Der Menschenrechtsrat stellte im März seinen Bericht zum Menschenhandel in Luxemburg vor. In den Jahren 2021 und 2022 wurden im Land 127 Fälle gezählt, eine deutliche Erhöhung zu den lediglich 23 festgestellten Fällen im Zeitraum 2019 bis 2020. Die Chamber hat darauf unterschiedliche Antworten. „Menschenhandel ist auch in unserem Land ein reales Problem“, sagt Carole Hartmann (DP). Der starke Anstieg habe auch mit einer gesunkenen Dunkelziffer zu tun. „Das heißt, dass Polizei und Justiz gute Arbeit geleistet haben.“ Marc Baum („déi Lénk“) stellt infrage, was bisher für den Menschenrechtsschutz getan wurde. Die Situation sei ein Produkt der sozialen Verhältnisse. „Wir schaffen eine Klasse von Ausgeschlossenen“, sagt Baum und bezieht sich damit unter anderem auf die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt.
Zwei Drittel der Opfer sind Frauen und Mädchen. Ihre Ausbeutung geschieht in der Prostitution, aber auch auf dem informellen Arbeitsmarkt, beispielsweise im Pflegebereich. Männer werden hingegen vorwiegend im Bau- oder dem Gastronomiesektor ausgebeutet. Das Grundmodell von Zwangsarbeit ist immer gleich: Menschen in vulnerablen Lagen werden in ihrer Not von den Tätern abhängig gemacht, unter Druck gesetzt und kontrolliert. Aus Angst vor den Behörden, vor Gewalt und vor noch größerem Elend spielen die Opfer mit. Sie werden gezwungen, Geld zu verdienen und es an die Täter weiterzugeben. Die Opfer landen in der Prostitution, der Schwarzarbeit oder der Kriminalität. Auch die unfreiwillige Organspende gehört zu den perfiden Auswüchsen des Menschenhandels.
Durch das Bettelverbot der Regierung Frieden spielt das Thema Zwangsbettelei hierzulande eine hervorgehobene Rolle. Grundsätzlich treffen die Strafen zunächst die Opfer. Die Profiteure der Zwangsbettelei bleiben im Hintergrund.
Zuständigkeit liegt bei der Justiz
Grundsätzlich profitieren Menschenhändler von zu starren Verfahrensweisen, ungeklärten Zuständigkeiten, langen Bearbeitungszeiten und mangelnder Kommunikation zwischen Behörden und anderen Stellen. Der Bericht der Menschenrechtskommission schlägt vor, sich an Belgien zu orientieren. Nach einem Zwangsarbeit-Skandal, der einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss nach sich zog, setzten die Belgier im Sommer 2023 einen solchen Koordinator ein. Sozialdemokraten, Grüne und Linke greifen am Dienstag auch diesen Vorschlag auf. Die Regierung lehnt ihn ab, die Zuständigkeit sei bei der Justiz am besten angesiedelt.
Um gegen Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt besser vorgehen zu können, fordert Dan Biancalana mehr Kompetenzen für die „Inspection du travail et des mines“ (ITM). Die Behörde soll bei Verstößen direkt strafrechtliche Folgen veranlassen können. Die bisherigen Strafen auf Zwangsarbeit seien viel zu gering. Auch Marc Baum bezeichnet die Geldstrafen als lächerlich. Djuna Bernard („déi gréng“) kritisiert fehlende Prozeduren, um beispielsweise bei der Kontrolle von Baustellen Zwangsarbeit detektieren zu können.
Minderjährige Geflüchtete besonders gefährdet
In Luxemburg zählen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu den besonders bedrohten Gruppen. Die teilweise schwer traumatisierten Kinder und Jugendliche sind auch nach ihrer Ankunft in Luxemburg noch lange nicht sicher vor den Tätern, die sie zu Straftaten oder Schwarzarbeit zwingen. Lange Wartezeiten auf behördliche Entscheidungen lassen sie im Unklaren, was ihren psychischen Leidensdruck weiter erhöht. Ein unklarer Schutzstatus bedeutet zudem, dass sich ihre Angst vor staatlichen Autoritäten verstärkt.
So wie ihnen geht es vielen Opfern. Die Angst vor Bestrafung aufgrund aufenthalts- oder arbeitsrechtlicher Verstöße hindert sie daran, sich Hilfe zu holen. Für die minderjährigen Geflüchteten fordert Djuna Bernard am Dienstag ein spezielles Schutzstatut. Sie müssen, so Bernard, einen sicheren Anspruch auf Hilfe bekommen, der unabhängig ist von ihrem Flüchtlingsstatus. Damit greift die Abgeordnete eine Forderung auf, die bereits vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), dem Luxemburger Flüchtlingsrat und dem Ombudsmann für Kinder- und Jugendliche (OKaJU) erhoben wurde.
De Maart
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