Drei Jahre lang war ein luxemburgisches Grafikbüro* für die visuelle Identität des Musikfestivals „Francofolies“ zuständig, dann war unerwartet Schluss: Ohne Vorankündigung wurde der Auftrag 2023 vom Escher Kulturverein „frEsch“ der Gemeinde neu ausgeschrieben. Der Appell erreichte zahlreiche Agenturen, darunter viele aus dem Ausland. Die Kontaktpersonen bei „frEsch“, mit denen die Angestellten des Grafikbüros bis dahin kommunizierten, rangen um Erklärungen für das Prozedere, die sie den Grafiker*innen bis heute schuldig bleiben.
Jene bewarben sich trotz vieler Fragezeichen, genauso wie andere Agenturen aus Luxemburg. Das Rennen machte die Kommunikationsagentur „Nouvelle Cuisine“ mit Standorten in Metz und Straßburg. „Es ist bedauerlich, dass die Gelder von ‚frEsch‘ für die Zusammenarbeit mit einer französischen Agentur genutzt werden“, so die Leitung des abgewählten Grafikbüros dem Tageblatt gegenüber. Luxemburgische Agenturen hätten in der Regel keine Chance bei Ausschreibungen in Frankreich, denn dort priorisiere man die Kooperation mit nationalen Akteur*innen.
Es ist bedauerlich, dass die Gelder von ‚frEsch‘ für die Zusammenarbeit mit einer französischen Agentur genutzt werden
2023 legte die Escher Gemeinde insgesamt 1,6 Millionen Euro für die „Francofolies“ auf den Tisch. Wie hoch die Bezahlung von „Nouvelle Cuisine“ ausfällt, bleibt ungewiss. Loïc Clairet, ehemaliger Koordinator der „Francofolies“ sowie der „Nuit de la culture“ und inzwischen Direktor von „frEsch“, verweigert die Auskunft, „da wir unseren Dienstleistern gegenüber zur Vertraulichkeit bezüglich deren eigener Arbeit verpflichtet sind“. Das Grafikbüro aus Luxemburg geht aus Erfahrung von einem fünfstelligen Betrag aus.
Clairets Netzwerk
Doch es geht nicht nur ums Geld: Pierre Pauly, u.a. seit 2019 künstlerischer Leiter der „Francofolies“ in Esch, werden zudem enge Kontakte zum Personal von „Nouvelle Cuisine“ nachgesagt. Ein Gerücht, das Loïc Clairet nicht dementiert. Den Vorwurf eines Interessenkonflikts wehrt er allerdings ab: „Pierre Pauly ist ein externer Dienstleister, der ,frEsch‘ bei der Programmgestaltung des Festivals begleitet. Folglich besteht in dieser Hinsicht keinerlei Interessenkonflikt.“
Vetternwirtschaft hat jedenfalls System bei „frEsch“. So liegt dem Tageblatt u.a. ein Zahlungsnachweis in Höhe von rund 6.400 Euro an den Verein „Écoute le paysage“ aus dem Jahr 2022 vor: Ein Verein, für den Emmanuel Vinchon, ehemaliger Leiter der „Nuit de la culture“ in Esch, arbeitete; Loïc Clairet war eigenen Angaben nach bis 2019 Vorstandsmitglied und trat bei seiner Ankunft in Esch zurück. Die Spuren zu dem Verein, der sich Ende 2022 auflöste, bleiben dennoch bestehen.
„Emmanuel Vinchon und nur er begleitete die Stadt Esch-sur-Alzette (2015/2016) in Folge einer Ausschreibung bei ihrer Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas, sowie anschließend in diversen kulturpolitischen Fragen und Projekten der Stadt“, verteidigt Clairet die Verbindung. „Auf Bitte der Stadt beriet er sie später zu mehreren anderen Punkten. Er begleitete und übertrug das Projekt der Kulturnacht 2020. Was meine Person betrifft, so habe ich mich den in meinem Vertrag genannten Aufgaben gewidmet.“
Dies wiederum in Zusammenarbeit mit Personal, das teilweise aus seinen früheren Projektpartner*innen und Studierenden besteht. Clairet gibt – entgegen anderer Quellen – an, dass unter den derzeit 17 Mitarbeitenden von „frEsch“ eine Person mit seinen vergangenen Tätigkeiten zu tun habe, bei einem weiteren Teammitglied handele es sich um einen seiner ehemaligen Studierenden. „Diese beiden Personen wurden erst nach einem Auswahlverfahren und der Zustimmung durch den Vorstand ins Team aufgenommen“, schreibt er.
Verstrickungen anderer Mitarbeiter
In demselben Esprit verteidigt er auch seinen Kollegen und ehemaligen Projektpartner bei der „Fondation Mons 2015“, Philippe Dethier, der bereits vor seiner Festanstellung bei „frEsch“ Geld von der Escher Gemeinde kassierte. Im Internet ist einsehbar, dass Dethier von 2022 bis 2023 die Koordination der Kulturevents bei den „Nuits de la culture“ und „Francofolies“ übernahm; seit einem Jahr leitet er die Abteilung für Produktion und Partnerschaften bei „frEsch“. Gleichzeitig ist er assoziierter Partner der belgischen Eventagentur „Dyncomm“, auf dessen Website er weiterhin als Kontakt angegeben wird.
Folglich besteht in dieser Hinsicht keinerlei Interessenkonflikt
„frEsch“ überwies allein 2022 insgesamt eine sechsstellige Summe an „Dyncomm“, beziehungsweise an Dethier. Sein Name tritt in den Zahlungsbelegen immer mit dem Verweis auf die Agentur auf – und umgekehrt. Auch das versucht Clairet zu relativieren: „Herr Dethier wurde 2019 von der Stadt Esch mit einer Studie zur Entwicklung von Partnerschaften beauftragt. Anschließend leitete er die Produktion einer ,Nuit de la culture‘ Anfang des Jahres 2022. Herr Dethier kam dann 2023 als Angestellter mit einem normalen Arbeitsvertrag zur ASBL frEsch.“ Seit dem Dienstantritt von Dethier habe „Dyncomm“ weder Aufträge von „frEsch“ noch von der Stadt Esch erhalten. Auf der Website der Agentur sind derweil die Aufträge für „Francofolies“ in Esch vermerkt – und zwar für die Jahre 2022, 2023 und 2024.
Direktor, Dozent, Berater
Die vermutliche Mehrfachbeschäftigung des Personals von „frEsch“ trifft auch auf Loïc Clairet zu: Neben der unbefristeten Vollzeitstelle als Direktor von „frEsch“, unterrichtet er eigenen Angaben nach u.a. seit zwölf Jahren an der „Université du littoral côte d’Opale de Dunkerque“ – dieses Semester bietet Clairet nach Studienplan sechs Kurse an; im Internet wird er auf der Website der „Université de Lille“ als „Maître de conférences associé“ in kulturellen Master-Studiengängen aufgeführt. Auf namur2030.eu tauchen sowohl Clairet als auch Emmanuel Vinchon als Teammitglieder auf: Namur buhlt um den Titel der Kulturhauptstadt im Jahr 2030. Clairet ist dort für die „stratégie de territoire, participation citoyenne“ zuständig. Das Gerücht, ihm sei kürzlich auch der vakante Posten als „Directeur culturel“ der Stadt Esch angeboten worden, will er hingegen nicht kommentieren.

Für das Angebot fehlt ihm wahrscheinlich ohnehin die Zeit, denn wie bringt der Direktor von „frEsch“ all seine Aufgaben unter einen Hut? „Diese punktuellen Aufträge, die ich in meiner Freizeit erledige, sind sehr gut machbar“, meint er. Sein Engagement bei „frEsch“ sei „umfassend“. Über seine Nebentätigkeiten wisse der Vorstand von „frEsch“ Bescheid. Eine Information, die der Präsident und Kulturschöffe Pim Knaff (DP) dem Tageblatt bestätigt. Mehrere Vorstandsmitglieder verneinen dies; einige von ihnen zeigen sich auf Nachfrage hörbar erstaunt über die Beschäftigungen von Clairet.
Verwundert ist am Ende auch die Leitung des eingangs erwähnten Grafikbüros. Erwischte sie der Aufruf zur Neugestaltung der visuellen Marke der „Francofolies“ in Esch kalt, beschreibt Clairet die Prozedur als gewöhnlich. „Die ‚Francofolies‘ sind ein Projekt, das mit der Zeit wächst und bei dem Jahr für Jahr dazugelernt wird. Der Wille dabei ist, immer auf dem Laufenden zu bleiben, die optimale Art zu finden, das Publikum anzusprechen und die Intention und den künstlerischen und kulturellen Ansatz bestmöglich zu vermitteln“, schreibt er. „Aus diesem Grund fiel die Entscheidung, 2023, wie auch schon für die Festivals 2020, 2021 und 2022, eine Ausschreibung für die Redefinition der visuellen Identität durchzuführen.“ Die Projektaufrufe in den Vorjahren verneinen die Angestellten des ausrangierten Grafikbüros, die in ihrem Sektor gut vernetzt sind, und wissen: „Davon hätten wir mit Sicherheit erfahren.“
* Das Personal des Grafikbüros möchte anonym bleiben.
Zum Hintergrund
Die Aufgabe von „frEsch“ ist u.a. die Umsetzung des Escher Kulturentwicklungsplans „Connexions“, in dem die Förderung der lokalen Kulturszene großgeschrieben wird. Kritiker*innen von „frEsch“ werfen dem Kulturverein seit Jahren vor, dieses Ziel durch Personalentscheidungen, die Zuhilfenahme externer Dienstleister*innen aus dem Ausland sowie den Einkauf ausländischer Kulturevents zu vernachlässigen. Darüber hinaus wird der Vorstand wegen finanzieller Intransparenz kritisiert.
Esch ist eine kleine stadt ou on reste entre amis😀
Wenn dem so ist, ist es für einen pensionierten Gemeindesekretär nichts Neues.