„Den Kopf dort hinhalten, wo andere den Fuß wegziehen“
Die Derby-Bilanz des Belgiers ist beachtlich: An der Seitenlinie der Fola gewann Sébastien Grandjean drei seiner sechs Duelle gegen die Jeunesse, zudem gab es drei Remis. Aufseiten der Jeunesse feierte er damals drei Siege gegen die „Doyenne“. Die Beziehungen zu beiden Seiten sind nach wie vor intakt – dennoch wird er die anstehende Stadtmeisterschaft verpassen: Der U21-Coach des Standard gastiert am Samstag in Mons.

Der 54-Jährige sieht die Schwarz-Weißen trotz, oder gerade wegen des Desasters in Strassen (0:5), jetzt im Vorteil: „Die Jeunesse ist am besten gewappnet: Sie spielen zu Hause, zudem ist die Mannschaft um einiges erfahrener. Nach dem vergangenen Wochenende werden sie ein anderes Gesicht zeigen wollen und die Tabelle gibt ihnen auch mehr Grund zur Ruhe als dem Gegner.“
Eine Überraschung schließt er allerdings nicht aus. „Die Fola hat vor einer Woche ein überlebenswichtiges Spiel gewonnen und Selbstvertrauen gesammelt. In den vergangenen Jahren hatte der Verein meist Erfolg im Derby. Diese Jungs sind nicht Favorit und haben nichts zu verlieren. Manchmal sind Wille und physische Bereitschaft wichtiger als das Alter.“ Einen möglichen Schlüsselspieler wollte er nicht nennen, stattdessen sprach Grandjean vom Prototypen eines Spielers, der Derbys entscheiden kann: „Es braucht Aggressivität und die Bereitschaft, jede Chance zu hundert Prozent ausspielen zu wollen – sprich den Kopf hinzuhalten, wo andere schon den Fuß wegziehen. Das kann ein Torwart, ein Stürmer oder ein Innenverteidiger sein, wie man es bei Seid Korac gegen Nordirland gesehen hat.“
„Wünsche der Jeunesse das Beste und der Fola nichts Schlechtes“
Der Escher Bürgermeister Christian Weis leugnet nicht, dass es für ihn seit Kindesbeinen nur einen Verein in der Minettemetropole gibt. „Es ist kein Geheimnis. Wer mich kennt, der weiß, dass ich schon immer ein Schwarz-Weißer war.“ Obschon er zuletzt eher wenig Zeit für die schönste Nebensache der Welt aufbringen konnte, wird man Weis am Samstag auf der „Grenz“ über den Weg laufen. „Den Eschern bedeutet ihr Derby viel. Es stellt für viele nach wie vor einen besonderen Tag dar, den man nicht verpassen will.“ Und diese Vorfreude war im Laufe der Woche bereits auf allen Ebenen zu spüren: „Man merkt, dass dieses Spiel bevorsteht. In Esch wird über Fußball und Derby geredet. Selbst hier im Büro bekommt man diese Stimmung mit – und es wurden so einige Kommentare gemacht. Nichts Ernstes, aber dennoch gehört es dazu.“

Dass die Escher Bevölkerung dieses Fußballspiel allerdings weniger berühre als noch vor Jahren, stritt Christian Weis nicht ab. „Die Zuschauerzahlen sinken, dennoch begegnet man bei einem Derby viele Bekannte. Selbst diejenigen, die man nur selten sieht.“ Für den Bürgermeister stellt der Fußball nämlich nach wie vor einen wichtigen Aspekt des Bildes der zweitgrößten Stadt des Landes dar: „Esch ist wichtig – aufgrund seiner erfolgreichen Vergangenheit, mit u.a. drei Vereinen, die gemeinsam in der höchsten Liga spielten. Wir haben den Rekordmeister und den ‚Doyen’ des Landes.“ Doch wann diese glorreichen Zeiten zurückkommen, steht in den Sternen.
Zumindest ein Titel könnte in den nächsten Wochen dazukommen: Esch will europäische Sportstadt 2025 werden – die Entscheidung fällt Mitte Dezember. „Meistertitel gab es in anderen Bereichen, doch die Identität der Stadt ist vom Fußball geprägt. Das soll ein Ansporn sein, um die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen. Selbstverständlich kann man sich Titel wünschen, doch das Hauptziel einer europäischen Sporthauptstadt ist das nicht. Da geht es darum, den Sport zu bewerben, populär zu machen und den Menschen Lust auf Freizeitsport zu vermitteln. Integration durch Sport ist wichtiger als ein Meistertitel – obschon das auch unvergessliche Momente sind.“
Vor der Bekanntgabe ist aber erst einmal Derbyfieber bei den Eschern angesagt. „Der Jeunesse wünsche ich das Beste und der Fola nichts Schlechtes“, zeigte sich der Bürgermeister diplomatisch. „Wenn die Fola gewinnen würde, wäre das kein Weltuntergang. Aber ich tippe auf ein 2:0 für die Jeunesse.“
„Bei der Fola wird man das nicht hören wollen …“

Wenn es einen Ort gibt, an dem es sich am besten über Fußball, Tabellen und rosige Vergangenheit debattieren lässt, dann ist es beim gemütlichen „Patt“. In der Alzettestraße hat Salva Pica in seiner Vinothek schon so einige dieser Gespräche über das runde Leder mitbekommen. Thema Nummer eins war das Derby im „Drupi’s“ in den vergangenen Tagen aber nicht. „Es wurde nicht allzu viel darüber gesprochen. Die Kunden sind nicht unbedingt alle fußballorientiert gewesen“, berichtete Pica. „Ich muss auch zugeben, dass ich mich nicht als großen Fan des Luxemburger Fußballs outen kann.“ Was am Samstag auf dem Spiel steht, weiß der Gastronom allerdings genau – und auch, wem er derzeit die besten Chancen auf einen Derbysieg zuschreiben würde: „Ich weiß, dass meine Freunde von der Fola das nicht gerne hören werden, aber spielerisch ist die Jeunesse momentan besser drauf.“ Das klingt definitiv nach einer Aussage, über die bei einem Gläschen Wein noch diskutiert werden könnte …
„Man erkannte sie immer an ihren Jogginganzügen“

Denilson Ramos hat in früheren Jahren zwar wohl das eine oder andere Mal gegen den Fußball getreten, wirklich übergesprungen ist der Funke aber erst auf dem Parkett. Der Spieler des Basket Esch verfolgt das Geschehen in der BGL Ligue seit geraumer Zeit also eher passiv. „Ich weiß allerdings, dass einige unserer Fans sich für beides begeistern“, erzählte er. Dass die „Mighty Minetter“ schwarz-weiß angehaucht sind, ist ein offenes Geheimnis.
Ramos verbindet dennoch einiges mit dem Derby auf der „Grenz“. Zum einen wären da die familiären Beziehungen. „Früher haben einige für die Jeunesse gespielt. Heute steht mein Cousin im Kader der Fola.“ Evann Mendes stand beim wichtigen 1:0 gegen Monnerich am Sonntag 30 Minuten auf dem Platz.
Auf die Frage, wie er das Derby in seiner Schulzeit erlebt hatte, erinnerte sich Ramos vor allem an die Außendarstellung der Jugendspieler beider Vereine: „Man erkannte sie immer an ihren Jogginganzügen“, meinte der Basketballspieler mit einem Lachen. „Ich bin damit aufgewachsen, dass sich beide Lager aufzogen. Einer meiner Onkel spielte damals bei der Jeunesse – und über die Fola wurde nicht immer sehr schön geredet.“ Diese Zeiten gehören der Vergangenheit an. Da es ihm der eigene Terminkalender erlaubt, könnte sich Denilson Ramos durchaus vorstellen, wieder einen Fuß ins Stadion zu setzen. „Darüber zu sprechen und davon zu hören, hat definitiv Lust auf das Spiel gemacht.“
De Maart

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