Mittwoch5. November 2025

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Erstmalige Erfassung39 von 462 Obdachlosen leben in Esch: ältere Männer in der Überzahl  

Erstmalige Erfassung / 39 von 462 Obdachlosen leben in Esch: ältere Männer in der Überzahl  
Ein Zeltlager am Zusammenfluss von Alzette und Dipbech Foto: Editpress/Philip Michel

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Laut offiziellen Zahlen lebten Ende Dezember 2023 insgesamt 39 Obdachlose in Esch. Hauptsächlich Männer sind betroffen. Im Durchschnitt sind sie 49 Jahre alt.   

Erstmals wurde im Dezember 2023 bei der von der Vereinigung Inter-Actions und dem Familienministerium durchgeführten Erfassung der Obdachlosen Esch mit einbezogen. Resultat: 39 von insgesamt 462 Obdachlosen leben in Esch. Stellt man in der Hauptstadt und bei der „Wanteraktioun“ eine Verjüngung der Betroffenen fest, so ist der Altersdurchschnitt in Esch mit 49 Jahren vergleichsweise hoch. Hier dominieren die Alterskategorien von 41 bis 50 und von 61 bis 70 Jahren.     

Die Obdachlosigkeit in Luxemburg und speziell in Esch ist in diesem Semester Thema des Uni-Lehrstuhls für die Stadterneuerung Eschs und stand so im Mittelpunkt der „Esch Clinics“. Die Veranstaltung bringt regelmäßig Experten und Studenten in der Außenstelle des Lehrstuhls in der Brillstraße zusammen. Gast war dabei unter anderem Kurator Andres Lepik vom Architekturmuseum der TU München, dessen Ausstellung „Who’s Next“ am Mittwoch im „Neimënster“ (bis Februar 2025) eröffnet wurde. Dabei geht es in erster Linie darum, welche Lösungen die Architektur für das Problem der Obdachlosigkeit bieten kann.

Obdachlose sollten nicht als Problem angesehen werden, sondern als Konsequenz

Emmanuel Cornelius, Sozialkoordinator der Stadt Esch

Geladen war auch Emmanuel Cornelius, Sozialkoordinator der Stadt Esch. „Obdachlose sollten nicht als Problem angesehen werden, sondern als Konsequenz“, sagt er in Anspielung auf die letzten 40 Jahre, in der keine richtige Wohnpolitik im Land betrieben worden sei. „Wenn Prävention nicht funktioniert oder kritische Lebensereignisse eintreten, dann kann es sehr schnell gehen, vor allem in Luxemburg“, weiß Cornelius.  

Aufmerksame Zuhörer: Architekturstudenten der Universität Luxemburg
Aufmerksame Zuhörer: Architekturstudenten der Universität Luxemburg Foto: Editpress/Julien Garroy

In Esch findet man die Obdachlosen vor allem in „Al Esch“ und am „Schlassgoart“, ebenso am Brill oder in Belval, wenn auch in kleinerer Anzahl. Wo genau sie übernachten, ist nicht immer klar. Noch Anfang dieser Woche wurde ein Squat mit zwei Personen von der Polizei aufgelöst, wie das Tageblatt erfuhr. Eine Zeit lang standen Zelte am Zusammenfluss von Alzette und Dipbech, die Arkaden beim Eingang der Straße zum Bâtiment4 im Schlassgoart sind eine beliebte Übernachtungsstelle, genau wie der Clair-Chêne-Wald.

82 Prozent Männer

Die Sozialarbeiter der Gemeinde kennen die Obdachlosen. 29 lebten zum Zeitpunkt der Erhebung im Dezember 2023 exklusiv auf der Straße, acht in Notunterkünften und zwei in der medizinischen Aufnahmeeinrichtung Escale. 33 Prozent der Obdachlosen in Esch sind Luxemburger, 83 Prozent EU-Bürger. Die Männer sind mit einem Anteil von 82 Prozent deutlich in der Überzahl. Weit über die Hälfte (63 Prozent) gabt an, seit mehr als einem Jahr auf der Straße zu leben. Fast die Hälfte hat eigenen Angaben zufolge keinerlei Einkommen, gut 30 Prozent betteln, während 19 Prozent staatliche Hilfen in Anspruch nehmen und fast fünf Prozent von Angehörigen oder Freunden Hilfe erhalten.

In Esch gibt es seit 2004 mit dem Abrisud eine provisorische Übernachtungsstelle für Obdachlose, zunächst in der ehemaligen Polizeiwache in der Kanalstraße, dann in den roten Containern am Schlassgoart. Hier wurde die Kapazität unlängst von 18 auf 21 Betten erhöht. Nach jahrelangem Stillstand im Dossier beschloss der Gemeinderat Anfang Oktober endlich die Schaffung eines neuen Abrisud mit 31 Betten in einem leerstehenden Mehrfamilienhaus in der rue de la Fontaine. 

Interessant wird es, wenn die Zahlen der zweiten Obdachlosen-Erhebung für Esch von diesem Sommer bekannt werden und der neue Sozialalmanach der Stadt im Frühjahr erscheint. Dann wird man zumindest eine kleine Tendenz erkennen können. „Wir sind nun mal in der Situation, in der wir sind. In einer Wohnkrise“, sagt Emmanuel Cornelius. „Wenn wir den Obdachlosen helfen wollen, dann müssen wir zuerst das große Problem lösen. Ähnliches gilt für die Drogenproblematik, auch hier gibt es keine richtige übergeordnete Vision der Politik.“ Und wenn diese beiden Problematiken zusammenkämen, dann hätte die Sozialarbeit keine große Chance, so Cornelius abschließend. 

Esch Clinics: Thema der Diskussionsrunde des Uni-Lehrstuhls zur Stadterneuerung Eschs waren am Montag die Obdachlosen
Esch Clinics: Thema der Diskussionsrunde des Uni-Lehrstuhls zur Stadterneuerung Eschs waren am Montag die Obdachlosen Foto: Editpress/Julien Garroy
Diogenes
28. November 2024 - 12.31

Diese Untersuchung ist nicht vollstänig, da nur Personen auf der Strasse und in Notunterkünften erfasst wurden. Gerade im Minett leben viele Obdachlose in Squats.