Mittwoch10. Dezember 2025

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PolenEine Affäre belastet die liberale Regierung von Donald Tusk

Polen / Eine Affäre belastet die liberale Regierung von Donald Tusk
Polens Regierungschef Donald Tusk dürfte nicht allzu sehr von der Affäre um schnell erworbene Uni-Diplome belastet werden Foto: Ludovic Marin/AFP

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Eine Affäre um schnell erworbene Universitätsdiplome erreicht nun auch indirekt die Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk.

Wie kann man Bürgermeister der viertgrößten Stadt Polens und gleichzeitig Student sein? Der Bürgermeister von Wroclaw, Jacek Sutryk, machte es 2020 vor: Tagsüber arbeitete der Freund von Donald Tusk im mittelalterlichen Rathaus der niederschlesischen 640.000-Einwohner-Stadt, nachts und an manchen Wochenenden studierte er an der Universität „Collegium Humanum“ in der Hauptstadt Warschau. Nach wenigen Monaten hatte der linksliberale Sutryk das Magister-Diplom in Management und Verwaltung (MBA) in der Tasche.

Doch Sutryks Schnell-Fernstudium endete in einem Albtraum. 17 Stunden lang musste der gefeierte Bürgermeister in der Nacht zum Freitag bei der Staatsanwaltschaft von Katowice Rede und Antwort stehen. Schließlich kam Sutryk gegen Zahlung einer hohen Kaution von umgerechnet 46.000 Euro frei. Die aus Gründen der Korruptionsprävention nicht in Wroclaw beheimateten Justizbeamten werfen dem Tusk-Freund vor, sein Uni-Diplom mit Bestechungsgeldern gekauft zu haben – und aufgrund seines erschwindelten MBA-Abschlusses unrechtmäßig mindestens 55.000 Euro verdient zu haben. „Es ist nichts passiert, ich arbeite heute wie jeden Tag im Rathaus“, kommentierte Sutryk am Freitag im Privatfernsehen TVN24. Zu seiner Zeit habe das „Collegium Humanum“ noch den guten Ruf einer aufstrebenden Privatuni gehabt, erklärte der Bürgermeister, gegen den inzwischen Rücktrittsforderungen laut geworden sind.

Der nominal unabhängige, jedoch von Donald Tusks Bürgerplattform (PO) unterstützte Sutryk hatte sein wichtiges Amt erst im April erfolgreich gegen eine grün-liberale Kandidatin aus der Regierungskoalition verteidigt. Schon damals war von Korruptionsvorwürfen die Rede, doch der junge Bürgermeister setzte sich in der zweiten Wahlrunde problemlos durch, nachdem sich Donald Tusk persönlich für seine Wiederwahl eingesetzt hatte.

Nun aber droht Sutryk Tusk ein Eigentor zu schießen. Nach ein paar wenigen unwichtigen Beamten ist der Bürgermeister von Wroclaw nämlich der erste große Fisch, der im Netz des Anti-Korruptions-Büros CBA hängen bleibt. Dies ist ein schlechtes Omen für Tusks Mitte-links-Koalition, die in der polnischen Öffentlichkeit vor Ende des ersten Regierungsjahres Mitte Dezember mit gebrochenen Wahlversprechen wie etwa der Lockerung des restriktiven Abtreibungsverbots kämpft.

Bisher PiS-Leute durch die Affäre belastet

Bisher wurden von den gekauften Uni-Diplomen nur Vertreter aus dem Dunstkreis der Vorgängerregierung unter der rechtspopulistischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) belastet. So wurden mehrere PiS-Europaparlamentarier wie etwa der einflussreiche Ryszard Czarnecki in den vergangenen Monaten verhört. Doch auch Verwandte des Staatspräsidenten Andrzej Duda oder des gefeierten PiS-Managers Daniel Obajtek, CEO des staatlichen Mineralölkonzerns Orlen, bedienten sich des augenscheinlich von der PiS-Regierung gedeckten Schnell-Magister-„Studiums“ in der Warschauer Privatuniversität „Collegium Humanum“. Denn nur so konnte PiS das Beamtenreglement, das Kompetenz vor Parteizugehörigkeit stellt, umgehen. Kaczynskis loyale Parteisoldaten wurden so meist innerhalb dreier Monate gegen ein entsprechendes Entgelt akademisch zum ausgebildeten CEO in den Staatsfirmen gemacht.

Das von dem bereits im Februar verhafteten Neffen des EU-Abgeordneten Ryszard Czarnecki (PiS) geleitete „Collegium Humanum“ ist dabei nur die Spitze des polnischen Bildungs-Eisbergs: Neben128 staatlichen gibt es in Polen nämlich seit der Wende von 1989 fast dreimal so viel private Universitäten. Und dort geht vieles im Fern- oder Wochenendstudiengang viel schneller und einfacher, wenn auch nicht billiger.