eines neuen Stadtviertels rund um die historischen industriellen Zeugen der Vergangenheit ist eine längst überfällige Initiative zur städtebaulichen Aufwertung. Das Projekt ‚Nei Hollerich‘ sieht die Schaffung von aktiven Erdgeschossflächen, Geschäften, Büros, Restaurants, Dienstleistungen und Wohnungen vor. Das Viertel wird auch über qualitativ hochwertige Freiflächen verfügen, darunter den bemerkenswerten Park ,Heintz van Landewyck‘, den zukünftigen öffentlichen Park der Stadt.“

Widerstand mit Geschichte

Der Kampf gegen große Bauvorhaben ist für den Interessenverein kein Neuland. Bereits 2004 wehrte er sich gegen das Projekt „Porte de Hollerich“. Auch zum geplanten Abriss eines antiken Hauses an der route d’Esch im Jahr 2022 regte sich Protest. Insgesamt wurden in den vergangenen fast 20 Jahren fünf Petitionen gegen Projekte im Viertel eingereicht. Mit „Nei Hollerich“ scheint nun in den Augen vieler Bewohner ein Stück Identität des Viertels verloren zu gehen.

Trotz Applaus und regen Diskussionen bei der Generalversammlung bleibt das Gefühl, dass die entscheidenden Gespräche nicht auf Augenhöhe stattfinden. „Der Schöffenrat erklärt uns, dass das alles schon schön werden wird. Davon sehen wir aber nichts“, brachte es Jacoby auf den Punkt.